Aus Sicht des Unternehmens stellten sich die skizzierten Vorteile schon bald nach der Umstellung im Bereich Personalabrechnung ein. Insbesondere zu Beginn des Outsourcing-Vorhabens kam es jedoch bei den für die Personalabrechnung verantwortlichen Mitarbeitern zu Unsicherheiten und Irritationen. Obgleich der Auftraggeber lediglich für die Bereitstellung der notwendigen Software und IT-Infrastruktur einen Dienstleister suchte, fürchteten einige Mitarbeiter aus der Personalabteilung um ihren Arbeitsplatz. Hier war es für Auftraggeber und Auftragnehmer wichtig, die Mitarbeiter in den Veränderungsprozess aktiv einzubinden und sie über die geplante Teilauslagerung aufzuklären. Für einen HR-Dienstleister ist diese Situation immer eine Chance, sich als Partner zu positionieren und die fachliche Kompetenz unter Beweis zu stellen: So konnten Projektmitarbeiter des Dienstleisters in persönlichen Gesprächen die Sorgen und Nöte der Anwender verstehen lernen. Indem langjährige Probleme mit der genutzten Abrechnungssoftware gemeinsam behoben wurden, konnte das Vertrauen der Mitarbeiter gewonnen werden.
 
Mit der beschriebenen Lösung fand das Unternehmen die HR Outsourcing-Variante, mit der die Rahmenbedingungen und Vorgaben erfüllt werden. Zusätzlich profitieren IT- und Personalabteilung von der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Dienstleister. Das Projekt wurde gemeinsam gestaltet und das Unternehmen erkannte: HR Outsourcing ist auch eine Chance, die eigene Dienstleistungsqualität zu erhöhen und Prozesse besser zu gestalten.

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Foto von Priscilla Du Preez

Das Kerngeschäft im Blick: Das war das Hauptziel eines Unternehmens der Metallindustrie, als es einen nachhaltigen Prozess zur Definition der Kernprozesse und -aufgaben angestoßen hat. Dabei prüfte das Unternehmen im Rahmen eines zeitund kostenintensiven Projektes alle Prozesse, bei denen zugleich Haftung und Verantwortung an einen Dienstleister übergehen könnten. Mit dieser zielgerichteten Auslagerung von Abläufen wollte man die Wertschöpfung optimieren. Zudem sollten Kosten reduziert werden – unter anderem in der IT-Abteilung und in der Personalwirtschaft.
 
In der Personalabteilung verschärften drei Umstände die Situation. Zum einen sollte ein Mitarbeiter der Gehaltsabrechnung schon bald in Ruhestand gehen. Die Neubesetzung der Stelle erwies sich aber als schwierig. Dem Industrieunternehmen gelang es nicht, kurzfristig einen entsprechend qualifizierten Nachfolger zu rekrutieren. Zum anderen identifizierte die Personalleitung zeitgleich die wertschöpfenden Kernaufgaben der Abteilung. Dazu zählten vor allem die Personalplanung inklusive Kostenplanung, Personalcontrolling, Personalentwicklung und Bewerbermanagement. Weiter sollten zeitnah eine digitale Personalakte und ein umfassendes Gesundheits- und Fitnessprogramm eingeführt werden.
 
Aufgrund der begrenzten personellen Kapazitäten entschied sich der Personalleiter dafür, den Prozess der Entgeltabrechnung vollständig an einen Spezialisten abzugeben. Es sollte die „ganzheitliche Verantwortung“ übertragen werden. Diese Variante wird in der Fachliteratur und Praxis häufig auch als Fullservice, Business Process Outsourcing (BPO) oder Managed Service bezeichnet. Die Vorteile des Verfahrens skizziert Abbildung 2.

Die Personalarbeit steht vor neuen Herausforderungen. Weil sich auf dem Arbeitsmarkt der Mangel an Fachkräften zunehmend bemerkbar macht, werden Themen wie Recruiting, verbesserte Führungsqualität und die langfristige Bindung von Mitarbeitern immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund müssen Personalmanager entscheiden: Welche Aufgaben sollen fokussiert werden? Und wie setze ich meine Ressourcen optimal ein?
 
Immer häufiger werden bestimmte Tätigkeiten der Personalarbeit an externe Dienstleister übertragen, damit sich die Personalabteilung wieder stärker auf strategische Themen konzentrieren kann. Je nach Unternehmen muss dabei individuell entschieden werden, welche Form des HR Outsourcing die passende ist. Viele Fragen müssen beantwortet werden. Wie viel Service soll es sein? Was verbirgt sich hinter Begriffen wie Application Service Providing, Business Process Outsourcing, Teil- oder Fullservice? Auf dem Weg durch den Dschungel an Fachbegriffen wird schnell klar: HR Outsourcing ist nicht gleich HR Outsourcing!
 
Zwei Praxisbeispiele zeigen exemplarisch, wann welche Form sinnvoll ist und wie Unternehmen die für sie richtige Servicevariante finden.

In Gesprächen mit potenziellen HR-Dienstleistern stellte das Unternehmen rasch fest, dass es für diese Servicevariante zwei grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen am Markt gibt.
 
Der eine Weg führt in ein standardisiertes Auslagern des Geschäftsprozesses für die Personalabrechnung. Folglich würden gewachsene und bewährte Vorgänge an die Standards des Anbieters angepasst und möglicherweise sogar an ein Betreuungszentrum im nahen Ausland übertragen. Für das outsourcende Unternehmen bedeutet dies, dass sich die Belegschaft auf vollkommen neue Abläufe umstellen müsste. Auch kann dieser Weg des standardisierten Auslagerns zu Qualitätsverlusten und Akzeptanzproblemen im Unternehmen führen.
 
Einen anderen Weg zeigen servicebewusste HR-Dienstleister auf. Gemeinsam und ganz individuell definieren sie mit dem Unternehmen, wie die ganzheitliche Verantwortung übertragen werden soll. Es wird also ein eigens auf das Unternehmen zugeschnittenes Fullservice-Paket geschnürt. Der Dienstleister übernimmt zudem die Aufgabe, kurzfristig und flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren. Beide Parteien investieren zu Projektbeginn mehr Zeit, um die bestehenden Prozesse aufzunehmen und gegebenenfalls gemeinsam anzupassen. Der Grundsatz dieser Vorgehensweise ist, die Auslagerung möglichst den bestehenden, bewährten Prozessen beim Kundenunternehmen folgen zu lassen.
 
Das Unternehmen der Metallindustrie entschied sich gegen das standardisierte HR Outsourcing. Den höheren Preis für die maßgeschneiderte Variante nahm es in Kauf, da auf diesem Wege die individuellen Anforderungen berücksichtigt wurden. Auch mussten sich weder Personalabteilung noch Mitarbeiter auf völlig neue Prozesse einlassen. Es gibt nach wie vor eine persönliche Betreuung. Diese kann der Dienstleister erbringen, weil er mit regionalen Geschäftsstellen und fest benannten Mitarbeitern arbeitet und vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Zeitgleich wurden sowohl das Unternehmen als Ganzes und die Personal- sowie die IT-Abteilung im Besonderen entlastet. Durch die Neuaufstellung können sich die Abteilungen nun auf ihre eigentlichen Kerntätigkeiten konzentrieren.

Nicht immer verläuft HR Outsourcing zum Projektbeginn reibungslos. Unsicherheiten der Anwender und die Sorge um den Verlust bewährter Abläufe wie oben beschrieben sind in der Praxis keine Seltenheit. Der spätere Erfolg des HR Outsourcing besteht darin, als Dienstleister alle Projektbeteiligten frühzeitig einzubeziehen und kritische Momente im Projektverlauf zu identifizieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse sind Basis für mögliche Optimierungsansätze. Damit kommt der transparenten Kommunikation mit allen Anspruchsgruppen eine zentrale Bedeutung bei. So können spätere Überraschungen und Projektverzögerungen vermieden werden.
 
Dass die Anforderungen an Qualität, Flexibilität und Service bei der Übertragung von Verantwortung steigen, zeigen aktuelle Marktentwicklungen. Der Weg führt hin zu individuell abgestimmten Outsourcing-Lösungen – unabhängig davon, für welche (Teil-)Bereiche ein Dienstleister Verantwortung übernimmt.
 
Die Entscheidung für eine bestimmte Form des HR Outsourcing ist immer auch ein Bekenntnis zum eigenen Unternehmen: Setzt sich ein Unternehmen intensiv mit den Möglichkeiten des HR Outsourcing auseinander, so wird eine Diskussion über die eigenen Qualitäten, Stärken und Schwächen angestoßen. Die Reflexion der eigenen Kompetenzen führt nicht zuletzt zu einer Belebung des Unternehmens und zur Stärkung des eigenen Selbstverständnisses.

Rund 500 Mitarbeiter beschäftigt ein in Nordrhein-Westfalen ansässiges Unternehmen. Es handelt sich um einen Marktführer im Bereich der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Bis vor einigen Jahren betrieb das Unternehmen die Personalabrechnung vollständig im eigenen Haus. Monatlich führte die Personalabteilung die Abrechnung durch und stellte sicher, dass alle notwendigen Informationen rechtzeitig vorlagen und im Abrechnungssystem verfügbar waren.
 
Die IT-Abteilung war für den Betrieb der Hardware sowie für die Aktualisierung der eingesetzten Software verantwortlich – und damit auch für den vertraulichen Umgang mit den Daten. Weiter musste die IT-Abteilung Backup-Szenarien sicherstellen und Notfalllösungen für die reibungslose Personalabrechnung parat haben. Wegen technologischer und gesetzlicher Anforderungen stieg der Wartungsbedarf der Software kontinuierlich an. Auch als Marktführer in seinem Produktbereich ist das Unternehmen einem stetig stärker werdenden Wettbewerb ausgesetzt. Es muss bestehende Marktanteile verteidigen und neue Wege gehen, um weitere Marktanteile hinzuzugewinnen.

Wie in vielen Branchen spielt auch in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie die IT-gestützte Produktion eine herausragende Rolle. Sie ist ausschlaggebend für die Stärke des Unternehmens am Markt. So zählen zu den Kernaufgaben der ITAbteilung, die Produktion sicherzustellen sowie Backup-Szenarien aufrechtzuerhalten für IT-gestützte Produktionsprozesse, die von strategischer Bedeutung sind. Zeitgleich aber steht einem ständigen Kostendruck ein begrenztes Budget gegenüber.

Um Freiräume für die Kernaufgaben zu schaffen, prüften die Leiterin der IT-Abteilung und der Personalleiter des Unternehmens, wie der Wartungsaufwand für den Abrechnungsserver und die Druckund Kuvertiermaschine reduziert werden kann. Dem Personalleiter lag es besonders am Herzen, die Lohn- und Gehaltsabrechnung in den „eigenen Händen“ zu behalten und weiter mit derselben Abrechnungssoftware zu arbeiten. So wollte er zusätzliche Migrations- und Schulungskosten vermeiden.
 
Schnell war für den Nahrungs- und Genussmittelhersteller klar: Gesucht wurde ein Anbieter, der ein sicheres Rechenzentrum betreibt, aktuelle Technologien einsetzt und den Zugriff auf die bewährte Abrechnungssoftware in der aktuellsten Version orts- und zeitunabhängig ermöglicht. Im Idealfall sollte der Dienstleister auch Druck und Versand der Belege und Verdienstabrechnungen übernehmen. Bei Personalausfällen oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen sollten dem Dienstleister zudem weitere Aufgaben für einen begrenzten Zeitraum übertragen werden können.
 
Das Unternehmen suchte also nach einem Outsourcing-Anbieter, der nur für einen Teil der Aufgaben die Verantwortung übernehmen würde: den IT-Betrieb, die Anwendungsbetreuung inklusive aller technologischer sowie gesetzlicher Updates, den Prozess von Druck, Kuvertierung und Versand. Der andere Teil der Verantwortung – etwa für die Datenpflege, die Personalabrechnung und das Durchführen von Folgearbeiten – sollte bei der Personalabteilung verbleiben. Bei dieser Servicevariante werden die fachbezogene Verantwortung und die Verantwortung für den IT-Betrieb voneinander getrennt. Während die Abrechnung in den Händen des Unternehmens liegt, stellt der Outsourcing-Partner die Rechenzentrumsdienstleistungen bereit. In der Praxis finden sich für diese Outsourcing-Form die Begriffe Application Service Providing (ASP), Processing Service oder auch Teilservice. Die Vorteile dieser Variante zeigt Abbildung 1.

  • Dirk Holtbrügge: Personalmanagement, 2007
  • Joachim Gutmann; Sven Kilian: Inhouse-Partner – Strategische Flexibilisierungim Personalbereich, 2011
  • Kienbaum: HR-Klima Index 2012
  • Wilfried Köhler-Frost: Outsourcing – Schlüsselfaktor der Kundenzufriedenheit, 2005

 

Quelle: Sonderheft 01 | 2013 – www.personalwirtschaft.de