BAG Urt. v. 27.08.2008 – 5 AZR 16/08

three people sitting in front of table laughing together
Foto von Brooke Cagle

(Hessisches Landesarbeitsgericht Urt. v. 10.05.2007 – 11/19 Sa 1217/06)

Die Arbeitnehmerin war als Mitarbeiterin einer Molkerei für die Dauer von eineinhalb Jahren krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Am 6. Juni 2005 meldete sie sich bei der beklagten Arbeitgeberin wieder arbeitsfähig, obwohl sie auf Grund eines Rückenleidens nur noch eingeschränkt arbeitsfähig war und ihre arbeitsvertraglich vereinbarte Leistung gar nicht mehr erbringen konnte. Dies belegte auch eine ärztliche Stellungnahme. Deshalb erachtete die Arbeitgeberin die Klägerin nach wie vor für arbeitsunfähig und nahm das von ihr gemachte Angebot zur Arbeitsleistung deshalb nicht an. Die Arbeitgeberin kündigte mit einem Schreiben vom 28. Juni 2005 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2005 mit der Begründung einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit. Gegen die Kündigung und gegen die Zahlung ihrer angeblich offen stehenden Gehälter wegen Annahmeverzugs klagte die Arbeitnehmerin. Zur Begründung führte sie aus, dass sie ihre Arbeitskraft am 6. Juni ordnungsgemäß angeboten habe und von daher ein Vergütungsanspruch vorliege.

Das Landesarbeitsgericht hat den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs bejaht. Das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 28. Juni 2005 nicht beendet worden, da die Arbeitgeberin unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet gewesen sei, der Arbeitnehmerin im Wege der Änderungskündigung einen zuvor freien Arbeitsplatz anzubieten. Ihr sei daher für den Zeitraum Juni 2005 bis einschließlich März 2006 der geltend gemachte Vergütungsanspruch zu gewähren.

Anders entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) diesen Fall. Das BAG ist im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz des Angebots der Arbeitsleistung durch die Arbeitnehmerin gemäß § 293 BGB ihr Vergütungsanspruch entfallen ist. Nach § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Das Angebot müsste jedoch die vertragsgemäße Arbeit betreffen. Die Arbeitnehmerin war aus gesundheitlichen Gründen jedoch tatsächlich nicht in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Annahmeverzug des Arbeitgebers lag somit nicht vor, da die Arbeitnehmerin zur Leistung der Arbeit außer Stande war. Ist das Arbeitsangebot des Arbeitnehmers nicht vertragsgemäß, gerät der Arbeitgeber auch nicht in Annahmeverzug. Der Vergütungsanspruch konnte daher nicht entstehen.

Fazit:

Wie die Entscheidung des BAG zeigt, ist es im Falle der Rückkehr eines zuvor lange Zeit kranken Arbeitnehmers für den Arbeitgeber empfehlenswert, hinreichend aufzuklären, welche konkreten Tätigkeiten arbeitsvertraglich vereinbart sind und zu welchen Tätigkeiten der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist. Darüber hinaus gilt, minutiös zu dokumentieren, welche genauen Arbeiten der zurückgekehrte Arbeitnehmer tatsächlich anbietet beziehungsweise ablehnt. Sollte hier keine Kongruenz bestehen, hat der Arbeitgeber keine Vergütungspflicht.

Weitere Informationen: www.naegele.de