„Schuld ist die Telekom“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Köln. Mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Selbstverpflichtung, bis Ende 2015 weltweit 30 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzten zu wollen, bringe der Telekommunikationskonzern andere Großunternehmen in Zugzwang und damit das Thema Frauen in Führungspositionen deutschlandweit wieder aufs Tapet.

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Foto von Matt Hoffman

Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Telekom, begründet den Ruf nach mehr Managerinnen mit den Schlussfolgerungen aus der letzten wirtschaftlichen Krise. Globalisierung, Komplexität und hohe Veränderungsgeschwindigkeiten seien mit einem männlich-geprägten Führungsstil nicht mehr „beherrschbar“. Mit gemischten Führungsteams verbessere sich nicht nur die Chance zur Bewältigung zukünftiger Krisen und der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeitern, sondern auch die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit.

Davon ist Deutschland mit 17% Frauen in Führungspositionen noch weit entfernt und liegt, im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt von 24%, seit Jahren abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Führend sind die Philippinen mit 47% gefolgt von zahlreichen osteuropäischen (z.B. Russland 42%), asiatischen (z.B. China 31%) und südamerikanischen Ländern (z.B. Brasilien 29%).

Gleichzeitig wird mit dem Anziehen der Konjunktur der Fachkräftemangel für die deutschen Schlüsselindustrien Maschinenbau, Automotive, IT und Biotechnologie wieder schmerzhaft spürbar. Laut VDI-Studie kostet der Fachkräftemangel die deutsche Volkswirtschaft jährlich mehr als sieben Milliarden Euro. Ein Grund dafür besteht darin, dass die Unternehmen in Deutschland 70.000 offene Ingenieursstellen nicht besetzen können.

Bereits heute stellen Frauen mit mehr als 50% der Abiturientinnen und Studentinnen, und sehr guten Abschlüssen, die Mehrheit des zukünftigen Talentpools. Unglücklicherweise profitieren Deutschlands Schlüsselindustrien davon nicht. Diese sind, mit nur 15% Studentinnen in den MINT-Studiengängen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), im Wettlauf um die weiblichen Talente deutlich im Rückstand.

Die Quote allein hilft nicht

Vor diesem Hintergrund bewegt der „weibliche Talentpool“ heute nahezu alle Führungsriegen. Inzwischen sind sich viele männliche Personalvorstände sogar einig: Ohne Quote wird sich am Geschlechterverhältnis in den Führungsetagen nichts ändern – ganz nach dem Motto „Nur was gemessen wird, wird umgesetzt“. Das ist für Sattelberger allerdings lediglich der erste Schritt: „Die Quote ist nur Symbolik auf der Baumspitze, das Ziel muss durch den ganzen Tannenbaum der HR-Prozesse runtergebrochen werden“. Dazu könnten folgende Instrumente gehören:

1. Rekrutierung über quotierte Shortlists

Die Hypovereinsbank (HVB) fordert von Personalberatern, dass sie mehr Frauen vorschlagen sollen. Die Shortlist, die letzten Auswahlrunde von drei bis fünf Kandidaten, muss mit mindestens 30% Frauen besetzt sein. Wird dieses Ziel nicht erreicht, landet der Fall bei Oliver Massen, Personalvorstand der HVB. Der nimmt gegebenenfalls den einstellenden Vorgesetzten ins Gebet. Dieser Prozess sorgt für mehr Nachhaltigkeit, denn wer will schon beim Personalvorstand einen schlechten Eindruck machen.

2. Frauen im Fokus der Personalentwicklung

Damit im Top-Management mindestens 30% Frauen ankommen, braucht es einen höhern Anteil an Frauen im mittleren Management. Entsprechend besetzt die Telekom Führungsnachwuchskräfte-Programme zur Hälfte mit Frauen und nominiert in der Nachfolge- und Karriereplanung verstärkt Frauen.

Angelika Gifford, Mitglied der Geschäftsleitung Microsoft Deutschland, ermutigt Frauen „Die Tür, die ein bisschen aufsteht, aufzumachen und den Raum dahinter zu erkunden“. Insofern sind Karriereförderprogramme für Frauen mit Training, Coaching und vor allem Mentoring wichtig, um das Selbstvertrauen zu stärken und die ungeschriebenen Karrierespielregeln besser nutzen zu können.

3. Partnerschaftlichkeit im Beruf und in der Familie

Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass Angebote für Väter die Chancengleichheit fördern. Hier ist bei den Männern „Mut machen“ angesagt, denn etliche junge Väter trauen sich nicht nach Eltern- oder Teilzeit zu fragen. Väter und Mütter in Führungspositionen, die ihre Familienrolle wahrnehmen, leben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Sie sorgen so für den notwendigen breitflächigen Kulturwandel in Organisationen.

4. HR-Instrumente auf den Prüfstand stellen

Solange sich die Förderung von Führungsnachwuchskräften auf 27-, bis 35-Jährige konzentriert und Führung in Teilzeit nicht möglich ist, finden sich zwangsläufig weniger Frauen an der Spitze von Unternehmen. „Das Bild von Führung ist männlich geprägt“, sagt Sattelberger. Als Beispiel nennt er Kompetenzmodelle, an denen er seit der Krise Kriterien wie Bedachtsamkeit, Sensibilität oder Reflexionsfähigkeit vermisst. Unbewusste Geschlechterstereotypen sorgen darüber hinaus für Bewertungsverzerrungen beispielsweise in Einstellungsinterviews, Assessment-Centern und Potenzialeinschätzungen.

Die Studie des SINUS Instituts „Frauen in Führungspositionen: Barrieren und Brücken“ stellt fest, dass in den Köpfen der Männer vielfältige Vorbehalte gegen Frauen in Führungspositionen bestehen. Zwar zeigten Männer wohlwollende Zustimmung zu einem allgemeinen Anstieg von Frauen in Führungspositionen. Allerdings erhöht laut SINUS diese gender-political-correctness bei der konkreten Entscheidung für die Besetzung einer Führungsposition noch nicht die Chance einer Kandidatin auf eine solche Position. Somit besteht das Risiko, dass Unternehmen viel reden und Frauen weiterhin „Nein, Danke“ zu Führungspositionen in deutschen Unternehmen sagen.

Vor diesem Hintergrund braucht es einerseits eine Sensibilisierung der Linienvorgesetzten, und HR-Mitarbeiter für genderspezifische Karrierehemmnisse. Andererseits sollten Personalabtelungen ihre HR-Instrumente, wie Kompetenzmodelle, Bebachter- / Beurteilungstrainings, Führungstrainings unter Gender-Aspekten analysieren und anpassen. In diesem Sinne hat die HVB mit „Changing Management“ ein Programm für männliche und weibliche Führungskräfte aufgesetzt, das einen neuen Führungsstil und eine Sensibilisierung über den Mehrwert von Vielfalt in Führungsteams herbeiführen soll.

Vorbild Skandinavien

Dem Weltwirtschaftsforum zufolge haben Frauen in Nordeuropa die meisten Chancen auf Erfolg in Wirtschaft und Gesellschaft. Das Land mit der größten Gleichberechtigung sei Island, gefolgt von Norwegen, Finnland und Schweden. Grund für das gute Abschneiden sei unter anderem, dass dort besonders viele Frauen einer Arbeit nachgehen könnten. Daneben gebe es die geringsten Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern sowie gute Aufstiegschancen für Frauen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Doppel-Karriere-Familien mit Betreuungsangeboten für Kinder und pflegebedürftige Angehörige. Dies zeigt Wirkung: Dem demografischen Wandel stellen norwegische Frauen im Schnitt 2,2 Kinder entgegen, in Deutschland sind es 1,4 Kinder.

Wie in anderen skandinavischen Staaten war die Chancengleichheit für Frauen seit Jahren ein wichtiges Anliegen der Politik in Norwegen. 2008 wurde eine Quote von 40% Frauen in den Aufsichtsräten gesetzlich verankert, nachdem die Selbstverpflichtung der Wirtschaft von 2003 gescheitert war. Die erfolgreiche Umsetzung der Quote, 2009 waren es 42%, war den Sanktionen geschuldet, im härtesten Fall drohte die Schließung des Unternehmens. Parallel zu diesem Beschluss hat die Regierung eine Datenbank mit mehr als 4.000 kompetenten Frauen initiiert, die einen Posten in einem Aufsichtsrat übernehmen würden.

Verschiedene Arbeitgeberverbände in Norwegen bieten eigene Entwicklungsprogramme für Frauen an. Besonderes Augenmerk verdient das Führungskräfteprogramm “Female Future”, das sowohl die Frauen als auch die Unternehmensleitung in die Pflicht nimmt. Dieses Programm ist eine sehr wirksame Mischung aus Workshops, Netzwerken und Mentoring. Spezielle Workshops für das Top Management sowie gemeinsame Veranstaltungen mit den weiblichen Talenten sensibilisieren für die Vorteile von gemischten Führungsteams und verändern die Unternehmenskultur.

Fazit:

Eine staatlich vorgeschriebene Quote ist zwar aus Unternehmenssicht nicht das Mittel der Wahl, doch zeigt das Beispiel Norwegen, dass eine entsprechende Handhabung gute Ergebnisse bringen kann. Quoten helfen Frauen zu gewinnen, aber schaffen es nicht sie zu halten. Die bisherigen Ansätze zur Kinderbetreuung und spezielle Frauenförderprogramme greifen zu kurz.

Unternehmen, die ein echtes Interesse an Frauen in Führungspositionen haben, gehen weiter. Sie berücksichtigen sowohl die Lebensphasen als auch die individuellen Stärken von Frauen und Männern und fördern eine wertschätzende Zusammenarbeit in gemischten Führungsteams. Eine politisch gesetzte Quote würde für den notwendigen äußeren Druck sorgen und breitflächig die Aufstiegeschancen von Frauen verbessern.

Literaturtipps

„Der Fachkräftemangel und der entgangene Gewinn“

www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/MagazinSozialesFamilieBildung/066/sa-entwicklung-fachkraeftebedarf.html

www.iwkoeln.de/Publikationen/IWNachrichten/tabid/123/articleid/30655/Default.aspx

„Global Gender Gap Report 2010“, World Economic Forum

www.weforum.org/gendergap

„Frauen in Chefetagen“, Umfrage von Grant Thornton 2009, unter nichtbörsennotierten Unternehmen aus 36 Ländern

www.grantthornton.de/gtd/download/prs/090316_gtd.pdf

„Das norwegische Experiment“, Analyse Friedrich Ebert Stiftung 06/2010

http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07310.pdf

„Frauen in Führungspositionen: Barrieren und Brücken“ Sinus Sociovision Studie, 03/2010

www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/frauen-in-f_C3_BChrungspositionen-deutsch,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf