Was hat sich in den vergangenen Wochen in der Rechtsprechung im Arbeitsrecht getan? Dr. Annett Böhm hat die wichtigsten Urteile für Sie zusammengefasst.

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Foto von Tingey Injury Law Firm

Keine Verwirkung des Anspruchs auf Überprüfung der Berechnung einer Ausgangsbetriebsrente

Begehrt ein Versorgungsempfänger die Neuberechnung und Zahlung einer höheren Ausgangsbetriebsrente, kann ihm nicht der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden.
BAG 13.10.2020 – 3 AZR 246/20

Unterliegen Urlaubsansprüche der Verjährung?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den EuGH aufgefordert, vorab darüber zu entscheiden, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nach den §§ 194 ff. BGB verjährt.
BAG 29.09.2020 – 9 AZR 266/20 (A)

Auslegung einer Versorgungsordnung bei einer Altersgrenze und Ausschluss befristet Beschäftigter

Sieht eine Versorgungsordnung vor, dass lediglich unbefristet Beschäftigte, die noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, anspruchsberechtigt sind, ist bezüglich eines vorab (nahtlos) befristet Beschäftigten das Lebensalter bei dem ursprünglichen Beginn des Arbeitsverhältnisses entscheidend. Er ist also auch dann anspruchsberechtigt, wenn er als unter 55-Jähriger seine Tätigkeit zunächst befristet aufgenommen hat und bei dem Übergang in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatte.
BAG 22.09.2020 – 3 AZR 433/19

Anforderungen an eine Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung

Zeigt ein Mitarbeiter, dass er eine ihm zugewiesene Arbeit bewusst und nachdrücklich nicht leisten will, kann dies sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies gilt erst recht, wenn der Mitarbeiter zuvor (hier: am selben Tag) wegen Verweigerung der Bearbeitung einer bestimmten Sache abgemahnt wurde. Auf die subjektive Annahme des Mitarbeiters, dass er zu der Arbeit nicht (mehr) verpflichtet war, kommt es nicht an. Entscheidend ist die objektive Rechtlage. Das Risiko eines Irrtums über die eigene Rechtsauffassung hat der Mitarbeiter zu tragen.
LAG Sachsen 31.07.2020 – 2 Sa 398/19

Beweislast bei beanspruchter Sonderzahlung

Begehrt ein bereits mehrere Jahre arbeitsunfähiger Mitarbeiter eine Sonderzahlung aufgrund vertraglicher Vereinbarung bzw. betrieblicher Übung, obliegt ihm die Beweislast dafür, dass ihm der Anspruch auch ohne Entgeltfortzahlung zusteht, weil es sich um eine Vergütung mit Mischcharakter handelt.
LAG Baden-Württemberg 30.06.2020 – 9 Sa 13/20

Welche Kündigungsfrist gilt für Geschäftsführerdienstverträge?

Geschäftsführerdienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, sind bei Geltung der gesetzlichen Bestimmungen nach § 621 BGB zu kündigen.
BAG 11.06.2020 – 2 AZR 374/19

Zeiterfassung per Fingerabdruck nicht rechtens

Zu einer Zeiterfassung per Fingerabdruck kann ein Mitarbeiter nicht gezwungen werden. Eine Verarbeitung von derartigen biometrischen Daten gestattet Art. 9 Abs. 2 DSGVO nur in Ausnahmefällen.
LAG Berlin-Brandenburg 04.06.2020 – 10 Sa 2130/19

Selbstbeurlaubung an nur einem Arbeitstag rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Fehlt ein Mitarbeiter nur an einem einzigen Arbeitstag unentschuldigt, rechtfertigt dies noch keine fristlose Kündigung. Vielmehr ist zunächst eine Abmahnung erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis erst wenige Tage zuvor begonnen hat.
LAG Schleswig-Holstein 03.06.2020 – 1 Sa 72/20

Was gehört zur ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung?

Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber seinem Betriebsrat vor dem Ausspruch einer (außerordentlichen) Kündigung (nur) die Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitzuteilen. Hierzu gehört es nicht, den Betriebsrat auch über das Bestehen eines etwaigen Sonderkündigungsschutzes in Kenntnis zu setzen. Zudem muss der Arbeitgeber, um seine Anhörungspflicht zu erfüllen, auch keine weiteren Ausführungen zur Einhaltung der in § 626 Abs. 2 BGB normierten zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist tätigen.
BAG 07.05.2020 – 2 AZR 678/19

Auch in Pandemiezeiten kein Anspruch auf Einzelbüro oder Homeoffice

Ein Mitarbeiter hat auch in Pandemiezeiten keinen Anspruch darauf, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung in einem Einzelbüro oder dem Homeoffice zu erbringen. Vielmehr kann der Arbeitgeber unter Berücksichtigung billigen Ermessens selbst entscheiden, wie er die von ihm nach § 618 BGB einzuhaltende Pflicht zu Schutzmaßnahmen umsetzt. Wurden die notwendigen Schutzvorkehrungen getroffen, ist es dem Mitarbeiter grundsätzlich auch zumutbar, mit anderen Personen im selben Raum zu arbeiten.
ArbG Augsburg 07.05.2020 – 3 Ga 9/20