Die Regelung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wonach Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres nicht in die Berechnung der verlängerten Kündigungsfrist eingehen, ist diskriminierend und damit unzulässig.
Das hat jetzt der EuGH entschieden (Urteil vom 19.1.2010, C-555/07).
Der Paragraph lautet:

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“§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen
(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten
(Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder
zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.
(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist,
wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines
Kalendermonats,
2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines
Kalendermonats,
3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines
Kalendermonats,
4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines
Kalendermonats,
5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines
Kalendermonats,
6. 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7. 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines
Kalendermonats.

Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der
Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht
berücksichtigt.”

Im zugrunde liegenden Fall ging es um die Klage einer Frau gegen eine ihr
gegenüber ausgesprochene Kündigung. Die Frau war zum Zeitpunkt der Kündigung seit über 10 Jahren, seit ihrem 18. Lebensjahr,bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Dieser berechnete die Kündigungsfrist unter Zugrundelegung einer Beschäftigungsdauer von 3 Jahren. Die Klägerin meinte aber, dass die in § 622 Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehene
Nichtberücksichtigung der vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegenden Betriebszugehörigkeit nicht gemeinschaftskonform sei und daher von einer
viermonatigen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BGB auszugehen sei. Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 21.11.2007 BeckRS 2007, 48820) hat daraufhin den EuGH angerufen und ihn um eine Vorabentscheidung ersucht.
Der EuGH erklärte jetzt, vor dem Hintergrund der Richtlinie 2000/78/EG
handele es sich um eine Ungleichbehandlung, die auf dem Kriterium des
Alters beruht. Eine Rechtfertigung dafür sei nicht ersichtlich.
Sie sie auch nicht in dem Argument zu sehen, wonach der Arbeitgeber eine größere personalwirtschaftliche Flexibilität erhalten sollen, weil jüngeren Arbeitnehmern eine größerere berufliche und persönliche Mobilität zugemutet werden könne. Dies sei schon deshalb abzulehnen, so der EuGH, weil die Nichtanrechnung der Betriebszugehörigkeit vor dem 25. Lebensjahr unabhängig vom Alter bei einer Entlassung gelte.

Konsequenzen des Urteils:
1. Der EuGH kann nicht direkt §§ des deutschen BGB für unwirksam erklären.
2. Jeder Arbeitnehmer könnte aber jetzt mit guter Aussicht auf Erfolg vor einem deutsche Gericht auf die Unwirksamkeit klagen. Insofern ist die Passage indirekt bzw. faktisch unwirksam.
3. Die Personalabteilungen müssen künftig entsprechende Vertragstexte umdeuten und die Mehrkosten für längere Kündigungsfristen einkalkulieren.