Die Bekämpfung einer Verwarnung durch den Arbeitnehmer

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Auch mit einer schlichten Verwarnung können für Mitarbeiter Nachteile verbunden sein. Diese können sich zum Beispiel negativ auf Beförderungen auswirken. Daher besteht ein rechtliches Interesse des Arbeitnehmers, eine inhaltlich unberechtigte Verwarnung zu bekämpfen. Eine Klage auf Unwirksamkeit einer Verwarnung ist – so eine kürzlich ergangene Entscheidung des OGH – jedoch nur dann möglich, wenn es sich um eine Disziplinarmaßnahme gemäß § 102 ArbVG handelt.

Bei einer schlichten Abmahnung, das heißt wenn der Arbeitgeber sein „Rügerecht“ ausübt, um den Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten, kann dieser nicht auf Feststellung der Unwirksamkeit klagen. Denn diese Feststellung setzt – so der OGH – eine „echte“ Disziplinarmaßnahme gemäß § 102 ArbVG voraus. Die Rechts(un)wirksamkeit einer schlichten Abmahnung ist nach allgemeinen prozessualen Erwägungen nicht feststellungsfähig.

Gleichzeitig ergibt sich aus dem Grundrecht auf Datenschutz das Recht des Arbeitnehmers, dass Daten, die über ihn in seinem Personalakt erfasst werden, vollständig und richtig sind. Der Arbeitnehmer hat daher einen Anspruch, die Beifügung einer Gegendarstellung zu einer schlichten Verwarnung im Fall ihrer – von ihm so empfundenen – Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit zu verlangen. Diese Gegendarstellung soll als Beweismittel für spätere rechtliche Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber dienen. Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, entweder die Richtigstellung oder die Vervollständigung der vom Arbeitgeber verarbeiteten (Personalakt-)Daten zu verlangen. Für den Fall, dass sich weder die Unrichtigkeit noch die Unvollständigkeit der Daten feststellen lässt beziehungsweise der Arbeitgeber diese nicht einräumen will, kann der Arbeitnehmer die Beifügung eines sogenannten „Bestreitungsvermerks“ verlangen. Darin kann er schriftlich dokumentieren, warum der Vermerk (und damit indirekt die Gründe für die gesetzte Maßnahme) unrichtig oder unvollständig sind.

Eine im Rahmen eines Disziplinarverfahrens verhängte und vollzogene Disziplinarmaßnahme lässt sich hingegen auf deren inhaltliche und formale Richtigkeit überprüfen. Unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage unterliegt jede Disziplinarmaßnahme bei entsprechender (Feststellungs-)Klage des Arbeitnehmers oder des Betriebsrates einer umfassenden Nachprüfung durch das Arbeits- und Sozialgericht. Das Gericht prüft dabei in einem ersten Schritt, ob sämtliche formalen Vorgaben der zu beachtenden Disziplinarordnung befolgt und eingehalten wurden – zum Beispiel, ob die Disziplinarkommission richtig zusammengesetzt war und dem Mitarbeiter ausreichend Gehör gewährt wurde. Zudem klärt das Gericht die inhaltliche Berechtigung der gesetzten Maßnahme, also beispielsweise die Schwere der Vorwürfe und die Angemessenheit der Sanktion. Dazu zieht es nicht nur die Disziplinarordnung, sondern auch alle geltenden, arbeitsvertraglichen Grundlagen wie den Dienstvertrag, die Stellenbeschreibung, eine allenfalls geltende Haus- und Dienstordnung und sonstige Richtlinien heran. Bei entgeltwirksamen Maßnahmen, beispielsweise Gehaltsabzügen, wäre auch eine entsprechende Leistungsklage, zum Beispiel auf Nachzahlung der Gehaltsdifferenz aus einer unterlassenen Vorrückung oder auf Gewährung einer Prämie, denkbar.

Fazit

Sanktionen und Disziplinarmaßnahmen dienen im betrieblichen Alltag nicht nur dazu, Fehlverhalten von Mitarbeitern zu bestrafen. Sie können auch sinnvolles Verbesserungspotenzial aufzeigen und vorschnell ausgesprochenen Kündigungen vorbeugen. Sowohl eine schlichte Verwarnung als auch Disziplinarmaßnahme sind daher bedeutende anstellungsvertragliche Instrumente, die Arbeitgeber zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung einsetzen sollten. Arbeitgebern ist zu empfehlen, disziplinäre Maßnahmen rechtzeitig und im Hinblick auf das zu sanktionierende Fehlverhalten angemessen einzusetzen.


Quelle: personal manager - Zeitschrift für Human Resources | 5 September/Oktober

 

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Die gesetzlichen Grundlagen

Dem Arbeitgeber stehen zur Aufrechthaltung der Ordnung in seinem Betrieb diverse Sanktionen zur Verfügung. Von Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen einer schlichten Verwarnung („Abmahnung“ oder „Verweis“) oder einer Disziplinarmaßnahme.

Durch eine schlichte Verwarnung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf ein aktuelles Fehlverhalten hin. Zugleich stellt er Konsequenzen bei zukünftigen Pflichtverletzungen in Aussicht.

Daraus ergibt sich, dass eine schlichte Verwarnung noch keine Sanktion, also keinen für den Mitarbeiter spürbaren sozialen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Nachteil beinhalten darf. Eine Verwarnung darf (vorläufig) keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben oder neue Rechtslagen schaffen. Der Arbeitnehmer soll durch sie dazu bewegt werden, seinen vertraglich vereinbarten Pflichten nachzukommen. Sie ist daher eine zukunftsgerichtete Rüge. Einzelne Entlassungsgründe erfordern den vorherigen Ausspruch entsprechender Verwarnungen, um dem Arbeitnehmer die möglichen Folgen seines vertragswidrigen Verhaltens vor Augen zu führen – zum Beispiel, wenn Arbeitnehmer nicht, zu spät oder alkoholisiert am Arbeitsplatz erscheinen.

Im Gegensatz dazu dienen Disziplinarmaßnahmen der Bestrafung von Fehlverhalten und somit der Abschreckung (auch als Generalprävention). Es handelt sich um vergangenheitsbezogene Sanktionen, die einen rechtlichen, wirtschaftlichen oder auch sozialen Nachteil mit sich bringen. Sie können in einer Geldbuße (zum Beispiel Kürzung von Prämien, Ausschluss von nächsten Gehaltserhöhungen), dem Entzug freiwillig gewährter Leistungen (zum Beispiel von einer Weiterbildung) oder auch in der Unterlassung einer Beförderung bestehen. Eine öffentlich ausgesprochene, förmliche Rüge kann bereits als Disziplinarmaßnahme qualifiziert werden. Denn sie kann eine soziale Ächtung des Arbeitnehmers mit sich bringen.

Der Arbeitgeber darf eine Disziplinarmaßnahme – anders als eine schlichte Verwarnung, die jederzeit und ohne Einhaltung besonderer Formalitäten möglich ist – nur setzen, sofern dafür eine ausreichende rechtliche Grundlage besteht:

Ist das Unternehmen betriebsratspflichtig, so ist die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nur zulässig, wenn Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung dies zulassen (§ 96 Abs. 1 Z 1 ArbVG; § 102 ArbVG). Arbeitgeber müssen dabei die Disziplinarordnung und das dafür vorgesehene Disziplinarverfahren einhalten. Die Disziplinarordnung müssen sie in einer Betriebsvereinbarung regeln, das Disziplinarverfahren hängt von der Zustimmung des Betriebsrats oder einer mit seiner Zustimmung eingerichteten Disziplinarstelle ab. Legt der Arbeitgeber trotz Fehlens der formalen Voraussetzungen Disziplinarmaßnahmen fest, so sind diese rechtsunwirksam. In Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet wurde, kann keine Disziplinarmaßnahme gesetzt werden; vielmehr gilt das Maßregelungsverbot. Der Arbeitgeber muss bei allfälligen Sanktionen die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers wahren. So muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass sensible Informationen, welche die Stellung und das Ansehen des Arbeitnehmers im Unternehmen gefährden könnten, vertraulich behandelt und nicht allgemein bekannt werden. Dazu gehört auch, dass Abmahngespräche fair und diskret geführt werden. Tabu sind beispielsweise öffentlich einsehbare Outlook-Kalendereinladungen mit Betreffzeilen wie „Abmahngespräch“. Der Arbeitnehmer sollte die Möglichkeit haben, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und darauf entsprechend sowie gesichtswahrend zu reagieren. Insgesamt sollten Unternehmen alles unterlassen, was der Arbeitnehmer als unfaires, einseitiges Mobbing auslegen könnte.

Die Sanktionen dürfen zudem nicht vertrags- oder gesetzwidrig sein: Unzulässig sind beispielsweise das Anordnen von unerlaubten Überstunden zur „Gutmachung“, das Kürzen vom Entgelt unter das kollektivvertragliche Mindestgehalt oder Weisungen, die dem Arbeitsvertrag widersprechen. 

Die richtige Form und Formulierung

Der OGH hat für die Abgrenzung der schlichten Verwarnung von der Disziplinarmaßnahme den Begriff der „zukunftsbezogenen Abmahnung“ geprägt. Dabei gilt, dass die bloße Androhung einer Kündigung oder Sanktion, sollte der Arbeitnehmer weiterhin seine Pflichten verletzten, noch keine Disziplinarmaßnahme darstellt.

Eine Verwarnung muss im Falle von Pflichtverletzungen unbedingt zeitnah erfolgen. Das bedeutet bei klaren Verstößen (zum Beispiel alkoholisiertes Erscheinen am Arbeitsplatz, Zuspätkommen bei einem besonders wichtigen Anlass) im Wesentlichen unverzüglich und noch am selben Tag. Hier wäre eine Abmahnung nach Ablauf von ein bis zwei Wochen in aller Regel verspätet. Bei subtileren Verfehlungen wie einer anhaltend niedrigen Performance darf der Arbeitgeber die Angelegenheit zwar länger überprüfen, doch sollte er nicht mehrere Wochen warten, wenn ihm bereits klar wurde, dass er das Verhalten des Mitarbeiters als pflichtwidrig betrachtet und nicht mehr hinnehmen kann. Je länger ein Fehlverhalten zurückliegt, ohne dass der Arbeitgeber mit einer Verwarnung reagiert, desto schwieriger ist es im Übrigen, in einem Kündigungsanfechtungsverfahren diese Verfehlungen als personenbedingte Kündigungsgründe heranziehen zu können. Die Gerichte verlangen zwar keine Unverzüglichkeit wie bei einer Entlassung, aber immerhin ein zeitnahes Reagieren innerhalb von wenigen Tagen bis höchstens ein bis zwei Wochen, um klar einen ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zu wahren.

Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Verwarnung geboten. Zweckmäßig und in der Praxis bewährt hat sich ein Gespräch zwischen dem Arbeitnehmer, dem Personalverantwortlichen und dem fachlich Vorgesetzten. Über dieses Gespräch sollte ein Aktenvermerk angelegt und am Ende des Gesprächs die schriftliche Verwarnung übergeben werden. Der Aktenvermerk sollte folgende Informationen festhalten:

 Datum der Pflichtverletzung.

► Die monierten Verfehlungen sind nur punktuell und so weit als möglich zu umschreiben. Nicht ausreichend ist aber die Formulierung: „Sie haben Ihre Arbeitspflichten verletzt.

► Begründung, warum eine Pflichtver-letzung vorliegt, insbesondere, welche Nachteile oder welchen Schaden dem Arbeitgeber entstanden sind oder hätten entstehen können.

Die schriftliche Verwarnung sollte folgende Zwecke erfüllen:

► Der Arbeitnehmer sollte dadurch den Ernst der Situation erkennen.

► Der Arbeitnehmer soll ermahnt werden, seinen Pflichten in Zukunft nachzukommen.

► Ähnliche Vorfälle oder Verwarnungen aus der Vergangenheit sollten aufgelistet werden.

Die Konsequenzen im Falle einer Wiederholung sollten benannt werden. Statt eines pauschalen Hinweises auf „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ ist es bei einem hinreichend schweren Verstoß zweckmäßig, die Entlassung oder Kündigung zu nennen. In weniger schwerwiegenden Fällen ist die Formulierung „Sie haben mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Auflösung Ihres Dienstverhältnisses zu rechnen“ passend. Achtung: Mitarbeiter dürfen nicht allein aufgrund von Vorfällen entlassen werden, die bereits abgemahnt wurden. Dies würde vielmehr eine Wiederholung des Fehlverhaltens oder Hinzukommen weiterer, schwerer Umstände erfordern.

Alle Beteiligten müssen die Verwarnung unterschreiben. Eine Zustimmung durch den Mitarbeiter ist aber nicht erforderlich. Verweigert der Arbeitnehmer die Unterschrift, sollte der Überbringer der Verwarnung dies kurz auf dem Aktenvermerk festhalten.

 

Disziplinarordnung

Eine Disziplinarordnung sieht konkrete Sanktionen für konkrete Verfehlungen vor und hat klaren Strafcharakter. Sie etabliert üblicherweise eine Strafinstanz (Disziplinarkommission) und enthält zudem Regelungen über die Einleitung des Disziplinarverfahrens, das Beweisverfahren, die Entscheidungsfindung und die Zusammensetzung einer allfälligen Disziplinarkommission. Im Disziplinarverfahren hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Beiziehung eines Rechtsanwalts. Der zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme Berechtigte muss diese Befugnis innerhalb einer angemessenen Frist und ohne unnötigen Aufschub ausüben. Legt die Disziplinarordnung selbst eine Frist fest, innerhalb der ein Verfahren eingeleitet werden muss, ist diese zu beachten, anderenfalls verwirkt das Recht dazu. Eine Disziplinarordnung sollte ferner als ein stufenweiser Katalog von Maßnahmen gestaltet sein, um richtig reagieren zu können. Mögliche Schritte sind formale Verweise, Geldbußen, Entzug freiwillig gewährter Leistungen bis hin zur Unterlassung von Beförderungen.

Entlassungen, Kündigungen und Versetzungen gelten generell nicht als Disziplinarmaßnahmen, weil für sie eigene Mitbestimmungsrechte (§ 101, § 105ff ArbVG) vorgesehen sind. Sieht aber eine Disziplinarordnung solche Schritte vor, kann der Arbeitgeber zu ihnen nur greifen, wenn er die entsprechenden Regelungen der Disziplinarordnung eingehalten hat, widrigenfalls sind die relevanten Erklärungen unwirksam.