Entscheidung

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Foto von Trent Erwin

Die Revision des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG hat der Kläger seinen Anspruch nicht ausreichend substanziiert. Ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden kann sich aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen ergeben. Unabhängig davon muss der Mitarbeiter zunächst darlegen und ggf. beweisen, dass er Arbeit über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit erbracht hat. Er muss genau bezeichnen, an welchen Tagen er wie viel Überstunden geleistet hat. Den genauen Inhalt der Tätigkeit braucht er dabei zunächst nicht vorzutragen. Der Beschäftigte muss aber auch beweisen, dass diese Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst und damit entweder angeordnet, gebilligt, geduldet oder zumindest notwendig waren. Es darf nicht in der Hand des Arbeitnehmers liegen, durch das selbstbestimmte Leisten von Überstunden seine Vergütung zu erhöhen. Er muss daher entweder darlegen, wer ihm wann das Leisten von wie vielen Überstunden angeordnet hat (konkrete Anordnung) oder dass er eine Anweisung erhalten hat, die in der Normalarbeitszeit nicht zu erledigen ist (konkludente Anordnung). Alternativ müsste er vortragen, dass das Unternehmen die Überstunden nachträglich gebilligt hat, z. B. durch das Abzeichnen einer Überstundenliste. Nicht ausreichend ist aber die widerspruchslose Entgegennahme einer bloßen Auflistung der Anwesenheitszeit. Als letzte Alternative hätte der Kläger die Duldung darlegen müssen. Hierfür hätte er vortragen müssen, von welchen Überstunden der Arbeitgeber wie und wann Kenntnis erlangt hat und dass es im Anschluss zu weiteren Überstunden gekommen ist, die jener nicht verhindert hat. Nichts davon hatte der Kläger jedoch ausreichend vorgetragen. Die pauschale Aussage, dass „Überstunden angeordnet worden sind“, hielt das BAG nicht für ausreichend, um den Anspruch auf Überstundenvergütung zu substanziieren.

Problempunkt

Der Kläger war zwischen Januar 2010 und Februar 2011 bei der Beklagten als Handwerker angestellt. Er erhielt eine Bruttomonatsvergütung i. H. v. 2.100 Euro bei einer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 167 Stunden pro Monat und kündigte das Anstellungsverhältnis selbst. Im März 2011 verklagte er seinen ehemaligen Arbeitgeber und begehrte den Ausgleich von 498 Überstunden. Hierzu trug er vor, dass er zusammen mit einem Kollegen in der Zeit von Januar bis Dezember 2010 auftragsgemäß das komplette Firmengebäude der Beklagten umgebaut habe und in diesem Zusammenhang die Überstunden angefallen seien. Die Überstunden konnte der Kläger datumsmäßig näher bezeichnen.
Hierzu legte er u. a. über 100 Seiten an Aufzeichnungen vor. Teile davon hatte die Beklagte in eine Excel-Tabelle eingepflegt. Hilfsweise macht der Kläger daher die sich aus dieser Tabelle ergebenden 262,47 Überstunden geltend. Nach dem in diesem Zusammenhang lediglich pauschalen Vortrag des Klägers habe der damalige Geschäftsführer der Beklagten die Überstunden angeordnet, zumindest aber geduldet. Die Beklagte bestritt, dass der Kläger angeordnete oder geduldete Überstunden geleistet hat. Die Angaben in der Excel-Tabelle seien lediglich eine ungeprüfte Übernahme der vom Kläger geführten Anwesenheitsliste. Sowohl das ArbG als auch das LAG Düsseldorf wiesen die Klage ab.

Konsequenzen
 

Die Entscheidung gibt Unternehmen ein gewisses Maß an Sicherheit. Der Arbeitnehmer muss die Details zu den geltend gemachten Überstunden sehr genau vortragen: Er hat exakt aufzulisten, wann er welche Überstunde geleistet hat und für alle aufgezeichneten Überstunden darzulegen, dass diese vom Arbeitgeber veranlasst worden sind. Der Beschäftigte muss in jedem Fall genau darlegen und beweisen können, wann wer auf Arbeitgeberseite was gesagt bzw. mitbekommen hat – was im Nachhinein sehr schwierig sein wird. Erfreulicherweise setzte sich das BAG auch ausdrücklich mit einem kürzlich vom LAG Berlin-Brandenburg ergangenen Beschluss (v. 19.9.2012 – 15 Ta 1766/12, AuA 9/13, S. 555) auseinander. Das LAG entschied, dass die Anwesenheit eines Mitarbeiters an seinem Arbeitsplatz eine Vermutung dafür begründe, dass die Überstunden zur Erledigung der Arbeit jeweils notwendig waren. Dieser Auffassung erteilte das BAG eine deutliche Absage. Entsprechend schadet es nicht, eine vom Arbeitnehmer geführte Auflistung seiner Anwesenheitszeiten entgegenzunehmen – darin liegt noch keine Genehmigung der Überstunden.


Praxistipp

Grundsätzlich befindet sich der Arbeitgeber bei Streitigkeiten bezüglich der Vergütung von Überstunden in einer günstigen Position. Er kann zunächst abwarten, ob der Beschäftigte seinen Anspruch überhaupt substanziieren kann. Das Risiko einer Klage liegt aufgrund der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast deutlich auf Seiten der Mitarbeiter. In der täglichen Praxis ist aber Vorsicht geboten: Ein Arbeitnehmer kann auch dadurch Vergütung geltend machen, indem er darlegt, dass das Unternehmen Überstunden geduldet hat und dann keine Vorkehrungen gegen die Leistung weiterer Mehrarbeit getroffen hat. Zwar muss auch hier zunächst der Beschäftigte darlegen, wer wann von welchen Überstunden Kenntnis erlangt hat – dann ist es aber Sache des Arbeitgebers darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung nicht gewollter weiterer Überstunden ergriffen hat. Dies sollte daher in derartigen Konstellationen sorgfältig festgehalten werden, z. B. durch Dokumentation einer Direktive, keine weiteren Überstunden ohne ausdrückliche Anweisung zu leisten.

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Fotocredit: © BirgitH | www.pixelio.de
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | Ausgabe Mai 2014