Problempunkt

Der Kläger war seit 1994 bei der beklagten Seespedition als Leiter der Befrachtungsabteilung beschäftigt. Neben einem Grundgehalt von zuletzt 55.000 Euro erhielt er eine jährliche Sonderzahlung. Sie betrug in den Jahren 1999 und 2005 jeweils zwischen ca. 10.000 und 30.000 Euro brutto. Derartige Sonderzahlungen erhielten ausgewählte, besonders leistungsstarke und für die Beklagte wichtige Mitarbeiter. Sie erfolgten nach Feststellung des Geschäftsergebnisses aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Diese fand immer zwischen April und Juni des Folgejahrs statt. Mit der Zahlung teilte das Unternehmen dem Kläger jeweils mit:

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Foto von Tyler Franta

„Wir freuen uns, Ihnen für das Jahr […] eine Sonderzahlung i. H. v. […] zukommen zu lassen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt für […]. Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus. Wir danken Ihnen für ihre bisherige Tätigkeit und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in unserem Haus.“ Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 15.10.2006. Daraufhin leistete die Beklagte ihm, anders als den weiterhin beschäftigten Mitarbeitern, im Jahr 2007 für das Jahr 2006 keine Sonderzahlung.

Der Kläger machte geltend, die Sonderzahlung sei Teil des Gehalts. Die Beklagte habe nirgends ausgeführt, dass sie damit Betriebstreue belohnen wolle. Daher forderte er die Zahlung von 22.760 Euro.

Die Beklagte berief sich auf den Freiwilligkeitsvorbehalt. Bereits ausgeschiedene Mitarbeiter hätten noch nie eine solche Zahlung erhalten. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) gab ihr statt und hielt den Freiwilligkeitsvorbehalt für unwirksam. Die Beklagte ging in Revision.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wiederhergestellt. Es sieht keinen Anspruch des Klägers auf die Sonderzahlung, auch keinen anteiligen. Die von der Beklagten verwendete Formulierung entsprach einem wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt und hält insbesondere einer AGB-Kontrolle stand.

Eine Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) scheidet aus. Sie ist nur vorzunehmen, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, eine bereits versprochene Leistung zu ändern. Die Beklagte hat hier aber jedes Jahr neu entschieden, ob es überhaupt einen Bonus gibt. Dieses Recht hat sie sich auch wirksam vorbehalten, weshalb es gar keine versprochene Leistung gab.

Einer Überprüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB hielt die Klausel stand, da sie keine Regelung enthält, die von wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes abweicht. Vielmehr sieht der Gesetzgeber selbst im Entgeltfortzahlungsgesetz bei Sonderzahlungen einen geringeren Schutz des Arbeitnehmers vor als bei laufendem Entgelt.

Unerheblich war auch, welche Höhe die Sonderzahlung hatte. Das BAG stellte klar, dass die Entscheidungen zu Widerrufsvorbehalten nicht 1:1 auf Freiwilligkeitsvorbehalte übertragbar sind. Elementarer Unterschied ist, dass ein Widerrufsvorbehalt einen bereits bestehenden Anspruch nachträglich wieder beseitigen kann. Dagegen entsteht bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt von vornherein kein Anspruch und damit auch kein schützenswertes Vertrauen. Die Begrenzung auf 25 % der Gesamtvergütung, die die Rechtsprechung für Widerrufsvorbehalte entwickelt hat, gilt daher bei Freiwilligkeitsvorbehalten nicht.

Konsequenzen

Nachdem manche im letzten Jahr bereits aufgrund einzelner Entscheidungen des BAG „das Ende des Freiwilligkeitsvorbehalts“ ausgerufen haben, steht nun fest: Arbeitgeber können weiterhin jährliche Sonderzahlungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen. Hat das Unternehmen ihn wirksam vereinbart, steht es ihm frei, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob es die Leistung gewährt. Dabei zeigt die Formulierung, die die Beklagte hier verwendet hat, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt aussehen kann.

Der vorliegende Fall macht deutlich, dass der Arbeitgeber auf der sicheren Seite ist, wenn er zu den Voraussetzungen der Sonderzahlung im Arbeitsvertrag selbst gar nichts sagt, sondern einfach die Auszahlung jeweils mit dem Freiwilligkeitsvorbehalt verbindet. So behält er sowohl bezüglich des „Ob“ als auch des „Wie“ der Zahlung (wen begünstige ich in welcher Höhe?) maximale Freiheiten. Er kann sich – in den Grenzen des Gleichbehandlungsgrundsatzes – jedes Jahr neu entscheiden.

Im vorliegenden Fall beschloss die Beklagte die Ausschüttung erst, nachdem der Kläger das Unternehmen verlassen hatte. Daher konnte sie festlegen, dass nur solche Arbeitnehmer eine Sonderzahlung erhalten, die zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsverhältnis stehen. Da sie dies auch in anderen Fällen so gehandhabt hatte, schied ein Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus.

Erfreulicherweise hat das BAG in dem Urteil nun klargestellt, dass die Grenze von 25 % der Gesamtvergütung beim Freiwilligkeitsvorbehalt nicht greift.

Praxistipp

Will der Arbeitgeber zusätzlich zum Grundgehalt Leistungen erbringen, sich aber gleichzeitig nicht dauerhaft binden, bietet eine jährliche Auszahlung unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt eine gute Möglichkeit. Hierbei sind folgende Eckpunkte zu beachten:

  • Am sichersten ist es, wenn der Arbeitsvertrag zu Sonderzahlungen keine Regelung enthält und das Untenehmen bei der Auszahlung ein entsprechendes Schreiben mit dem wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt übergibt.
  • Will der Arbeitgeber dennoch einen Anreiz auf die Leistung im Arbeitsvertrag geben, muss er besonders vorsichtig sein, damit der Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam ist. Insbesondere ist zu vermeiden, einerseits einen Anspruch zuzusagen („Sie bekommen jährlich einen Bonus.“) und diesen gleichzeitig unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen („Dies ist eine freiwillige Leistung, auf die kein Anspruch für die Zukunft besteht.“). Aufgrund des Widerspruchs zwischen den beiden Regelungen wäre der Vorbehalt komplett wirkungslos.
  • Die Auszahlung darf nicht monatlich erfolgen. Ansonsten handelt es sich um laufendes Entgelt, das nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden kann.
  • Die Höhe der Sonderzahlung im Verhältnis zur Gesamtvergütung ist unbeachtlich, zumindest solange die Grundvergütung nicht unangemessen niedrig ist.
  • Bei der Entscheidung über die Ausschüttung von Sonderzahlungen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Selbst bei einem wirksamem Freiwilligkeitsvorbehalt ist der Arbeitgeber verpflichtet, vergleichbare Arbeitnehmer/ Arbeitnehmergruppen gleich zu behandeln, es sei denn, es liegt ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 9/09