Der beim tarifgebundenen Arbeitgeber maßgebliche Manteltarifvertrag sieht gestaffelte Zusatzurlaubsansprüche als Ausgleich für geleistete Nachtarbeitsstunden vor. Durch Spruch der Einigungsstelle wurde gegen die Arbeitgeberstimmen eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die Zusatzurlaubsansprüche für Bereitschaftszeiten während der Nachtstunden gewährt. Der Arbeitgeber focht den Spruch mit der Begründung an, dem Betriebsrat habe – wegen der tarifvertraglichen Regelung – gar kein Mitbestimmungsrecht zugestanden. Die beiden Vorinstanzen gaben der Anfechtung statt und hielten den Spruch der Einigungsstelle für unwirksam.
 
Entscheidung Das BAG schloss sich dieser Auffassung an. Es wies zunächst auf seine Rechtsprechung hin, wonach dem Betriebsrat bei der Entscheidung des Arbeitgebers, ob Nachtarbeitsstunden durch Freizeit oder Entgeltzuschlag auszugleichen sind, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zusteht. Der Ausgleichsanspruch in § 6 Abs. 5 ArbZG dient zumindest auch dem Gesundheitsschutz. Er stellt daher eine öffentlich-rechtliche Rahmenvorschrift i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dar.
 
Nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist aber das Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen, wenn eine tarifliche Regelung besteht. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie „abschließend“ i. S. d. § 87 Abs. 1 BetrVG ist. Vielmehr lässt sie die Pflicht des Arbeitgebers, den Ausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu bestimmen, entfallen. Folglich gibt es keinen Regelungsspielraum mehr, der Voraussetzung für das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist.

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Die Betriebspartner sollten bei der Abstimmung in der Einigungsstelle nicht nur ihre Wunschvorstellungen vor Augen haben, sondern auch das Machbare und rechtlich Erzwingbare. Notfalls müssen sie dies – zu Protokoll – dem Einigungsstellenvorsitzenden nochmals erläutern. Steht fest, dass der eigene Antrag keine Mehrheit erhält, ist auch ein Alternativantrag, der eine eigene Kompromisslinie aufzeigt, bedenkenswert.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 10/12

Einmal mehr hat das BAG einen Einigungsstellenspruch „kassiert“, obwohl die entscheidende Rechtsfrage nicht sehr komplex war. Die Kürze des Beschlusses spricht insoweit Bände. Das bestätigt den Eindruck, dass es manchem Einigungsstellenvorsitzenden mehr um die Einigung und weniger um deren Rechtsrahmen geht. Das ist bei moderierten freiwilligen Entscheidungen richtig, nicht aber bei einem Spruch.

Der wird dann nämlich für die Betriebspartner – Arbeitgeber und Betriebsrat – zum Problem. So schön es ist, am Ende in Erfurt Recht zu behalten: In der Zwischenzeit gilt der Spruch der Einigungsstelle als Betriebsvereinbarung und lässt sich notfalls mit einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen.