Nach § 37 Abs. 6 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Gremiums erforderlich sind. Der Arbeitgeber muss gem. § 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten tragen. § 179 Abs. 4 SGB IX ist eine entsprechende Regelung für die Schwerbehindertenvertretung. Im betrieblichen Alltag sind diese Bestimmungen häufig Anlass von Streitigkeiten.

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1. Differenzierung nach Schulungstypen („Ob“ und „Was“)

Das BAG unterscheidet zwischen der Vermittlung sog. Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen(Urt. v. 28.9.2016 – 7 AZR 699/14, AuA 9/18, S. 554):

  • Grundwissen: Durch die Vermittlung von Grundwissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Dies betrifft alle neu gewählten Mitglieder zur Aneignung von Grundlagen im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht, Grundzügen des Sozial- und Arbeitsschutzrechts, die ohne besondere Darlegung erforderlich ist (vgl. Fitting, § 37 BetrVG Rdnr. 163 f.).
  • Spezialschulungen: Für andere (Spezial-)Schulungsveranstaltungen muss ein darzulegender aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Veranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann. Dabei hängt es maßgeblich von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie von der Geschäftsverteilung des Gremiums ab, ob und inwieweit eines oder mehrere Mitglieder über Spezialkenntnisse verfügen müssen. Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme ein Beurteilungsspielraum zu (BAG, Beschl. v. 20.8.2014 – 7 ABR 64/12, NZA 2014, S. 1349). Dazu gibt es eine umfangreiche Kasuistik (vgl. Fitting, § 37 BetrVG Rdnr. 149 ff.).
  • Funktionsbezogene Schulungen: Ein unerfahrener Betriebsratsvorsitzender kann eine Schulung in Kommunikation, Sitzungsleitung und Verhandlungsführung, ein Gremiumsmitglied im Arbeitsschutzausschuss (ASA) eine Schulung in Arbeitssicherheit, ein Betriebsrat im Integrationsteam eine BEM-Schulung und ein Mitglied im Entgeltausschuss eine Schulung in Leistungsentgeltgestaltung benötigen.
  • Anlassbezogene Schulungen: Wenn ein Betriebsübergang/eine Betriebsänderung bevorsteht, kann eine Schulung zu Interessenausgleich, Sozialplan oder § 613a BGB, im Falle von Beschwerden wegen Diskriminierung und Belästigung eine Mobbingschulung erforderlich sein (BAG, Beschl. v. 14.1.2015 – 7 ABR 95/12, NZA 2015, S. 632).

Werden interne Gewerkschaftsveranstaltungen (Verdi-Vorstandsklausur) wahrheitswidrig als Betriebsratsschulungen deklariert (z.B. „Neue Rechtsprechung“) und so zulasten des Unternehmens abgerechnet, handelt es sich um einen Betrug und illegale Gegnerfinanzierung.

Praxistipp

Das Gremium muss die Erforderlichkeit begründen, d.h. den konkreten betrieblichen Anlass, der gegenwärtig ist und in naher Zukunft ansteht. Rein vergangenheitsbezogene abgeschlossene Sachverhalte genügen dazu ebenso wenig wie die rein theoretische Möglichkeit, dass diese Frage einmal im Betrieb auftreten könnte.

2. Allgemeine Kriterien der Erforderlichkeit

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit muss das Gremium die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers berücksichtigen. Es hat darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht (BAG v. 14.1.2015, a.a.O.). Zu berücksichtigende Kriterien sind insbesondere:

  • die konkreten Seminarinhalte,
  • eine mögliche Aufgabenverteilung innerhalb des Betriebsrats und eine thematische Spezialisierung einzelner Mitglieder,
  • die Zahl der zur Schulung entsandten Mitglieder,
  • die Größe des Betriebsrats,
  • die letzte Aktualisierung des bereits vorhandenen Wissens und aktuelle betriebliche Entwicklungen (BAG, Beschl. v. 18.1.2012 – 7 ABR 73/10, AuA 9/12, S. 550).

Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist jedoch nicht erforderlich, wenn sich die Arbeitnehmervertretung vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann (BAG v. 28.9.2016, a.a.O.; BAG v. 18.1.2012, a.a.O.), z.B. durch Selbststudium aus Fachzeitschriften (BAG, Beschl. v. 19.3.2014 – 7 AZN 91/13: AiB), Nutzung gewerkschaflichen Rechtsrats, interne Auskünfte/Schulungen durch Rechts-/Personalabteilung oder Datenschutzbeauftragten des Unternehmens (vgl. BAG, Beschl. v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, NZA 2015, S. 629) oder das Gremium schon einen Berater hat (§§ 80 Abs. 3, 111 Satz 2 BetrVG). Ein Grundsatz, dass sich ein Betriebsrat zunächst das „Rüstzeug“ für die Wahrnehmung seiner Aufgaben durch Schulungen seiner Mitglieder verschaffen muss, bevor er einen Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG hinzuziehen darf, besteht nicht (BAG v. 25.6.2014, a.a.O.).

Die Schulung eines Betriebsratsmitglieds ist nicht notwendig, wenn die Kenntnisse im Gremium bereits vorhanden sind. Besitzt ein Mitglied bereits die erforderlichen Kenntnisse, kann die sinnvolle Organisation der Betriebsratsarbeit es gebieten, auch andere Mitglieder mit der Aufgabenwahrnehmung zu betrauen. Es hängt dabei maßgeblich von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie von der Geschäftsverteilung der Arbeitnehmervertretung ab, ob und inwieweit eines oder mehrere Mitglieder über Spezialkenntnisse verfügen müssen (BAG v. 14.1.2015, a.a.O.).

Die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist grundsätzlich für die gesamte Fortbildung einheitlich zu bewerten. Die Aufteilung in einen für die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds erforderlichen und einen nicht erforderlichen Teil kommt nur dann in Betracht, wenn die einzelnen Themen so klar voneinander abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch der Veranstaltung möglich und sinnvoll ist, und wenn der erforderliche Teil gesondert gebucht werden kann. Ist eine Aufteilung der Schulungsveranstaltung praktisch nicht möglich, entscheidet über die Erforderlichkeit der Gesamtschulung, ob die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen (BAG v. 28.9.2016, a.a.O.).

3. Anbieterauswahl („Wer“)

Der Betriebsrat muss nicht anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auswählen. Ebenso ist er nicht angehalten, die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auszuwählen, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält (BAG, Beschl. v. 19.3.2008 – 7 ABR 2/07).

Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht des Gremiums im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren in Betracht kommen (BAG v. 14.1.2015, a.a.O.). Häufig nutzen Betriebsräte gewerkschaftsnahe (z.B. gewerkschaftliche Bildungscenter) oder spezialisierte private Anbieter (bspw. ifb, WAF, Poko, AfA).

Praxistipp

Integrationsämter, Berufsgenossenschaften oder die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bieten kostenfreie oder -günstige Seminare speziell für Betriebsräte an, auf die hingewiesen werden sollte und deren Teilnahme „zumutbar“ ist. Auch Arbeitgeberverbände bieten häufig spezielle Seminare für Mandatsträger an, die oft auf Bedenken stoßen, was jedoch kein rechtliches Argument ist (Fitting, § 37 BetrVG Rdnr. 169).

4. Dauer und Ort („Wo“ und „Wie lange“)

Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten können auch die Dauer der Veranstaltung im Hinblick auf die behandelten Themen und die örtliche Lage der Schulungsveranstaltung von Bedeutung sein.

  • Die Dauer sollte dem Thema angemessen sowie marktüblich sein und sich aus dem Seminarablauf im Einzelnen plausibel erschließen lassen.
  • Beim Ort ist grundsätzlich zur Kostenschonung (Reise/Übernachtung) der nächstgelegene Schulungsort zu wählen.
Beispiel

Ein Betriebsrat aus Köln hat deshalb vorrangig eine regionale Schulung im Rhein-Ruhr-Gebiet zu nutzen, statt eine in einem weit entfernten Ostseebad im Sommer oder Skiresort im Winter.

Praxistipp

Insbesondere bei mehreren Teilnehmern gebietet es die Erforderlichkeit, den Referenten zu einem Inhouseseminar ortsnah zu verpflichten, anstatt „Schulungstourismus“ zu betreiben. Eine vertrauensvolle betriebliche Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) lässt sich zudem fördern, wenn die Betriebsräte und Fachleute gemeinsam an einem Inhouseseminar teilnehmen und die anstehenden Themen erarbeiten, z.B. ein neues Entgelt- oder Arbeitszeitmodell.

5. Umfang der Kostenübernahme

Neben den eigentlichen Seminargebühren muss das Unternehmen auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds tragen (BAG, Beschl. v. 24.10.2018 – 7 ABR 23/17, NZA 2019, S. 407; Fitting, § 40 BetrVG Rdnr. 79). Die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung nach § 40 Abs. 1 BetrVG steht unter dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Der Betriebsrat ist daher verpflichtet, das Unternehmen nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf, und diese auf das notwendige Maß zu beschränken. Diese Pflicht gilt auch für das einzelne Mitglied (BAG, Beschl. v. 27.5.2015 – 7 ABR 26/13, NZA 2015, S. 1141).

Aus dieser Obliegenheit folgt, dass das Betriebsratsmitglied für Reisen zu Schulungsveranstaltungen grundsätzlich das kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen hat. Dabei ist es grundsätzlich nicht verpflichtet, seinen privaten Pkw einzusetzen. Entschließt es sich aber, bei einer von mehreren Arbeitnehmervertretern durchzuführenden Reise seinen privaten Pkw zu nutzen, ist es für ihn und die anderen Gremiumsmitglieder grundsätzlich zumutbar, eine Fahrgemeinschaft zu bilden. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Bildung einer Fahrgemeinschaft aufgrund besonderer, vom Mitglied darzulegender Umstände im Einzelfall als nicht zumutbar erscheint, z. B. wenn die begründete Besorgnis besteht, dass der Mitfahrende sich dadurch in eine besondere Gefahr begibt (BAG v. 24.10.2018, a.a.O.).

Eine undifferenzierte, anprangernde Äußerung des Arbeitgebers zu hohen Kosten des Gremiums auf einer Betriebsversammlung kann eine zu unterlassende Behinderung der Betriebsratstätigkeit darstellen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt (BAG, Beschl. v. 12.11.1997 – 7 ABR 14/97, NZA 1998, S. 559; v. 19.7.1995 – 7 ABR 60/94, NZA 1996, S. 332).

6. Maßgeblich ist die betriebliche Reisekostenordnung

Besteht im Betrieb eine zumutbare allgemeine Reisekostenregelung, so ist diese auch anlässlich der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG verbindlich, wenn die Übernachtungs- und Verpflegungskosten vom Betriebsratsmitglied beeinflusst werden können. Eine andere Sichtweise verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. Es würde eine ungerechtfertigte Besserstellung der Arbeitnehmervertreter darstellen, wenn diese für die im Zusammenhang mit der Ausübung von Betriebsratstätigkeit anfallende Reisetätigkeit höhere Beträge als andere Beschäftigte bei betrieblich veranlassten Reisen beanspruchen könnten, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund besteht.

Der sich aus § 40 Abs. 1 BetrVG ergebende Kostenerstattungsanspruch wird durch eine allgemein im Betrieb geltende Reisekostenregelung nur dann nicht begrenzt, wenn Gremium und Mitglied auf die entstehenden Reisekosten keinen Einfluss haben, z.B. wenn der Seminarveranstalter die Übernachtungs-/Verpflegungskosten pauschal von den Teilnehmern fordert (BAG, Beschl. v. 28.2.1990 – 7 ABR 5/89; BAG v. 28.3.2007 – 7 ABR 33/06, AE 2008, S. 49; Richardi/Thüsing, § 40 BetrVG Rdnr. 51).

Die Notwendigkeit der Übernachtung in einem Tagungshotel kann nicht allein mit den Besonderheiten von Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG begründet werden. Es ist ohne Darlegung von besonderen Umständen nicht als erforderlich i. S. d. § 40 Abs. 1 BetrVG anzusehen, dass das Betriebsratsmitglied auch in dem Hotel übernachtet, in dem die Schulung stattfindet (BAG v. 28.3.2007, a.a.O.).

Wenn ein Seminarteilnehmer nach Veranstaltungsende und dem Erfahrungsaustausch nachts um 1:00 Uhr im Treppenhaus des Tagungshotels auf dem Weg in sein Zimmer mit fast 2,0 Promille stürzt und sich verletzt, soll es sich nach erstinstanzlicher Rechtsprechung im Einzelfall um einen Arbeitsunfall i. S. d. § 8 SGB VII handeln (SG Heilbronn, Urt. v. 28.5.2014 – S 6 U 1404/13, NZS 2014, S. 709: „Der Versicherungsschutz ist auch nicht durch den Alkoholkonsum des Klägers entfallen, da ein alkoholbedingter Leistungsabfall des Klägers nicht belegt ist.“).

Praxistipp

Betriebsräte verweisen häufig auf den internen Erfahrungsaustausch nach dem Seminar im Veranstaltungshotel. An der Teilnahme an diesen Zusammentreffen sind sie nicht gehindert, wenn sie in einem anderen, entweder fußläufig oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Hotel am Tagungsort übernachten bzw. zumutbar nach Hause fahren können (BAG v. 27.5.2015, a.a.O.: Blitzeis rechtfertigt Übernachtung).

7. Verfahren und Rechtsschutz

Die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Gremiums über die Entsendung zu der Schulungsveranstaltung abhängig (BAG v. 27.5.2015, a.a.O.), da § 37 Abs. 6 BetrVG nicht als Anspruch der einzelnen Betriebsräte ausgestaltet ist, sondern als kollektiver Anspruch des Gremiums darauf, dass einem bestimmten Mitglied Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Die Vorschrift räumt ihm das Recht ein, über die Freistellung von Mitgliedern zu beschließen (BAG v. 28.9.2016, a.a.O.).

Der Arbeitgeber erhält dann regelmäßig den Beschluss nebst Details der Schulung (Veranstalter, Ort, Dauer, Referent, Inhalte, Ablauf, Kosten) mit der Aufforderung um Anerkennung der bezahlten Freistellung und Kostenübernahme. Nach seiner Prüfung hat er folgende Möglichkeiten:

  • uneingeschränkte Anerkennung bei Berechtigung;
  • im Falle der Nicht-Erforderlichkeit die Gewährung einer unbezahlten Freistellung, damit das Betriebsratsmitglied nicht ungerechtfertigt der Arbeit fernbleibt mit der evtl. Sanktion einer Abmahnung bei schuldhafter Fehleinschätzung (BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 7 AZR 682/92, NZA 1994, S. 500) sowie Ablehnung der Kostenübernahme.

Bei einem nachfolgenden Streit über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts i. S. d. § 611a Abs. 2 BGB für die Dauer der Schulung handelt es sich um eine individualrechtliche Streitigkeit, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) ArbGG im Urteilsverfahren einzuklagen ist und bei der auch anwendbare Ausschlussfristen zu beachten sind (BAG, Beschl. v. 18.6.1974 – 1 ABR 119/73, AP Nr. 16 zu § 37 BetrVG 1972). Rechtsstreitigkeiten über die Zahlung von Arbeitsentgelt an Betriebsratsmitglieder sind nach dieser Norm auch dann im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren zu entscheiden, wenn dabei betriebsverfassungsrechtliche Vorfragen zu klären sind (BAG, Beschl. v. 12.6.2018 – 9 AZB 9/18, NZA 2018, S. 1423; v. 28.2.1990 – 7 ABR 5/89). Gleiches gilt für den Fall einer Abmahnung wegen ungerechtfertigter Abwesenheit, wenn das Unternehmen keine unbezahlte Freistellung gewährt, wobei ein Entfernungsanspruch nur dem Betriebsratsmitglied und nicht dem Gremium zusteht (vgl. BAG, Beschl. v. 9.9.2015 – 7 ABR 69/13, AuA 7/16, S. 438; LAG Niedersachsen, Beschl. v. 26.1.2016 – 2 Ta 1/16, NZA-RR 2016, S. 301).

Die Frage, ob die Schulung erforderliche Kenntnisse vermittelt und ob bzw. inwieweit der Arbeitgeber die Kosten dafür tragen muss, ist hingegen im Beschlussverfahren zu klären (§§ 2a, 80 ff. BetrVG). Dies gilt auch für die Streitigkeiten zwischen dem einzelnen Betriebsratsmitglied und dem Gremium über die Teilnahme an einer Schulung (Fitting, § 37 BetrVG Rdnr. 257).

Da es sich um bezifferbare vermögensrechtliche Streitgegenstände handelt, richtet sich der Streitwert nach den Vergütungsansprüchen sowie den Maßnahmekosten(LAG Köln, Beschl. v. 26.6.2007 – 7 Ta 75/07; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.5.2004 – 3 Ta 83/04). Auch wenn man darin eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG sieht (so LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 5.10.2011 – 1 Ta 182/11), entspricht der Wert des Rechtsstreits nicht dem in der Vorschrift genannten Hilfswert (zurzeit 5.000 Euro), sondern den Kosten der Schulung sowie der Vergütungsansprüche der betroffenen Betriebsratsmitglieder.

Im Urteilsverfahren trägt der Arbeitnehmer selbst seine Kosten, auch wenn er gewinnt (§ 12a Abs. 1 ArbGG). Im Beschlussverfahren trägt der Arbeitgeber regelmäßig die Anwaltskosten des Betriebsrats, auch wenn er gewinnt. Daneben sollte man berücksichtigen, dass eine unberechtigte, unbegründete Ablehnung häufig als Reaktion des Gremiums Nichtzustimmung an anderer Stelle, z.B. bei Mehrarbeitsanträgen (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) oder personellen Einzelmaßnahmen (§ 99 Abs. 2 BetrVG) provoziert, die teure Einigungsstellenkosten oder Zustimmungsersetzungsverfahren nach sich ziehen kann.

8. Vergaberechtliche Aspekte

Handelt es sich um einen Betriebsrat, der Teil eines privatrechtlich organisierten Staatsunternehmens ist, könnte das Vergaberecht nach §§ 97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Anwendung finden, wenn Schulungen für die Mitglieder beauftragt werden. Diese Staatsunternehmen unterliegen dem Vergaberecht,

  • soweit sie öffentliche Aufträge nach § 103 GWB vergeben,
  • die den maßgeblichen Schwellenwert nach § 106 GWB überschreiten und
  • für die kein allgemeiner Ausnahmetatbestand nach §§ 107 ff. GWB oder besonderer Ausnahmetatbestand nach §§ 116 ff. GWB gegeben ist.

Betriebsratsschulungen sind Dienstleistungsaufträge nach § 103 Abs. 4 GWB. Handelt es sich dabei um den Bedarf eines öffentlichen Auftraggebers, wären diese nach den Vorgaben des Vergaberechts formell auszuschreiben. Dies kann mit der Regelung aus § 37 Abs. 6 BetrVG kollidieren, nach der der Arbeitnehmervertretung ein eigener Beurteilungsspielraum zusteht. Eine Pflicht zur Beachtung des Vergaberechts bei der Beauftragung von Schulungsveranstaltungen für Betriebsratsmitglieder eines öffentlichen Auftraggebers ist in § 37 Abs. 6 BetrVG nicht unmittelbar geregelt. Die Ausschreibungspflicht für die Beauftragung derartiger Schulungsleistungen hängt davon ab, ob der Betriebsrat selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist, der entgeltliche Verträge mit Unternehmen schließt.

Das Gremium wäre unmittelbarer öffentlicher Auftraggeber, wenn es sich bei dem jeweiligen Staatsunternehmen um einen solchen nach §§ 99 ff. GWB handelt, der im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllt. Nach § 99 Nr. 2 GWB sind nicht nur juristische Personen des privaten Rechts, sondern auch Gesellschaften mit Teilrechtsfähigkeit öffentliche Auftraggeber, die im eigenen Namen rechtsverbindlich auftreten und Beschaffungen durchführen können (MüKoVergabeR I/Reider, § 99 GWB Rdnr. 12). Der Betriebsrat ist keine juristische Person (BAG, Urt. v. 24.4.1986 – 6 AZR 607/83, NZA 1987, S. 100). Im Rahmen des gesetzlichen Wirkungskreises ist er partiell rechtsfähig (BGH, Urt. v. 25.10.2012 – III ZR 266/11, AuA 3/13, S. 181). Aufgrund der Teilrechtsfähigkeit könnte er also selbst als öffentlicher Auftraggeber zu werten sein.

Bei europarechtskonformer Auslegung des § 99 GWB ist der Begriff des Auftragsgebers funktional zu verstehen (EuGH, Urt. v. 17.12.1998 – C-353/96). Ein öffentlicher Auftraggeber ist eine Einrichtung, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nichtgewerblicher Art sind (z. B. Verteidigung, ÖPNV oder sozialer Wohnungsbau, vgl. MüKo VergabeR I/Reider, § 99 GWB Rdnr. 15), die Rechtspersönlichkeit besitzt und eng mit dem Staat, der Gebietskörperschaft oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts verbunden ist. Diese Voraussetzungen müssen sämtlich vorliegen; bei Fehlen einer Voraussetzung kann die Einrichtung nicht als öffentlicher Auftraggeber qualifiziert werden (EuGH, Urt. v. 22.5.2003 – C-18/01, NZBau 2003, S. 396). Charakteristisch hierfür ist nach der Rechtsprechung des EuGH Folgendes:

Diese Anforderungen erfüllen Staatsunternehmen selbst, nicht jedoch deren Betriebsräte. Während Staatsunternehmen bspw. die Daseinsversorgung sichern, erfüllen sie vergaberechtlich Aufgaben im Allgemeininteresse. Die gebildeten Arbeitnehmervertretungen bei den Staatsunternehmen erfüllen hingegen keine allgemeinnützigen Aufgaben im oben genannten vergaberechtlichen Sinn. Der Betriebsrat folgt den Regelungen aus dem BetrVG, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber Aufgaben im Allgemeininteresse erfüllt oder nicht. Die Aufgaben, Befugnisse und Kompetenzen des Gremiums haben – mit Ausnahme der im BetrVG selbst geregelten Modalitäten – keine Relation zu den jeweiligen Aufgaben und Zielsetzungen des Arbeitgebers (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 9.3.2016 – 24 TaBV 1939/15, AiB 2017, S. 45).

Praxistipp

Es ist zu empfehlen, die konkrete Auswahl des Veranstalters entsprechend den vergaberechtlichen Anforderungen besonders zu dokumentieren, um die Entscheidung der Beauftragung transparentdarzulegen. Bei der Auswahl der Schulungen sollten Gründe für die konkrete Auswahl sowie eine kurze Begründung, dass kein Vergaberecht Anwendung findet, deutlich werden.

9. Fazit

Betriebsratsschulungen sind ein Kostenfaktor und gelegentlich ein Dorn im Auge des Arbeitgebers. Eine unberechtigte, unbegründete Ablehnung kann neben schlechtem Betriebsklima und gestörter vertrauensvoller Zusammenarbeit auch beträchtliche Folgekosten generieren. Ein unsicheres, schlecht qualifiziertes und deshalb bremsendes Gremium kann auch teuer werden.

Für beide Betriebsparteien gilt es also, die Balance zu finden, sich auf gleicher Augenhöhe zu begegnen und sich so sachlich angemessen und wirtschaftlich vernünftig zu verhalten, als wäre es das eigene Geld, was ausgegeben wird: Verliert ein sich unwirtschaftlich verhaltendes Betriebsratsmitglied den Prozess, passiert sonst genau das – es bleibt auf den exzessiv verursachten Kosten sitzen (BAG v. 24.10.2018, a.a.O.: keine Fahrgemeinschaft = halbe Fahrtkosten).