„Entscheidend, ob der Arbeitnehmer einen bAV-Vertrag abschließt oder nicht ist immer sein Informationsstand.“ Für Friedrich-Wilhelm Falkenreck, Leiter Konzern-Personalpolitik bei der Continental AG ist die Antwort auf die Frage, wie im Betrieb Akzeptanz für eine arbeitnehmerfinanzierte Altersvorsorge geschaffen werden kann, eindeutig. Seit 1.1.2002 bietet Continental neben der arbeitgeberfinanzierten bAV auch die Möglichkeit der Entgeltumwandlung über das Conti Plus Pensionskonto an: Die umgewandelten Entgeltbestandteile werden als Beitrag zum Pensionskonto bei der Höchster Pensionskasse genutzt. Dabei liegen die Abschlussquoten der 30.000 Mitarbeiter der Continental Deutschland mit einem Schnitt von circa dreißig Prozent weit über dem deutschen Durchschnitt.

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Foto von Tetiana SHYSHKINA

Falkenreck erläutert das Erfolgskonzept: „Das Thema bAV ist zu komplex, um auf Anhieb verstanden zu werden. Ein Mitarbeiter, der nicht ausreichend informiert ist, wird die Notwendigkeit, für sich und auf eigene Kosten eine Altersversorgung abzuschließen, niemals einsehen. Aus diesem Grund hat die Continental AG die Information der Mitarbeiter zur Aufgabe der Personalführung gemacht.“ Personalleiter und Personalreferenten sprechen die 30.000 deutschen der über 82.000 Mitarbeiter des Unternehmens direkt auf ihr persönliches Versorgungskonzept an. In Informationsveranstaltungen und zahlreichen Einzelgesprächen werden Vor- und Nachteile der Versorgungsmöglichkeiten erklärt, Chancen und Dringlichkeit anhand von Beispielsrechnungen erläutert. Mit jedem einzelnen Mitarbeiter wird die persönliche Vorsorgesituation durchgerechnet, individuelle Analysen zeigen, wo Lücken in der Altersabsicherung bestehen und wie diese geschlossen werden können.

Bewusst wurde entschieden, das bAV-Marketing den eigenen Personalfachleuten zu übertragen. Der Informationsaustausch mit der Pensionskasse gilt alleine der Weiterbildung der Personalfachleute. Dazu Falkenreck: „Die Mitarbeiter brauchten – trotz aller Aufklärungsarbeit durch die Broschüren, die wir in Zusammenarbeit mit der Pensionskasse erstellt haben – als Ansprechpartner jemanden, der sie persönlich von dem Konzept überzeugen kann. Dazu hätten Informationsveranstaltungen des Anbieters nicht ausgereicht, die Überzeugungsarbeit mussten Personalleiter und Betriebsrat leisten – als Leute, denen die Mitarbeiter vertrauen.“

Abschlussquoten unter den Zielgrößen der Personalarbeit

 

Als besonderer Anreiz wurde den Conti-Mitarbeitern der so genannte Conti-Starterbonus vorgestellt: In den ersten beiden Jahren nach der Einführung der Entgeltumwandlung bekamen die neuen Versicherten der Pensionskasse jeweils 100 Euro pro Jahr als Zuschuss zu ihren Beiträgen auf das Conti Plus Pensionskonto, vorausgesetzt die Bruttoentgeltumwandlung betrug mindestens 600 Euro.

Den entscheidenden Schwung für das Projekt brachte schließlich die Idee, diese operative Leistung der Personalleiter auch in die jährlichen Zielvereinbarungen aufzunehmen. Klare Zielwerte geben vor, wie viele Mitarbeiter von dem einzelnen Personalleiter von den Vorzügen einer bAV überzeugt werden müssen. Dazu Conti-Arbeitsdirektor Thomas Sattelberger: „Immer wieder habe ich als Personalmann erlebt, wie gute personalpolitische Konzepte in einem Frühstadium sterben oder nicht in die kritische Masse kommen. Das wollte ich bei der Entgeltumwandlung bei Conti vermeiden.“ Dabei war der Weg über die Zielvereinbarungen kein Neuland für Sattelberger: „In meiner Zeit bei der Lufthansa stand ich einmal vor der Frage, wie Kunden dazu gewonnen werden können, die elektronischen Bordkartenautomaten zu benutzen. Ich habe meinen Stationsleitern Zielgrößen vorgegeben. Ihre Erfolge wurden über weltweite Benchmarks gemessen. Das gleiche System wurde nun zur Verbreitung der bAV bei Conti Deutschland angewandt.“

Schlechte Arbeit auf dem Prüfstand

 

Als Teil der flexiblen Gehaltsbestandteile der Personalverantwortlichen bildete die Zielvereinbarung „bAV-Abschluss“ von Anfang an einen gewissen monetären Anreiz, um die Beteiligungsquote und die damit verbundene Überzeugungsarbeit zu steigern. Genauso wichtig aber war, davon ist man bei der Continental AG überzeugt, die vom Personalvorstand regelmäßig veröffentlichte Performance der einzelnen Personalfunktionen: Sie wurden in Rankings, die an alle Personalabteilungen weitergegeben wurden, je nach Grad der Zielerreichung in „good“, „bad“ und „ugly“ eingestuft. „Das war ein wichtiger Impuls, hier gute Arbeit zu leisten. Selbstverständlich will keiner lange den Status „ugly“ innehaben“, beschreibt Sattelberger die Konsequenzen seines Vorgehens.

Doch nicht nur die Besten- und Schlechtestenliste wurde weitergegeben, auch eine Ideenbörse zum Erfahrungsaustausch wurde eingerichtet: Tipps und Beispiele, wie sie die Mitarbeiter für das Thema gewinnen konnten, reichten die Personalverantwortlichen beim Personalvorstand ein. Dieser gab sie, versehen mit eigenen Kommentaren, an alle Verantwortlichen weiter.

Viel mehr als bloße Administratoren

 

„Wir haben gallische Dörfer geknackt“, beurteilt Sattelberger die Erfolgsquoten seiner Personalverantwortlichen. Anfängliche Skeptiker, die befürchteten, dass sich gerade die Personaler in den teilweise noch dezentralen Lohn- und Gehaltsabrechnungseinheiten mit der Überzeugungsarbeit schwer tun könnten, wurden schnell eines Besseren belehrt. Sattelberger lobt voller Stolz: „Gerade unsere Lohn- und Gehaltsabrechner haben sich als weit mehr als bloße Administratoren erwiesen, sie waren das lebendige Gesicht für unsere Mitarbeiterschaft und haben in gewohnter Unparteilichkeit beraten.“

Je nach Standort ist die Verteilung der bAV-Abschlüsse bei Conti noch unterschiedlich. Als Spitzenwert haben in einzelnen Abteilungen weit über 50 Prozent aller Mitarbeiter das Angebot der Entgeltumwandlung angenommen. Unterschiede lassen sich auch innerhalb der verschiedenen Tarifbereiche bei Conti feststellen: Während die Entgeltumwandlung innerhalb des Chemietarifvertrags je nach Standort von bis zu 54 Prozent der Mitarbeiter angenommen wurde, pendeln die Abschlussquoten bei den noch jungen Conti-Töchtern im Geltungsbereich des Metalltarifvertrags zwischen 6,4 und 24 Prozent. „Generell war es hier für die Personalleiter schwierig, wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten oder des Schichtdiensts an einzelne Mitarbeiter heranzukommen“, erklärt Falkenreck die vergleichsweise niedrigeren Abschlussquoten. Doch auch hier ist eine Optimierung geplant: Eine Kollegin aus der Personalleitung geht bereits regelmäßig in die Nachtschicht, weitere wollen folgen.

Alterssicherung auch für Junge

 

Eine aktuelle Umfrage von Conti und Infratest unter 1.001 Studenten zu ihren Ansichten über Arbeitszeit, Karriere, Qualifizierung sowie Hochschulreform und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland ergab, dass das Thema Altersvorsorge bei Berufsanfängern extrem unterschätzt wird: Etwa jeder Dritte rechnet mit einem eigenen monatlichen Aufwand von 100 bis 200 Euro zur Alterssicherung, 43,9 Prozent erwarten Belastungen von 200 bis 400 Euro, nur jeder Zehnte geht von mehr als 400 Euro monatlich aus. „Dazu muss man wissen, dass zum Beispiel ein 25 Jahre alter Berufseinsteiger pro 100 Euro monatlicher Eigenvorsorge je nach Konditionen einen monatlichen Rentenbetrag zwischen 400 und 500 Euro im Alter von 65 erwarten kann“, erläutert Sattelberger. „Berücksichtigt man Inflationseinflüsse und die Erosion der staatlichen Rentenversicherung, so spiegelt dies wider, dass jungen Menschen die Dramatik der Entwicklung nicht klar ist beziehungsweise von ihnen mit einer gewissen Blauäugigkeit behandelt wird.“ Dieses Problem der mangelnden Altersmischung scheint es im Unternehmen in vielen Bereichen nicht zu geben. „Dort, wo wir hohe Durchdringungsquoten haben, ist es unseren Personalleitern gelungen, sehr schön die verschiedenen Altersschichten abzudecken“, bestätigt Friedrich-Wilhelm Falkenreck. Und Sattelberger sieht hier einen Beweis für die Kunstfertigkeit der Personalverantwortlichen, genau die zu gewinnen, die glauben, von den Problemen der Altersversorgung verschont zu bleiben: „Die Altersmischung hat da gut geklappt, wo die Personalfunktionen gut gearbeitet haben.“

An der Verbreitung der bAV wird weiter gearbeitet, die Zielwerte sind wieder erhöht worden. Als Differenzierungsmaßstab gilt die bisher erzielte Abschlussquote. Wer bislang unterhalb der vereinbarten Werte lag, hat nun spürbare Erhöhungen bekommen. Erfahrungsaustausch und regelmäßige Treffen sollen die Marketingarbeit der Personalleiter in Sachen bAV sichern.