Geltendmachung eines AGG-Verstoßes nur bei rechtzeitiger Bewerbung

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Foto von Mimi Thian

Eine Entschädigung nach dem AGG wegen Benachteiligung im Besetzungsverfahren kommt nur in Betracht, wenn die Bewerbung zum Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung schon vorlag. Dies gilt auch, wenn sich eine Stellenausschreibung, obwohl sie sich bereits erledigt hat, noch auf den Internetseiten des Arbeitgebers befindet. Eine verspätete Bewerbung muss ein Arbeitgeber auch dann nicht mehr berücksichtigen, wenn er die freie Stelle pflichtwidrig nicht frühzeitig der Agentur für Arbeit angezeigt hat.

BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR 370/09

Benachteiligung im Sinne des AGG nur bei vergleichbarer Qualifikation

Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche nach dem AGG wegen Benachteiligung im Bewerbungsverfahren kommen nur dann in Betracht, wenn die Qualifikation eines Bewerbers mit der von anderen Bewerbern vergleichbar ist. Dies kann der Arbeitgeber nach einem von ihm selbst entwickelten Anforderungsprofil beurteilen, wenn dieses nach der allgemeinen „Verkehrsanschauung“ plausibel erscheint.

BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR 466/09

Verpflichtung zur altersneutralen Stellenausschreibung

Eine Stellenausschreibung, der zufolge ein Arbeitgeber einen „junger“ Bewerber sucht, verstößt grundsätzlich gegen das Altersdiskriminierungsverbot des AGG. Ältere Bewerber, die der Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, können in einem solchen Fall regelmäßig eine Entschädigung verlangen. Ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch besteht allerdings nur, wenn der Bewerber beweisen kann, dass er bei einer diskriminierungsfreien Auswahl eingestellt worden wäre.

BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR 530/09

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Besetzung von Führungsstellen

Besetzen Arbeitgeber eine Führungsstelle neu, müssen sie die Schwerbehindertenvertretung nicht zwingend unterrichten und anhören, wenn der Führungsriege schon mindestens ein schwerbehinderter Mensch zugeordnet ist. Für ein Beteiligungsrecht ist vielmehr erforderlich, dass die Aufgabe besondere schwerbehindertenspezifische Führungsanforderungen stellt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Führungskraft die behinderungsgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen obliegt.

BAG, Urt. v. 17.08.2010 – 9 ABR 83/09

Konkurrentenklage: Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens bei Verfahrensmängeln berechtigt

Kommt es bei der Besetzung eines öffentlichen Amtes zur einer Konkurrentenklage, in deren Verlauf der Konkurrent vor dem Gericht Verfahrensmängel beanstandet, kann die Behörde zum Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens berechtigt sein. Damit hat der unterlegene Bewerbers gemäß Art. 33 Abs. 2 GG keinen Besetzungsanspruch mehr. Ihm bleibt daher nur die Möglichkeit, sich bei einer erneuten Stellenausschreibung wieder zu bewerben.

BAG, Urt. v. 17.08.2010 – 9 AZR 347/09

Fristlose Kündigung bei exzessiver privater E-Mail-Nutzung möglich

Verbringt ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mehreren (hier: sieben) Wochen mehrere Stunden pro Arbeitstag damit, private E-Mails zu schreiben, kann dies auch bei langjähriger Beschäftigung ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Arbeitgeber, die die Nutzung des dienstlichen PC zu privaten Zwecken gestattet oder geduldet haben, können unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sein, den privaten E-Mail-Verkehr des Arbeitnehmers zu Beweiszwecken auszuwerten.

LAG Niedersachsen, Urt. v. 31.05.2010 – 12 Sa 875/09

Auskunftsanspruch abgelehnter Stellenbewerber gegenüber (Wunsch-)Arbeitgeber?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) aufgefordert, darüber zu entscheiden, ob die einschlägigen EU-Richtlinien dahingehend auszulegen sind, dass ein Arbeitgeber einem abgelehnten Stellenbewerber Auskunft über die Stellenbesetzung erteilen muss. Dabei geht es darum, ob ein Arbeitnehmer, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, im Falle seiner Nichtberücksichtigung einen Auskunftsanspruch darüber hat, ob das Unternehmen einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist. Der EuGH soll sich zudem dazu äußern, ob der Umstand, dass der Arbeitgeber die geforderte Auskunft nicht erteilt, vermuten lässt, dass eine Diskriminierung vorliegt.

BAG, Beschluss v. 20.05.2010 – 8 AZR 287/08 (A)

Verfallfrist des Urlaubs bei Wiedergenesung

Kann ein Arbeitnehmer seinen Urlaub aufgrund einer Erkrankung bis zum Ablauf des Übertragungszeitraumes nicht nehmen und steht er deshalb dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wiedergenesung noch zu, unterliegt dieser nicht genommene Urlaub bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis gemeinsam mit dem Urlaub aus dem Jahr der Wiedergenesung der Verfallfrist des § 7 Abs. 3 BUrlG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Zeitraum zwischen Wiedergenesung und Ende des Urlaubsjahres lang genug ist, damit der Arbeitnehmer den Urlaub vollständig in Anspruch nehmen kann. Anders als beim Urlaubsabgeltungsanspruch greifen (allgemeine) vertragliche oder tarifvertragliche Verfallfristen dabei nicht.

LAG Köln, Urt. v. 18.05.2010 – 12 Sa 38/10

Kündigung wegen Raucherpausen während der Arbeitszeit

Besteht in einem Unternehmen eine ausdrückliche Pflicht zum Ausstempeln während einer Raucherpause, können Verstöße hiergegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Arbeitgeber sind berechtigt, das Rauchen am Arbeitsplatz zu untersagen. Es besteht auch kein Anspruch auf bezahlte Raucherpausen, da Arbeitnehmer während einer Zigarettenpause keine Arbeitsleitung erbringen.

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 06.05.2010 – 10 Sa 712/09

Widerrufsvorbehalt beim Dienstwagenüberlassungsvertrag

Ein Arbeitgeber kann seinem Arbeitnehmer die Vereinbarung eines Widerrufsrechts bei der Dienstwagenüberlassung nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann zumuten, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Arbeitsverhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein.

BAG, Urt. v. 13.04.2010 – 9 AZR 113/09

Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages wegen Umgehung von § 613a BGB

Schließt ein Arbeitnehmern mit dem Insolvenzverwalter einen Aufhebungsvertrag und ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft für lediglich einen Tag, kann dies wegen Umgehung des § 613a BGB, der die Rechte und Pflichten beim Betriebsübergang regelt, unwirksam sein. Bei der Berechnung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB ist eine lediglich eintägige tatsächliche und rechtliche Unterbrechung der Beschäftigung des Arbeitnehmers unschädlich.

LAG Niedersachsen, Urt. v. 10.02.2010 – 7 Sa 779/09

Aufstockung eines Teilzeitvertrages in einen Vollzeitvertrag

Verlangt ein Arbeitnehmer, seinen Teilzeitvertrag in einen Vollzeitvertrag aufzustocken, kann sich der Arbeitgeber im Falle einer Ablehnung nicht darauf berufen, dass er die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, grundsätzlich nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen. Etwas anderes gilt dann, wenn er diese Entscheidung durch arbeitsplatzbezogene Gründe rechtfertigen kann. Der Arbeitgeber kann sich auch nicht darauf stützen, dass er keine freie Vollzeitstelle zur Verfügung habe, wenn er den Arbeitnehmer trotz seines Teilzeitvertrages tatsächlich über mehrere Jahre hinweg regelmäßig in einem Umfang eingesetzt hat, der über eine Vollzeitstelle weit hinaus geht.

LAG Köln Urt. v. 09.07.2009 – 7 Sa 1386/08

Weitere Informationen: www.naegele.eu