Derzeit diskutieren viele Unternehmen, wie sie Aufsichtsräte – entsprechend ihrer Mitverantwortung für den langfristigen Unternehmenserfolg – entlohnen sollen. Meinungsverschiedenheiten entzünden sich insbesondere an der erfolgsabhängigen Vergütung und der Frage, inwiefern die Unabhängigkeit der Aufsichtsräte trotzdem gewahrt bleibt.

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Die Chefaufseher der DAX-Unternehmen werden für 2012 im Durchschnitt 312.000 Euro verdienen. Das sind rund 8 Prozent mehr als im Vorjahr, wie die Studie „Aufsichtsratsvergütung DAX 2012“ von Towers Watson zeigt. Der Anstieg hängt zum einen mit dem Unternehmenserfolg zusammen, denn die Vergütung der Aufsichtsräte ist häufig an Kennzahlen wie das Ergebnis pro Aktie gekoppelt. Zum anderen spiegelt dies den individuellen Arbeitsaufwand beispielsweise für die Mitgliedschaft in Ausschüssen sowie Veränderungen in der Zusammensetzung der Vergütung wider.

Fixe und variable Bestandteile: Kontroverse Diskussion um Vergütungsstruktur

Die Vergütungslandschaft im DAX ist also in Bewegung – begleitet von einer kontroversen Diskussion. Im Kern drehen sich die Meinungsverschiedenheiten darum, inwieweit Aufsichtsräte, die für die langfristigen Geschicke des Unternehmens mitverantwortlich sind, den Geschäftserfolg auch an ihrer Vergütung merken sollen. Einige Beobachter sprechen sich dafür aus, Aufsichtsräte mit einer auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg abgestimmten langfristigen variablen Vergütung zu belohnen, so dass sie dementsprechend bei Misserfolgen auch entsprechende Einbußen in ihrer Vergütung hinnehmen müssen. Andere Stimmen hingegen befürworten eine feste Aufsichtsratsvergütung – unabhängig davon, ob das Unternehmen rote oder schwarze Zahlen schreibt.

Die Verfasser dieses Beitrags sind folgender Meinung: Als Vertreter der Aktionäre sind Aufsichtsräte in der Regel an einer langfristig positiven Geschäftsentwicklung interessiert. Daher macht es Sinn, dass Aufsichtsräte nicht nur qua Vorschrift mit den Aktionären „an einem Strang ziehen“. Vielmehr sollten Kapitalgesellschaften sie auch für einen – im Sinne der Aktionäre – nachhaltigen Unternehmenserfolg honorieren.

Befürworter einer festen Aufsichtsratsvergütung halten dem jedoch entgegen, dass Aufsichtsräte zu einer unabhängigen Tätigkeit verpflichtet sind, und dass eine erfolgsabhängige Vergütung dem widerspräche. Doch ist ein Aufsichtsrat unabhängig, nur weil er ausschließlich ein festes Honorar erhält?

Unabhängig heißt aus Sicht der Verfasser, dass ein Aufsichtsrat frei von Interessenskonflikten agieren soll. Dazu ist er durch Gesetz und Corporate Governance Kodex ohnehin verpflichtet. Eine variable Vergütung steht dem keineswegs entgegen, sofern sie auf die langfristige Unternehmensentwicklung abstellt und an objektiv nachvollziehbare Kriterien (wie zum Beispiel EBIT, Gewinn vor Steuern oder die Steigerung des Aktienkurses im Branchenvergleich) gekoppelt wird. Zudem sind Aufsichtsräte – anders als beispielsweise Wirtschaftsprüfer – nicht eine unternehmensexterne dritte Kontrollinstanz, sondern ein Organ des Unternehmens, das wesentlich für Strategie und Geschäftsentwicklung mitverantwortlich ist. Gerade deshalb sollten Organisationen – wie bei Unternehmensvorständen auch – einen Teil der Vergütung daran knüpfen, dass die Aufsichtsräte vorab definierte langfristige Unternehmensziele erreichen.

Neugestaltung der Aufsichtsratsvergütung nach Änderung im Corporate Governance Kodex

Als Reaktion auf diese Grundsatzdiskussionen hat die zuständige Regierungskommission  im Mai 2012 die Vorschriften zur Aufsichtsratsvergütung im Deutschen Corporate Governance Kodex angepasst. Der Deutschen Corporate Governance Kodex stellt nunmehr klar und deutlich fest, dass variable Vergütungselemente auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausgerichtet sein sollen. Die zuvor enthaltene explizite Empfehlung, dass die Aufsichtsratsvergütung auch kurzfristig erfolgsorientierte Elemente enthalten solle, haben die Autoren hingegen gestrichen.

Auch einige DAX-Unternehmen haben auf die aktuelle Diskussion reagiert; Insgesamt sechs Unternehmen im DAX haben die Struktur und Höhe der Aufsichtsratsvergütung in 2012 angepasst. Fünf Unternehmen haben auf eine reine Festvergütung umgestellt, während ein Unternehmen die variablen Vergütungselemente stärker langfristig ausrichtet. Einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit ist ein weiteres Unternehmen gegangen, in dem die Aufsichtsratsmitglieder sich selbst verpflichtet haben, 25 Prozent der festen Vergütung in Aktien des Unternehmens zu investieren und diese Aktien über die Dauer des Mandats zu halten. In Folge der Neufassung des Corporate Governance Kodex ist zu erwarten, dass weitere DAX-Unternehmen ihre Vergütungssysteme überarbeiten.

Individueller Arbeitsaufwand stärker honoriert

Die Höhe der Gesamtvergütung eines Aufsichtsrats setzt sich aus dem Fixgehalt, den variablen, am Unternehmenserfolg ausgerichteten Vergütungselementen sowie dem Honorar für die Mitgliedschaft in Ausschüssen (beispielsweise dem Prüfungsausschuss oder dem Präsidialausschuss) und Sitzungsgeldern zusammen. Die höchsten Vergütungen zahlen meistens sehr große Unternehmen, in denen Aufsichtsräte für sehr viele Mitarbeiter und sehr hohe Umsatzzahlen eine Mitverantwortung tragen (VW: 923.000 Euro, Siemens: 584.000 Euro, BMW: 505.000 Euro; jeweils Vergütung des Aufsichtsratsvorsitzenden).

Darüber hinaus kommt bei der Vergütung der individuelle Arbeitsaufwand und der jeweilige Verantwortungsumfang der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder zum Tragen. Deshalb erhält der Aufsichtsratsvorsitzende weiterhin eine höhere Vergütung als der stellvertretende Vorsitzende und ordentliche Mitglieder. Als neue Entwicklung zeichnet sich ab, dass Unternehmen die Ausschusstätigkeit stärker nach Aufgabe, Rolle und Aufwand differenziert vergüten. Aufsichtsratsmitglieder, die in Ausschüssen mitwirken, erhalten eine zusätzliche Vergütung, wobei auch dabei der Ausschussvorsitzende höhere Bezüge als der Stellvertreter oder ein ordentliches Mitglied des entsprechenden Ausschusses bekommt. Zudem ist ein deutlicher Trend zu erkennen, dass Organisationen die Vergütung für den Prüfungsausschuss höher ansetzen als für die restlichen Ausschüsse.

Niedrige Vergütung im internationalen Vergleich

Im internationalen Vergleich verdienen die DAX-Aufseher weiterhin deutlich weniger als ihre Kollegen in der Schweiz (SLI: 1.821.000 Euro) und Großbritannien (FTSE 100: 492.000 Euro). Allerdings sind diese auch intensiver in die Unternehmensführung eingebunden, was das höhere Vergütungsniveau teilweise erklärt. Denn in einem dualen System aus Aufsichtsrat und Vorstand mit getrennten Verantwortlichkeiten und Mitgliedschaften wie in Deutschland erwachsen andere berufliche Anforderungen als in einem Single-Board-System mit Kontrolleuren und operativ tätigen Managern in einem Gremium wie in der Schweiz.

Die Studie
Die Towers-Watson-Studie „Aufsichtsratsvergütung DAX 2012“ untersucht die Aufsichtsratsvergütungen der im DAX notierten Unternehmen. Die Studie wurde zum elften Mal in Folge durchgeführt und bietet die aktuellste Vergütungsprognose. Sie beruht auf Berechnungen von Towers Watson auf Basis von Analystenschätzungen zur Geschäftsentwicklung für 2012 sowie auf den Satzungen der Unternehmen.