Digitale Zeiterfassungssysteme haben in vielen Unternehmen die traditionellen Methoden ersetzt. Doch welchen konkreten Mehrwert bringt diese Entwicklung für diejenigen, die täglich damit arbeiten – die Zeiterfassungsbeauftragten in den HR-Abteilungen? Um das herauszufinden, haben wir mit Nina Zimmer, HR-Expertin und Unternehmensberaterin für Zeiterfassung und Arbeitszeitmanagement, gesprochen.
Unsere Interviewpartnerin
Nina Zimmer ist Psychologin und Unternehmensberaterin mit dem Schwerpunkt Personal. Seit vielen Jahren ist sie als HR-Expertin für Zeiterfassung und Arbeitszeitmanagement tätig. In ihrer Karriere hat sie die Digitalisierung der Zeiterfassung aus erster Hand erlebt – sowohl als Zeiterfassungsbeauftragte in HR-Abteilungen als auch als Beraterin, die Unternehmen bei der Auswahl, Einführung und Optimierung von Arbeitszeitsystemen und digitalen Zeiterfassungslösungen unterstützt.
Kunigunde Leitner: Zeiterfassung wird oft als mühsam empfunden und erfreut sich keiner großen Beliebtheit. Warum ist sie dennoch ein so wichtiges Thema im DACH-Raum?
Nina Zimmer: In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Arbeitszeiterfassung besonders wichtig, da sie für Arbeitgeber gesetzlich vorgeschrieben ist. Viele sehen sie jedoch nur als lästige Pflicht und schenken ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit. Den potentiellen Mehrwert, den sie für das gesamte Unternehmen haben kann, wird leider sehr oft übersehen.
Kunigunde Leitner: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Nina Zimmer: Oft liegt es daran, dass die gewählte Zeiterfassungsmethode einfach nicht zur Arbeitsrealität passt, was zwangsläufig zu Unzufriedenheit führt. Das erlebe ich immer wieder. Auch, dass der Bedarf an einer besser passenden Lösung oft nicht wahrgenommen wird oder als weniger dringlich eingeschätzt wird.
Kunigunde Leitner: Wieso wird das aus Ihrer Sicht von so vielen Unternehmen unterschätzt?
Nina Zimmer: Es fehlt häufig an klaren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Bereich Zeiterfassung, die Abläufe sind oft auch unnötig komplex und meist gibt es keine zentrale Ansprechperson, an die sich Mitarbeitende bei Fragen rund um Arbeitszeit und Zeiterfassung wenden können. Dadurch wird die Zeiterfassung zum “leidigen” Thema, häufig eher stiefmütterlich behandelt und „nebenbei“ erledigt. Das ist wirklich schade, denn eine gut organisierte Zeiterfassung bringt zahlreiche Vorteile: mehr Transparenz, Ressourcenschonung, Kostensenkung und vor allem eine spürbare Erleichterung im Arbeitsalltag, was wiederum zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit beiträgt. Es ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig.
Kunigunde Leitner: Stichwort “gut organisierte Zeiterfassung”, was zeichnet diese denn aus?
Nina Zimmer: Bei einer gut organisierten Zeiterfassung verfügt ein Unternehmen über ein System, das optimal zu den eigenen Bedürfnissen und Anforderungen passt und dementsprechend skalierbar ist. Wichtig ist zudem, dass die Zeiterfassung einfach zu bedienen, transparent und nachvollziehbar ist, damit alle Mitarbeitenden die Regeln verstehen und Fehler vermieden werden.
Kunigunde Leitner: Vermutlich spielt da auch die Zeiterfassungsmethode eine wichtige Rolle, oder?
Nina Zimmer: Ja, unbedingt. Die Wahl der richtigen Zeiterfassungsmethode ist ein ganz zentraler Punkt – sie bestimmt nicht nur den Zeitaufwand und das Fehlerrisiko, sondern auch, wie effizient betriebliche Abläufe gestaltet werden können.
Was oft auch vergessen wird, aber einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt: eine klar definierte Zuständigkeit – idealerweise durch einen Zeiterfassungsbeauftragten.
Kunigunde Leitner: Was genau ist ein Zeiterfassungsbeauftrager?
Nina Zimmer: Arbeitgeber sind zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet, und vor allem wenn Mitarbeitende ihre Zeiten selbst erfassen, braucht es jedenfalls jemanden, der diese überprüft, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sicherstellt und als Ansprechpartner dient. Der Zeiterfassungsbeauftragte übernimmt diese Aufgaben, kontrolliert Arbeitszeitaufzeichnungen, verwaltet Urlaubsanträge, erfasst Abwesenheiten korrekt und stellt sicher, dass Zeitdaten fehlerfrei in die Lohnabrechnung einfließen. Zudem pflegt er das Zeiterfassungssystem und schult Mitarbeitende.
Kunigunde Leitner: Wenn wir beim Thema Zeiterfassungssystem sind – was ist ihrer Meinung nach das beste Zeiterfassungssystem und warum?
Nina Zimmer: Das eine „beste“ Zeiterfassungssystem gibt es aus meiner Sicht nicht – es hängt immer sehr stark von den individuellen Anforderungen und Bedürfnissen eines Unternehmens ab.
Aber wenn ich die Freiheit hätte, ein System zu wählen, würde ich mich heutzutage definitiv für eine moderne, digitale Lösung entscheiden. Alleine schon deshalb, weil ich in meiner beruflichen Laufbahn viele Jahre selbst die Rolle des Zeiterfassungsbeauftragen ausgeführt habe und nur zu gut weiß, was für ein Knochenjob das ist und wie viel Aufwand, Herzblut und Engagement in einer gut geführten Zeiterfassung stecken. Aber hauptsächlich, weil digitale Systeme die Prozesse nicht nur erleichtern und Effizienz bringen, sondern auch helfen, zukunftsfähig zu bleiben und mit den Entwicklungen Schritt zu halten.
Eine digitale Lösung ist für mich heute eben ganz klar der Favorit – weil sie effizient, intuitiv, flexibel und zukunftssicher ist.
Kunigunde Leitner: Sie haben selbst als Zeiterfassungsbeauftragte gearbeitet und sprechen von Herzblut und Engagement, das in eine gut geführte Zeiterfassung fließt. Wie kann eine digitale Lösung dazu beitragen, dass Zeiterfassungsbeauftragte effizienter arbeiten und sich auf wichtigere Aufgaben konzentrieren können?
Nina Zimmer: In vielerlei Hinsicht! Wenn man die Rolle des Zeiterfassungsbeauftragten im HR gut ausführen möchte, ist es eine anspruchsvolle Aufgabe. Da hat die digitale Zeiterfassung die Arbeit dazu wirklich revolutioniert. Was früher manuell und zeitaufwendig war – etwa die stundenlangen Kontrollen und Auswertungen – wird heute viel genauer und häufig automatisch erledigt, oft mit nur wenigen Klicks. Es macht die Arbeit des Zeiterfassungsbeauftragten nicht nur effizienter, sondern auch strategischer – und sogar ein bisschen spaßiger (lacht). Anstatt sich mit Papierbergen und manuellen Berechnungen aufzuhalten, kann sich der Zeiterfassungsbeauftragte auf wichtigere Aufgaben konzentrieren. Eine digitale Lösung bedeutet weniger Bürokratie, mehr Effizienz und eine spürbare Entlastung für alle Beteiligten.
Kunigunde Leitner: Können Sie uns aus Ihrer Erfahrung konkrete Beispiele nennen, wie eine digitale Zeiterfassung die Arbeit von Zeiterfassungsbeauftragten in der Praxis vereinfacht?
Nina Zimmer: Da hätten wir zum einen die erhebliche Zeitersparnis, die höhere Genauigkeit und die Reduzierung von Fehlerquellen bei der Arbeitszeitdokumentation und -verwaltung. Früher musste man handschriftliche Stundenzettel oder Excel-Listen persönlich einsammeln, auf Fehler und gesetzliche Vorgaben überprüfen und diese dann in die Lohnabrechnung übertragen – ein äußerst zeitaufwändiger und fehleranfälliger Prozess. Heute erfassen Mitarbeitende ihre Arbeitszeiten direkt im System, das sehr intuitiv zu bedienen ist und automatisch auf Fehler und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben prüft. Alle Daten sind zudem zentral gespeichert und auch für Mitarbeitende jederzeit einsehbar. So entfällt der manuelle Aufwand, die Aktenschränke quellen nicht mehr über und Korrekturen sind nur noch in Ausnahmefällen erforderlich.
Kunigunde Leitner: Vermutlich spielt auch die Automatisierung dabei eine Rolle, oder?
Nina Zimmer: Definitiv. Zeitsalden, Überstunden, Zuschläge und Urlaubsansprüche werden in digitalen Systemen automatisch berechnet, und es werden automatisch Auswertungen erstellt. Mitarbeitende und Führungskräfte können jederzeit darauf zugreifen und den aktuellen Stand einsehen. Das spart dem Zeiterfassungsbeauftragten erheblich Zeit und reduziert zudem die Zahl der Rückfragen.
Ein weiterer großer Vorteil ist der Abschluss der Arbeitszeiten. Früher musste der Zeiterfassungsbeauftragte alle erfassten Arbeitszeiten manuell überprüfen und den Abschluss für die Lohnabrechnung sicherstellen. Heute erfolgt dieser Prozess automatisch. Sobald alle Mitarbeitenden ihre Arbeitszeiten eingetragen haben, werden alle relevanten Daten für die Lohnabrechnung direkt geprüft und abgeschlossen. Das spart nicht nur viel Zeit, sondern sorgt auch dafür, dass der Abschluss schneller und fehlerfreier erfolgt.
Kunigunde Leitner: Und was ist mit der Urlaubs- und Abwesenheitsverwaltung?
Nina Zimmer: Auch die ist in einem guten digitalen Zeiterfassungssystem integriert und wird dadurch erheblich erleichtert. Das gleiche Spiel: Früher mussten Urlaubs- und Abwesenheitsanträge manuell erfasst, genehmigt und in verschiedenen Excel-Listen oder Papierdokumenten verfolgt werden, oft auch noch in bestehende Systeme übertragen werden. In einer digitalen Lösung erfolgt die Urlaubsbeantragung direkt im System, das die verfügbaren Urlaubsansprüche automatisch anzeigt und Anträge sofort zur digitalen Genehmigung weiterleitet. Mitarbeitende und Vorgesetzte können jederzeit in Echtzeit auf den aktuellen Stand zugreifen, und der Zeiterfassungsbeauftragte ist nur noch bei Unklarheiten oder Sonderfällen involviert.
Kunigunde Leitner: Das klingt sehr effizient. Gibt es noch andere Vorteile?
Nina Zimmer: Absolut! Ein weiterer großer Vorteil ist die Flexibilität von digitaler Zeiterfassungssoftware. Ob im Büro, Homeoffice oder auf mobilen Endgeräten unterwegs – cloudbasierte Zeiterfassungssysteme ermöglichen eine ortsunabhängige Erfassung. Besonders bei hybriden Arbeitsmodellen oder Kundeneinsätzen – auch in verschiedenen Zeitzonen – ist das sehr praktisch. Arbeitszeitdaten können in Echtzeit erfasst werden, ohne dass der Zeiterfassungsbeauftragte hinter Zetteln oder Listen herlaufen muss. Das spart Zeit und sorgt für eine nahtlose Integration der Daten, unabhängig vom Standort der Mitarbeitenden.
Kunigunde Leitner: Wenn ein Unternehmen noch keine digitale Zeiterfassung hat, welche Tipps haben Sie für Unternehmen, die eines einführen möchten?
Nina Zimmer: Aktiv werden. Es ist ganz wichtig, jetzt aktiv zu werden – der Trend zur Digitalisierung ist nicht aufzuhalten.
Mein erster Tipp: Starten Sie mit einer gründlichen Bedarfsanalyse. Analysieren Sie, welche spezifischen Anforderungen Ihr Unternehmen an die Zeiterfassung stellt, definieren Sie klare Ziele und prüfen Sie, wie das System in Ihre bestehende Prozess- und Systemlandschaft integriert werden kann. Achten Sie darauf, ein flexibles und skalierbares System auszuwählen, das mit dem Wachstum Ihres Unternehmens Schritt halten kann. Ziehen Sie bei Bedarf externe Beratung hinzu, um die beste Lösung für Ihre Bedürfnisse zu finden.
Kunigunde Leitner: Da braucht es dann jedenfalls einen Zeiterfassungsbeauftragten dazu, richtig?
Nina Zimmer: Absolut. Genau das wollte ich gerade als zweiten Tipp nennen: Wählen Sie einen geeigneten Zeiterfassungsbeauftragten, der sowohl das Interesse an digitalen Technologien und deren Anwendung als auch gute Kommunikationsfähigkeiten und Projektmanagementkompetenz mitbringt. Diese Person sollte für die Einführung und Überwachung des Systems verantwortlich sein, Mitarbeitende schulen und sicherstellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. In größeren Unternehmen empfehle ich, ein Projektteam zu bilden, das die Implementierung gemeinsam vorantreibt.
Kunigunde Leitner: Es ist also ganz wichtig, dass jemand explizit für das Thema zuständig ist. Haben Sie noch weitere Tipps?
Nina Zimmer: Also ganz entscheidend ist auch noch Transparenz: Machen Sie den Umstellungsprozess transparent und binden Sie Ihre Mitarbeitenden frühzeitig ein. Erklären Sie ihnen die Vorteile und sorgen Sie dafür, dass sie sich mit dem neuen System wohlfühlen und investieren Sie bei Bedarf in Schulungen. So verhindern Sie Widerstände und schaffen Akzeptanz.
Und zu guter Letzt: Lassen Sie sich nicht von Bedenken oder Ängsten vor der Umstellung abschrecken – starten Sie einfach, sammeln Sie Erfahrungen und optimieren Sie kontinuierlich.
Kunigunde Leitner: Vermutlich wird sich da in den nächsten Jahren auch noch viel tun und einiges sogar noch verbessert werden. Welche Entwicklungen erwarten Sie in der digitalen Zeiterfassung in den nächsten Jahren?
Nina Zimmer: Insgesamt wird sich die Zeiterfassung immer stärker vom Pficht-Kontrollinstrument hin zu einem smarten Tool für Effizienz, Transparenz und Mitarbeiterfreundlichkeit entwickeln.
Künstliche Intelligenz wird sicher schon bald eine größere Rolle spielen. Digitale Systeme können zum Beispiel ja heute schon automatisch erkennen, wenn Arbeitszeiten nicht den gesetzlichen oder betrieblichen Vorgaben entsprechen und konkrete Hinweise geben. Zukünftig kann und wird künstliche Intelligenz dabei helfen, Arbeitszeiten zu analysieren, Unregelmäßigkeiten zu identifizieren und sogar proaktive Empfehlungen für die Steuerung von Zeitdaten, wie zB Zeitausgleich, Schicht- oder Urlaubsplanung, zu liefern.
Trotz aller Automatisierung wird der Mensch hier aber sicher nicht zu ersetzen sein. Es braucht weiterhin eine verantwortliche Person, die das System überwacht, Mitarbeitende schult und einen reibungslosen Ablauf und Kommunikation sicherstellt.
Kunigunde Leitner: Einen Zeiterfassungsbeauftragten also. Was raten Sie Unternehmen, die noch zögern, auf eine digitale Zeiterfassung umzustellen?
Nina Zimmer: Ganz ehrlich? Wer zögert, spielt auf Zeit – denn die digitale Zeiterfassung wird früher oder später unvermeidlich. Unternehmen befinden sich mitten in einem Generationenwechsel, und die neue Mitarbeitendengeneration erwartet moderne, intuitive Lösungen. Veraltete, starre Systeme werden langfristig nicht bestehen.
Ich rate Unternehmen, sich bewusst zu machen, was sie eigentlich zurückhält. Liegt es an der Sorge vor Umstellungskosten? An Unsicherheiten bei der Auswahl und Einführung des Systems? Oder an der Angst vor Akzeptanzproblemen? Diese Hürden lassen sich gezielt abbauen – aber nur, wenn man sich ihnen stellt.
Mein Tipp: Veränderung nicht aufschieben, sondern gezielt und strategisch angehen. Dazu gehören eine gründliche Bedarfsanalyse, klar formulierte Ziele, durchdachtes Projektmanagement, transparente Kommunikation und der Vergleich verschiedener Anbieter. Und dann – einfach loslegen! Wer den Schritt wagt, gewinnt sehr schnell und langfristig an Effizienz, Transparenz und Mitarbeiterzufriedenheit.
Autorenprofil
Kunigunde Leitner hat bereits zahlreiche Unternehmen im DACH-Raum dabei unterstützt, eine digitale Zeiterfassung einzuführen und damit Unternehmensabläufe sowie Arbeitsprozesse unter Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorgaben zu optimieren. Ihre Fachkenntnisse vermittelt sie regelmäßig in Blogbeiträgen.