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1. Sachverhalt

Die Parteien stritten über Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche, die die Klägerin geltend machte, weil sie sich wegen ihres Geschlechts durch die Beklagte benachteiligt sah. Die Klägerin war seit dem Jahr 2007 als Heilpraktikerin in einer eigenen Praxis tätig. Anfang 2011 gab sie ihre eigene Praxis auf und war sodann aufgrund des Anstellungsvertrages zuletzt vom 30.07.2011 ab als Mitarbeiterin der Beklagten tätig.

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses äußerte die Klägerin gegenüber dem Prokuristen der Beklagten den Wunsch, ihre Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche zu erhöhen. Unter dem 11.10.2011 sendete dieser nach Rücksprache mit der Beklagten an die Klägerin die folgende, im Betreff mit “Berufs- vs. Familienplanung” überschriebene und in cc unter anderem an den Geschäftsführer der Beklagten gerichtete E-Mail:

“[…], wie Sie mir gesagt haben, werden Sie Ende Oktober heiraten und damit einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Ich will ganz offen sein. Für eine Frau in Ihrem Alter ist es “normal” schwanger zu werden und Kinder zu bekommen. Wir von M. freuen uns über jeden neuen Erdenbürger – müssen jedoch Rücksicht auf unternehmerische Belange nehmen. Den “Neuaufbau” des Standorts Düsseldorf würden wir gerne mit Ihnen machen – aber das funktioniert natürlich nicht, wenn Sie 2012 wegen einer Schwangerschaft ausfallen. Bitte teilen Sie mir mit, welche Pläne Sie haben: Ist eine Schwangerschaft 2012 möglich bzw. gewollt – oder können Sie das für nächstes Jahr ausschließen? […]“.


Kurz darauf schrieb die Beklagte eine Standortleiterstelle mit 40 Wochenstunden aus. Zu einer Erhöhung der Stunden der Klägerin kam es nicht. Vielmehr erhielt sie eine weitere E-Mail, erneut mit dem Geschäftsführer der Beklagten in Kopie, mit dem Inhalt, dass eine Neuausrichtung ihres Standorts nicht sinnvoll sei, “insbesondere auch deshalb nicht, weil wir in den kommenden zwölf Monaten mit einer Schwangerschaft bei Ihnen rechnen müssen (das zeigt einfach die Erfahrung in anderen Standorten – Heirat = Schwangerschaft).”

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis im Anschluss daran. Da die Arbeitnehmerin zwischenzeitlich eine neue Stelle gefunden hatte, wurden im Verfahren die Anträge zur Unwirksamkeitsfeststellung der Kündigungen schließlich per Teilvergleich erledigt. Die Frage, ob die Kündigung unwirksam war, war daher schließlich nicht mehr zu klären gewesen. Es ging zuletzt nur noch um die Frage, ob der Arbeitgeber noch Zahlungen auf Entschädigung- bzw. Schadensersatz leisten muss.

 


2. Entscheidung

Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Az. 11 Ca 7393/11) sprach mit Urteil vom 12.03.2013 der klagenden Arbeitnehmerin 10.833,78 EUR zu. Da beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Az. 4 Sa 480/13) die Berufung vom Arbeitgeber zurückgenommen wurde, verblieb es bei der Entscheidung der ersten Instanz. Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin einerseits durch die Ablehnung ihres Wunsches nach Erhöhung ihrer Arbeitszeit und andererseits durch Ausspruch der Kündigung unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Es ging hier um einen teilweise in der Höhe zugesprochenen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 1 AGG. Das Arbeitsgericht differenzierte zwischen einer Entschädigung für den Wunsch der Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden im Monat (7.144,50 EUR) und einer solchen bezüglich des Ausspruchs der Kündigung (3.689,28 EUR).

Die Arbeitnehmerin habe, so das Gericht, sowohl durch die Ablehnung ihres Wunsches nach Erhöhung ihrer Arbeitszeit als auch durch die Kündigung eine weniger günstige Behandlung erfahren, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren habe beziehungsweise erfahren würde. Diese Möglichkeit einer Schwangerschaft stelle dabei ein Merkmal dar, das in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Geschlecht der Klägerin steht. Die wiederholte Verknüpfung dieser Möglichkeit mit der Personalplanung der Beklagten bzw. der Ablehnung des Wunsches der Klägerin nach einer Arbeitszeiterhöhung lege daher konkret nahe, dass eine hypothetische männliche Person in der Situation der Klägerin mangels Möglichkeit einer Schwangerschaft eine günstigere Behandlung erfahren hätte. Des Weiteren habe die Klägerin auch durch die Kündigung vom 28.11.2012 eine weniger günstige Behandlung erfahren, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren hat. Denn ihr sei gegenüber als einziger Mitarbeiterin der Beklagten am Standort Düsseldorf eine Kündigung ausgesprochen worden.

Nach Auffassung der Kammer schließe im Übrigen § 2 Abs. 4 AGG jedenfalls im Falle der Benachteiligung wegen des Geschlechts die Geltendmachung eines Anspruchs auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht aus. Dies obwohl der Wortlaut der Norm ausschließlich auf die Kündigungsschutzvorschriften verweist.


3. Fazit

In den Medien wurde der Fall teilweise so aufgegriffen, als ob es rechtmäßig gewesen wäre, mit diesem Sachverhalt die Arbeitnehmerin zu kündigen. Das trifft so nicht zu. Die Kündigung war nicht mehr Gegenstand der Entscheidung. Es ging dort nur um die Frage von Geldleistungen, insbesondere die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bei einer erlittenen Diskriminierung. Unabhängig von der Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz in diesem Betrieb einschlägig gewesen wäre, ist eine Kündigung, die nachweislich mit einem diskriminierenden Motiv ausgesprochen wird, unwirksam. Das heißt, mit einer solchen Begründung hätte die Arbeitnehmerin nicht gekündigt werden können. Daher erging im Prozess beim Arbeitsgericht Düsseldorf zu Anfang hierüber auch ein Teilanerkenntnisurteil. Später wurde das einvernehmlich geändert, weil die Arbeitnehmerin dort nicht mehr arbeiten wollte. Reißerische Titel wie “Frau gefeuert, weil sie schwanger werden könnte” klingen medial zwar gut, sind aber arbeitsrechtlich – ohne Kenntnis der genauen Hintergründe – nicht zutreffend. Hätte die Arbeitnehmerin die Unwirksamkeit der Kündigung weiterverfolgt, hätte sie letztlich ihren Arbeitsplatz – allein schon nach dem Teilanerkenntnisurteil – wieder erhalten und hätte dort weiterarbeiten können. Es sind daher sowohl Arbeitnehmerinnen gegen Kündigungen im Vorfeld einer potenziellen Schwangerschaft ebenso wie während oder im unmittelbaren Nachgang zu einer Schwangerschaft gesetzlich geschützt, wenn der Arbeitsgeber deswegen kündigt.

Für eine nach den Beweislastregeln nachgewiesene oder zu unterstellende Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals kann es eine Entschädigung für die Person geben, die diskriminiert worden ist. Dass dies auch im Zusammenhang mit einer Kündigung geschehen kann, ist arbeitsrechtlich noch umstritten und nicht abschließend geklärt. Das Arbeitsgericht Düsseldorf sieht jedoch keine gesetzliche Sperre im AGG, die besagen würde, dass bei Ausspruch einer Kündigung nicht gleichzeitig – neben dem Kündigungsschutz – auch eine Entschädigung wegen einer erlittenen Diskriminierung grundsätzlich denkbar ist.

Abschließend ist festzuhalten, dass dieser Fall in den Medien sicherlich auch deswegen publik wurde, weil der Arbeitsgeber hier eine Klage durch derart ungeschickte Äußerungen geradezu provoziert hatte. Wer mehrfach klar eine Maßnahme direkt an ein Merkmal nach § 1 AGG koppelt, darf sich nicht wundern, wenn ihn dieses Verhalten später beim Arbeitsgericht einholt. Arbeitgebern ist daher ein besonnener Umgang mit entsprechenden Äußerungen anzuraten, die im Zusammenhang mit einem Merkmal nach § 1 AGG stehen. So lässt sich die Wahrscheinlichkeit derartige AGG-Klagen von vornherein auf ein Minimum reduzieren.


Fotocredit: Cornelia Cornichelli / www.pixelio.de