LAG Hessen 18.01.2011 – 12 Sa 522/10

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Foto von Austin Distel

(ArbG Frankfurt 25.02.2010 – 20 Ca 7651/09)

Das Landesarbeitsgericht hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Ein 37-jähriger lediger Arbeitnehmer war seit 1993 als Vorarbeiter in der Flugzeugreinigung für ein Dienstleistungsunternehmen auf dem Frankfurter Flughafen tätig. Der Mitarbeiter war – meistens wegen Beschwerden an der Lendenwirbelsäule – wiederholt arbeitsunfähig. Bereits im Jahr 2003 erinnerte ihn der Arbeitgeber schriftlich daran, dass er im Falle einer Erkrankung unverzüglich, möglichst noch vor Arbeitsbeginn mit der Personalabteilung Kontakt aufzunehmen hat, um diese über seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer in Kenntnis zu setzen, damit das Personal anderweitig disponiert werden kann. Zwischen 2003 und 2009 zeigte der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit dennoch sechsmal verspätet an und wurde dafür viermal abgemahnt. Am 1. September 2009 meldete er sich wiederum nicht unverzüglich arbeitsunfähig und wurde deshalb von dem Unternehmen fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.

Nachdem er mit seiner gegen die Kündigung gerichteten Klage vor dem Arbeitsgericht Erfolg hatte, hielt das Hessische Landesarbeitsgericht zwar nicht die fristlose, aber die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung für wirksam.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass sich die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher Dauer bereits aus dem Gesetz (§ 5 Abs. 1 EFZG) ergebe und unabhängig von der Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestehe. Weiter führte es aus, dass nach der Anzahl der Pflichtverstöße des Mitarbeiters trotz erhaltener Abmahnungen das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege.

Von Bedeutung war dabei auch, dass es insbesondere die Eigenart der von dem Arbeitgeber erbrachten Dienstleistung, nämlich die Flugzeuginnenreinigung, mit sich bringt, dass diese jeweils nur in einem engen zeitlichen Fenster erledigt werden kann. Dafür ist es zwingend erforderlich, dass das eingeteilte Personal zu den vorgegebenen Zeiten erscheint bzw. im Verhinderungsfall unverzüglich das Nichterscheinen mitteilt, damit der Arbeitgeber den Personaleinsatz kurzfristig anderweitig disponieren kann.

Darüber hinaus hatte der Arbeitnehmer als Vorarbeiter eine herausgehobene Stellung inne. Die Tatsache der langjährigen Betriebszugehörigkeit von mehr als 16 Jahren sah das Berufungsgericht nicht als ausreichend dafür an, dass das Interesse des Mitarbeiters am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses das Beendigungsinteresse des Unternehmens überwiegt.

Fazit:

Auch bei kleinen Pflichtverstößen kann eine verhaltensbedingte Kündigung wirksam sein. Der Arbeitnehmer hat unverzüglich, das heißt „ohne schuldhaftes Zögern“ zu agieren, wenn er nicht im Stande ist, zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung zu erscheinen. Er muss alles daran setzen, dass der Arbeitgeber spätestens zum Zeitpunkt des geplanten Arbeitsbeginns informiert ist. Die Anzeige kann schriftlich oder mündlich erfolgen, wobei der Mitarbeiter die Darlegungs- und Beweislast trägt. Zu beachten ist, dass das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung im Jahr 1986 bereits zu dem Ergebnis kam, dass die Verletzung der Anzeigepflicht eine Abmahnung und im Wiederholungsfalle eine ordentliche oder sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.