Wie zur Bestätigung der vorstehend erhobenen These vom Eindringen des Sozialstaats in das Arbeitsverhältnis, beginnt Thüsing seine Einleitung zum MiLoG mit dem biblischen Beispiel vom Weinberg, das auf die Frage hinausläuft, ob ein Arbeiter bekommen soll, was er verdient oder was er zum Leben braucht.

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Foto von Austin Distel

Die zweite Alternative ist eine Frage der Zuteilung und damit eigentlich nicht mehr des Zivilrechts. Thüsing jedenfalls erörtert das Für und Wider des gesetzlichen Mindestlohns ausführlich, kommt aber dann doch zu dem Schluss Reinhard Richardis: „Die Entscheidung des Gesetzgebers pro und contra ist hinzunehmen und auszufüllen“ (Rdnr. 10).

Neben Fragen der Gerechtigkeit werden auch solche der rechtsgeschichtlichen Entwicklung und der Rechtsvergleichung sowie der ökonomischen Wirkungen des Gesetzes sowie – schließlich – des Verfassungsrechts erörtert. Thüsing macht einen Eingriff in die Koalitionsfreiheit aus (Rdnr. 33) und sieht die Tarifautonomie durch das Gesetz – entgegen den Behauptungen des Gesetzgebers – geschwächt.

Zu Recht, wie ich finde. Kurz: Wer den Streit um den gesetzlichen Mindestlohn politisch noch nicht beendet sieht, findet bei Thüsing zahlreiche Argumente – zumeist eher gegen die Regelung.

Die beiden Hauptteile des Buches beinhalten zu Beginn jeweils den Gesetzestext und sodann Erläuterungen der einzelnen Paragrafen. Die Kommentierung zum AEntG enthält nicht noch eine Einleitung, sondern einen knappen Text „vor § 1 AEntG“, in dem der Herausgeber noch einmal eine Einordnung des Gesetzes mit seinen Anliegen und Wandlungen seit Erlass im Jahre 1996 vornimmt.

Thüsing selbst hat es unternommen, noch einige ergänzende Regelungen zu kommentieren, die im Zusammenhang mit MiLoG und AEntG zuweilen eine Rolle spielen: § 138 BGB und die Tariftreueregelungen der Bundesländer.

Fazit: Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, kann man sagen, dass mit diesem handlichen Kommentar eine Vielzahl von praktischen Fällen des modernen, auch nach dem Willen des EU-Gesetzgebers zunehmend europäisierten Arbeitsmarkts gelöst werden kann.

Gleichzeitig werden auch die Vor- und Nachteile der einzelnen Regelungen derart erläutert, dass es die politische Bewertung immer neuer Regelungen erleichtert, die auch auf die Interessenvertreter namentlich von Unternehmen in immer kürzeren Abständen zukommen. Praktisches Arbeitsrecht wird eben zunehmend Öffentliches Recht.

RA Dr. Matthias Wiemers, Berlin

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 5/17,  Seite 319