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Foto von Lauren Mancke

Die erste Entscheidung des BAG im
Jahr 2010: Gibt es einen Auskunftsanspruch?

Nachdem Frau Meister Revision eingelegt hatte, befasst sich erstmals das BAG im Jahr 2010 mit dem Fall. Mit Beschluss des BAG vom 20.5.2010 (8 AZR 287/08) legte der 8. Senat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung die Fragestellung vor, es das Gemeinschaftsrecht gebietet, einem Bewerber, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, dessen Bewerbung jedoch nicht berücksichtigt wurde, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft einzuräumen, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist. Darüber hinaus wurde die interessante Folgefrage gestellt, ob der Umstand, dass der Arbeitgeber die geforderte Auskunft nicht erteilt, eine Tatsache, welche das Vorliegen der vom Arbeitnehmer behaupteten Diskriminierung vermuten lässt.

Zweite Entscheidung des BAG im Jahr 2013:
Belohnung des schweigsamen Arbeitgebers

Zunächst wenig überraschend, stellt der 8. Senat des BAG fest, dass es – im Einklang mit dem EuGH – keinen Auskunftsanspruch für einen abgelehnten Bewerber gibt. Spannend war an dem Fall aber, wie das BAG das “beharrliche” Schweigen des Arbeitgebers im gesamten Verfahren wertete. Das BAG lehnte eine Entschädigungsverpflichtung des Arbeitgebers ab.   

Die Klägerin habe zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft “hingewiesen”, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen und die nach § 22 AGG zu einer Beweislast der Beklagten dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen habe. Auch die Verweigerung jeglicher Auskunft durch den Arbeitgeber begründe im Streitfalle nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung der Klägerin nach § 7 AGG.

Fazit und Praxistipp

Die Entscheidung gibt eine gute Orientierung im Handling mit Bewerbungen, die erkennbar Diskriminierungsklagenpotenzial haben oder bei denen es zu einer Diskriminierungsklage schon gekommen ist. Es gibt keinen Auskunftsanspruch des abgelehnten Stellenbewerbers (die männliche Form wird hier geschlechtsneutral verwendet) gegen den Arbeitgeber, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist. Auch wenn Diskriminierungsmerkmale nach § 1 AGG ins Feld geführt werden, so sieht § 22 AGG, den das BAG auch angewendet hat, vor, dass der Bewerber die Indizien – “beweisen” – muss, die die Diskriminierung vermuten lassen. Erst wenn dieser Beweis der Indizien gelungen ist, dreht sich die Beweislast um und der Arbeitgeber muss beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt. Das bloße Behaupten des Bewerbers, er wäre diskriminiert worden, reicht gerade nicht. Wenn in der Folge der Arbeitgeber gar nichts dazu sagt, sondern beharrlich zu allem schweigt, kann ihm dies nicht belastend ausgelegt werden. Er muss nichts sagen und schafft sich damit keine Nachteile im Prozess. Vorsicht geboten ist dann, wenn der Arbeitgeber freiwillig Aussagen macht, dass er sich damit nicht in einen Diskriminierungsprozess “hineinredet”. Deswegen gilt hier die Regel: Reden ist gut, Schweigen umso besser. 


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Der Sachverhalt im Fall “Meister”:
Drei Diskriminierungsmerkmale nach § 1 AGG

Die 1961 in der Russischen SSR geborene Klägerin, Frau Meister, hatte sich im Jahre 2006 auf eine vom Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle “eines/einer Softwareentwicklers/-in” erfolglos beworben. Und zwar zwei Mal, da die Stell nach der ersten Absage weiter ausgeschrieben worden war. Der Arbeitgeber teilte ihr auf Anfrage nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich gewesen waren. Frau Meister behauptete, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) diskriminiert worden. Sie hat hierfür vom Arbeitgeber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung des EuGH im Jahr 2012:
Kein Auskunftsanspruch, aber …

Der EuGH befasste sich im Urteil vom 19. 4. 2012, Az. C-415/10 (“Meister/Speech Design Carrier Systems GmbH”) mit den Fragen des BAG. Der EuGH befand, dass Gemeinschaftsrecht keinen Auskunftsanspruch eines Bewerbers, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, dazu vorsieht, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.

… Schweigen als Indiz einer Diskriminierung?

Ein Satz des EuGH aus dieser Entscheidung enthielt jedoch noch juristischen “Sprengstoff”. Der EuGH führt aus, dass es nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch den Arbeitgeber ein Gesichtspunkt sein könne, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten ließen, heranzuziehen sei. Es sei Sache des BAG, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall sei.