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Foto von Danielle MacInnes
Zeitkonten sind heute Normalität. Ebenso normal ist aber auch, dass sie lediglich zum Verwalten der Differenzen zwischen vertraglicher und tatsächlich verbrauchter Arbeitszeit genutzt werden statt zur Unterstützung eines effizienten Personaleinsatzes. Dass dies so ist, kann gegebenenfalls z.B. daran abgelesen werden, dass die individuellen Zeitsalden erheblich streuen, der Minusbereich kaum genutzt wird und es keine klaren Regeln für den künftigen Auf- oder Abbau von Zeitsalden in Abhängigkeit von deren Höhe gibt mit dem Ziel, die Zeitkonten in Richtung Null zurückzuführen.

Praktisch alle Tarifverträge und Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) im Krankenhaussektor ermöglichen bei entsprechender betrieblicher Regelung die bedarfsgerechte Verteilung der Vertragsarbeitszeit über einen Ausgleichszeitraum von in der Regel 12 Monaten. Auch saisonale Schwankungen des Arbeitsanfalls können also bewältigt werden. Benötigt werden hierfür Zeitkonten, die nach 12 Monaten ausgeglichen sein müssen. Dies sollte jedoch stets nur für das individuelle Zeitkonto gelten, denn es ist nicht möglich, zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Zeitkonten auf einmal „auf Null“ zu steuern, ohne damit Patientenwohl und Wirtschaftlichkeit zu gefährden. Empfehlenswert sind zwei Optionen:

  • Individuell roulierender Zeitausgleich: Das individuelle Zeitkonto ist immer nach spätestens 12 Monaten auszugleichen. Geschieht dies früher, beginnt zu diesem Zeitpunkt der neue Ausgleichszeitraum.
  • Dicke Nulllinie: Betriebliche Vereinbarung, wonach es für die Einhaltung des Ausgleichszeitraums ausreicht, wenn der Mitarbeiter innerhalb eines definierten Zeitraumes (zum Beispiel sechs Monate) wieder in den „grünen Bereich“ zurückkehrt, der zum Beispiel Zeitsalden bis zu +/- 40 Stunden umfasst.
Beides lässt sich dann sicher erreichen, wenn nicht versucht wird, mittels Zeitkonto Personalkapazität zu schöpfen. Versucht man dies dennoch (wie es in vielen Häusern praktiziert wird), vergrößert sich das Problem sogar noch. Da sich diese Zeitguthaben nämlich aufgrund der mangelnden Personalkapazität nicht abbauen lassen, müssen sie in der Regel ausgezahlt werden – oder der Mitarbeiter hat die Wahl, sie auf ein anderes Konto (etwa auf ein „Arbeitszeitkonto“ gemäß § 10 TVöD) zu übertragen. Damit aber werden Mitarbeiter, die an solchen Auszahlungen bzw. Übertragungen interessiert sind, angereizt, auch bei fehlendem Besetzungsbedarf auf ihren Einsätzen zu bestehen. Die Arbeitsproduktivität sinkt, zusätzliche Personalkapazität wird benötigt, die Zeitkonten laufen weiter auf – der Teufelskreis beginnt von vorn.

Auszahlungen vermeiden

Auszahlungen aus Zeitkonten sollten folglich höchstens im Fall des Ausscheidens des Mitarbeiters in Frage kommen. Sie lassen sich jedoch nur vermeiden, wenn diese Konten fortlaufend gesteuert werden. Dies kann im Rahmen der krankenhaustypischen Monatsdienstplanung einfach so verankert werden, dass der Dienstplaner verpflichtet wird, die folgenden Regeln zu beachten:

  • Nach Abschluss der Monatsdienstplanung müssen die Zeitkonto-Salden aller beplanten Mitarbeiter grundsätzlich in derselben Größenordnung liegen. Dies führt automatisch dazu, dass die Mitarbeiter mit aktuell relativ hohen Zeitsalden in weniger und/oder kürzeren Diensten eingeteilt werden als ihre Kollegen mit aktuell relativ niedrigen Zeitsalden. Das erfordert natürlich viel Fingerspitzengefühl bei der Berücksichtigung der persönlichen Belange gerade derjenigen Mitarbeiter, die bei Bedarf auch einmal kurzfristig aushelfen und nicht dadurch demotiviert werden dürfen, dass sie dann zu Hause bleiben müssen, wenn es ihnen nicht passt.
  • Monatsdienstpläne dürfen grundsätzlich nur dann abgeschlossen werden, wenn kein einziges Zeitkonto im „roten Bereich“ ist, der zum Beispiel bei +/- 80 Stunden beginnt. Dies führt automatisch dazu, dass der Dienstplaner ausreichend Sicherheitsabstand zum roten Bereich hält, damit er gar nicht erst in diese Situation kommt. Er muss sich daher bei Bedarf rechtzeitig darum kümmern, zusätzliche Kapazität zu beschaffen oder im umgekehrten Fall Kapazität abzugeben.

TVöD-Arbeitszeitkonto

Häuser, die unter den TVöD fallen, haben bei der Zeitkontengestaltung das zusätzliche Problem, dass hier neben dem Zeitkonto gemäß § 10 TVöD ein „Arbeitszeitkonto“ eingeführt werden kann. Auf dieses Konto kann der Mitarbeiter auf freiwilliger Basis am Ende des Zeitkonto-Ausgleichszeitraums verbliebene Zeitguthaben und -schulden übertragen und zusätzlich, soweit die betrieblichen Verhältnisse dies zulassen, nicht durch Freizeit ausgeglichene Überstunden und in Zeit umgewandelte Überstunden- und Zeitzuschläge sowie weitere, durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung zur Buchung freigegebene Kontingente (zum Beispiel Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienstentgelte). Ein solches Arbeitszeitkonto kann – auch wenn die unglückliche Begriffsbildung dies nahelegt – keinesfalls an die Stelle des oben skizzierten Zeitkontos treten, das daher zur Vermeidung von Missverständnissen auch nicht als Arbeitszeitkonto bezeichnet werden sollte. Aber auch als zusätzliches Konto gefährdet es den effizienten Personaleinsatz:

  • Für die Mitarbeiter wird hierdurch ein Anreiz zur „Rettung“ von Zeitguthaben über das Ende des Ausgleichszeitraums hinweg geschaffen und für Betriebs- und Personalräte ein Anreiz zur Verkürzung dieses Ausgleichszeitraums, weil dann Überträge auf das Arbeitszeitkonto wahrscheinlicher werden. In unserer Beratungspraxis ist uns bereits die Forderung nach einem Ausgleichszeitraum von einem Monat begegnet, der jeden übermonatlichen Zeitausgleich zunichte machen und die Häuser folglich zu einer minimalen Stammpersonal-Vorhaltung und zu einem sehr strikten Urlaubsregime zwingen würde. Beides ist auch nicht im Sinne der Mitarbeiter.
  • Diese Problematik wird noch dadurch verschärft, dass nur die Mitarbeiter über ihre Arbeitszeitkonten verfügen – und ja in der Regel nicht vorab eingeschätzt werden kann, wann genau sie wie viel Zeitguthaben entnehmen wollen. Dies erschwert die Personalbedarfsplanung ebenso wie die Option, in das Arbeitszeitkonto Entgeltansprüche einzubringen: In der Regel kann schließlich nicht vorhergesehen werden, in welchem Umfang solche Entgeltansprüche entstehen werden und wie viel hiervon zu Arbeitszeitkonto-Guthaben wird.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass TVöD-Arbeitszeitkonten seit ihrer Einführung 2005 kaum zur Anwendung gekommen sind. Seit Herbst 2009 sind hieraus im Übrigen gemäß „Flexi II“ vollständige Freistellungen von mehr als einem Monat Dauer nicht mehr zulässig.

Zeit-, Arbeitszeit- und Langzeitkonto im TVöD

Im TVöD ist es besonders kompliziert: Hier „kann“ das Zeitkonto durch ein Arbeitszeitkonto und ein Langzeitkonto ergänzt werden.

Langzeitkonto

Für solche Freistellungen wird ein Langzeitkonto benötigt, für dessen individuelle Vereinbarung der TVöD eine Öffnungsklausel enthält. Langzeitkonten gefährden den effizienten Personaleinsatz dann nicht, wenn sie keine Zeitverbrauchsanreize entfalten. Wir empfehlen, sie als reine Lebensarbeitszeitkonten auszulegen. Bei entsprechender Regelung führen sie dann auch zu einem längerfristig kalkulierbaren Ersatzbedarf. Als unseres Wissens erstes deutsches Krankenhaus hat das Klinikum Ingolstadt vor einigen Monaten ein solches Langzeitkonto eingeführt. Ob sich solche Konten tatsächlich durchsetzen werden, bleibt jedoch abzuwarten. Angesichts verringerter Altersbezüge, künftig flexiblerer Altersgrenzen und des drohenden Fachkräftemangels scheint ein entsprechender Bedarf eher fraglich.

Mehr zum Thema Zeitkonto und Langzeitkonto und entsprechende Gestaltungsempfehlungen unter www.arbeitszeitberatung.de