Die Klägerin, die bei der Beklagten als Montagehelferin beschäftigt ist, erhielt einen Gesamtstundenlohn. Dieser setzte sich aus einem Grundlohn von 6,22 Euro brutto/Std. und einer Leistungszulage zusammen, deren Höhe von der Anzahl der pro Stunde montierten Teile abhing und zuletzt maximal 37 % des Grundstundenlohns betrug. Ab dem 1.1.2015 zahlte die Beklagte der  Klägerin 8,52 Euro brutto für jede abgeleistete Arbeitsstunde.

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Der Klägerin war der Auffassung die i.H.v. 2,30 Euro brutto/Std. gezahlte Leistungszulage sei nicht anzurechnen, da damit eine zusätzliche Leistung honoriert werde, während der Mindestlohn nur eine „Normalleistung“ von 100 % abgelte. Sie verlangte die Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn für die Monate Januar bis Mai 2015. Das ArbG Herford gab der Klage statt, das LAG Hamm wies diese auf die Berufung der Beklagten ab.

Arbeitgeber sollten die wenigen Ausnahmen zur Nichtanrechenbarkeit kennen. Im Übrigen können sie die großzügige Interpretation des MiLoG nutzen, um bis zur Höhe des Mindestlohns mit Sonderzahlungen „aufzufüllen“.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 5/18, S. 311.

Die Revision der Klägerin war erfolglos. Die verlangten weiteren 2,28 Euro/Std. standen ihr nicht zu. Die Beklagte hatte den Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn mit der Zahlung des Gesamtstundenlohns von 8,52 Euro brutto erfüllt. Der gesetzliche Mindestlohn war dem tatsächlich ausgezahlten Betrag gegenüber zu stellen. Eine Differenz ergab sich nicht, da auch die Leistungszulage in die Berechnung einzubeziehen war. Diese beruhte nicht auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung, sondern stellte schlicht eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit dar.

Um zu ermitteln, ob der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird, sind die in dem Anrechnungszeitraum geleisteten Zeitstunden mit dem Mindestlohn gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG (ab 1.1.2015: 8,50 Euro brutto; seit 1.1.2017: 8,84 Euro brutto) zu multiplizieren. Dem so ermittelten gesetzlichen Mindestlohnanspruch ist der tatsächlich geleistete arbeits- oder tarifvertragliche Entgeltanspruch gegenüber zu stellen. Nur wenn die gezahlte Bruttovergütung den Mindestlohn nicht erreicht, besteht ein Anspruch auf eine Differenzzahlung (vgl. bereits BAG, Urt. v. 21.12.2016 – 5 AZR 374/16, AuA 7/17, S. 439).

In die Vergleichsberechnung sind sämtliche Geldleistungen des Arbeitgebers einzubeziehen, es sei denn, diese werden von ihm ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht oder beruhen auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (BAG, Urt. v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, BAGE 155, S. 202). Da das MiLoG bei der Frage der Anrechenbarkeit weder auf den mit der Arbeitsleistung verbundenen Erfolg abstellt noch zwischen „Normalleistung“ und „zusätzlicher Leistung“ unterscheidet, kommt auch einer gezahlten Leistungszulage Erfüllungswirkung zu. Eine Leistungszulage ist eine Geldleistung des Arbeitgebers, mit deren Zahlung die Arbeitsleistung des Beschäftigten honoriert wird, ohne dass sie einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt. Da das MiLoG keine ausdrücklichen Regelungen hierzu enthält, war vom Inkrafttreten des Gesetzes an umstritten, ob und welche zusätzlichen Zahlungen des Arbeitgebers mindestlohnwirksam, also auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar sind. Zwischenzeitlich existiert hierzu eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung, die im Grundsatz jede im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Zahlung des Arbeitgebers als anrechnungsfähig betrachtet. Ausgenommen hiervon sind lediglich solche Zahlungen, die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, wie der Nachtarbeitszuschlag gem. § 6 Abs. 5 ArbZG (BAG, Urt. v. 20.9.2017 – 10 AZR 171/16, AuA 3/18, S. 183), oder die ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht werden. Das BAG hat nunmehr mit der Festlegung, dass hierunter keine Leistungszulagenfallen, weitere Rechtsicherheit geschaffen. Dabei stellt das BAG ausdrücklich klar, dass das Gesetz bei der Anrechenbarkeit nicht zwischen „Normalleistungen“ und „Zusatzleistungen“ unterscheidet und diese auch nicht von dem mit der Arbeitsleistung verbundenen Erfolg abhängig macht.