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Foto von Ali Yahya

PROBLEMPUNKT

Der Betriebsrat stritt mit der Arbeitgeberin über deren Verpflichtung zur Einrichtung eines Arbeitsschutzausschusses. Die Arbeitgeberin hat ihren Hauptsitz in Hamburg und unterhält zahlreiche Filialen im gesamten Bundesgebiet. Auf Unternehmensebene hatte sie einen Arbeitsschutzausschuss errichtet, in den der Gesamtbetriebsrat Mitglieder entsandte. Der Betriebsrat der als selbstständiger Betrieb anzusehenden Stuttgarter Filiale hielt die Einrichtung eines unternehmenseinheitlichen Arbeitsschutzausschusses für unzureichend. Er verlangte von der Arbeitgeberin die Bildung eines solchen für die Stuttgarter Filiale. Das ArbG wies den Antrag des Betriebsrats ab, das LAG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück.

ENTSCHEIDUNG

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte vor dem BAG ebenfalls keinen Erfolg. Dem Gremium stand kein Initiativrecht zur Bildung eines – weiteren – Arbeitsschutzausschusses für die Stuttgarter Filiale zu. Es konnte sein Verlangen zur Bildung eines solchen Ausschusses nicht auf § 11 ASiG stützen. Diese Norm regelt keinen Anspruch des Betriebsrats, sondern eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die notfalls durch die nach § 12 Abs. 1 ASiG zuständige Behörde durchzusetzen ist. Da § 11 ASiG dem Unternehmen keinen Handlungsspielraum gewährte, war auch ein Mitbestimmungsrecht des Gremiums nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ausgeschlossen.

Mit der Frage, ob die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung aus § 11 ASiG durch die Einrichtung des Arbeitsschutzausschusses im Hauptbetrieb unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats genügt hatte, musste sich das BAG nicht beschäftigen, weil der Antrag der Arbeitnehmervertretung bereits wegen fehlender Anspruchsgrundlage abzuweisen war.

KONSEQUENZEN

§ 11 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber unter den dort näher geregelten Voraussetzungen zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses. Dieser hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten; der Betriebsrat muss zwei Mitglieder entsenden (§ 11 Satz 2 ASiG). Ein Anspruch des Gremiums gegen das Unternehmen auf Einrichtung eines solchen Ausschusses folgt aber weder aus der Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 11 Satz 1 ASiG noch aus dem Entsendungsrecht des Betriebsrats.

Die Arbeitnehmervertretung kann einen Anspruch auf Bildung eines Arbeitsschutzausschusses auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG herleiten. § 11 ASiG regelt die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses abschließend. Ein Mitbestimmungsrecht besteht nach § 87 Abs. 1 1. Halbs. BetrVG aber nur dann, wenn gerade keine gesetzliche oder tarifliche Regelung existiert. Besteht – wie im Fall des § 11 ASiG – eine zwingende gesetzliche Vorgabe, die dem Unternehmen keine Gestaltungsmöglichkeiten und keinen Handlungsspielraum einräumt, die dieses unter Mitwirkung des Betriebsrats auszufüllen hätte, ist auch kein Raum für ein Mitbestimmungsrecht. (BAG, Beschl. v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, AuA 12/08, S. 756).

PRAXISTIPP

Das BAG hat klargestellt, dass die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 11 ASiG nach der Gesetzessystematik ausschließlich durch die zuständige Behörde gem. § 12 Abs. 1 ASiG durchzusetzen ist. Hierdurch sind die Interessen der Beschäftigten hinreichend geschützt und bedürfen keines weiteren Schutzes durch Mitbestimmung. Damit ist gleichzeitig die bisherige Streitfrage, ob der Betriebsrat das Recht hat, eine entsprechende arbeitgeberseitige Verpflichtung im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens herbeizuführen (so: LAG Hessen, Beschl. v. 1.2.1996 – 12 TaBV 32/95; a. A.: LAG Hamburg, Beschl. v. 27.9.1995 – 4 TaBV 2/95), zu Gunsten der Arbeitgeber entschieden worden.

Allerdings darf man nicht übersehen, dass das Gremium über den „Umweg“ des § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Möglichkeit hat, die zuständige Arbeitsschutzbehörde zu ersuchen, gegenüber dem Arbeitgeber die Verpflichtungen aus § 11 ASiG im Wege einer Anordnung nach § 12 Abs. 1 ASiG durchzusetzen (hierzu allgemein: BAG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1 ABR 19/02). Sofern die zuständige Behörde keine Klärung herbeiführt, kommt als Alternative auch noch der Individualanspruch eines Mitarbeiters aus § 11 ASiG i. V. m. § 618 Abs. 1 BGB in Betracht (so zur Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG: BAG, Urt. v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06, AuA 11/08, S. 692). Nach wie vor offen bleibt die Frage, ob es bei einem Filialbetrieb genügt, unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats einzig im Hauptbetrieb einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden.

Fotocredit: Rainer Sturm | www.pixelio.de
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | Ausgabe 2/2015 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de