BAG, Urteil vom 24. März 2009, 9 AZR 983/07

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Foto von Joanna Kosinska

Die klagende Arbeitnehmerin war von August 2005 bis zum 31. Januar 2007 als Erzieherin für den beklagten Verein tätig. Im Juni 2006 erlitt sie einen Schlaganfall und war vom 2. Juni 2006 über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zumindest bis August 2007 durchgehend arbeitsunfähig. Mit ihrer im Januar 2007 zugestellten Klage verlangte sie unter anderem die Abgeltung der noch nicht verbrauchten gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 und 2006. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen diesen Anspruch der Klägerin ab. Die Gerichte begründeten dies mit der von der Rechtsprechung bis dahin praktizierten Auslegung von § 7 Absätze 3 und 4 des Bundesurlaubsgesetzes: Nach diesen Regelungen muss der Arbeitnehmer den Erholungsurlaub grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres nehmen. Nur aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen (zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit) kann der Erholungsurlaub noch bis zum 31. März des Folgejahres (so genannter Übertragungszeitraum) genommen werden. Die Rechtsprechung folgerte hieraus, dass der Teil des jährlichen Erholungsurlaubs, welcher bis zum 31. März des Folgejahres nicht verbraucht war, ersatzlos verfiel.

Das Bundesarbeitsgericht gab der Klage im Gegensatz zu den Vorinstanzen dagegen statt. Auslöser für diese grundlegende Rechtsprechungsänderung waren zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Januar 2009 (Az. C-350/06 und C-520/06). Darin stellte der EuGH fest, dass nationale Rechtsvorschriften – und damit auch § 7 des deutschen Bundesurlaubsgesetzes – Ansprüche nicht untergehen lassen dürfen, nach denen Arbeitnehmer, die wegen Krankheit ihren Jahresurlaub nicht in Anspruch nehmen können, am Ende des Arbeitsverhältnisses keine „finanzielle Vergütung“ gezahlt bekommen. Das Bundesarbeitsgericht folgerte hieraus, dass Ansprüche auf Urlaubsabgeltung zumindest des gesetzlichen Teil- oder Vollurlaubs nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist.

Folge für die Praxis:

Aufgrund dieser „von heute auf morgen“ um 180 Grad gedrehten Rechtsprechung werden diejenigen Arbeitgeber bestraft, die mit Langzeitkranken bislang sehr rücksichtsvoll und langmütig umgegangen sind. Da mit zunehmender Dauer einer Langzeiterkrankung Urlaubs- und insbesondere Urlaubsabgeltungsansprüche immer mehr zunehmen, sind Arbeitgeber nunmehr gezwungen, die Personalakten nach „Langzeitkranken“ zu durchforsten und mit dem Ausspruch von krankheitsbedingten Kündigungen nicht länger zuzuwarten, als unbedingt nötig. In diesem Sinne werden Kündigungsrechtsstreitigkeiten in Zukunft noch weiter zunehmen.

Weitere Informationen: www.edk.de