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Foto von Benjamin Child

PRAXISTIPP

Bei nicht ganz unerheblichen befristeten Erhöhungen der Arbeitszeit sollten Arbeitgeber darauf achten, dass ein Befristungsgrund i. S. d. § 14 TzBfG vorliegt, z. B. vorübergehender Mehrbedarf. Außerdem kann eine erhebliche befristete Aufstockung der Arbeitszeit als Einstellung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.

Aus “Arbeit und Arbeitsrecht · 2/13”

Konsequenzen

Das BAG präzisierte und erhöhte die Anforderungen: Jedenfalls bei einer erheblichen befristeten Änderung der wesentlichen Arbeitsbedingungen führte es im Rahmen der AGB Vertragskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB die volle Befristungskontrolle des § 14 TzBfG ein – quasi durch die „Hintertür“. Hintergrund ist laut BAG die Wertung des TzBfG, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der befristete die Ausnahme ist. Längerfristige Lebensplanung hängt vom Einkommen ab und dieses wiederum auch von einer unbefristeten Arbeitszeit.

Das BAG verlangt für die betriebsverfassungsrechtliche Frage, ab welcher Grenze eine befristete Aufstockung der Arbeitszeit eine Einstellung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt, eine Dauer von mehr als einem Monat in einem Umfang von mindestens zehn Stunden pro Woche. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 95 Abs. 3 BetrVG und des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG (Beschl. v. 9.12.2008 – 1 ABR 74/07, NZA-RR 2009, S. 260; v. 25.1.2005 – 1 ABR 59/03, AuA 9/05, S. 563). Es liegt nicht fern, dass das BAG auch hinsichtlich der Angemessenheitskontrolle jedenfalls bei einer Aufstockung für mehr als einen Monat um zehn Stunden pro Woche eine erhebliche Erhöhung der Arbeitszeit bejaht und den Sachgrund prüfen wird.

Problempunkt

Die Klägerin war als Teilzeitbeschäftigte bei der Justiz in NRW mit einem Umfang von 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit angestellt. In der Folgezeit stockte sie mit mehreren Ergänzungsverträgen die Arbeitszeit befristet in unterschiedlicher Höhe auf. Mit dem letzten befristeten Vertrag vereinbarten die Parteien eine Aufstockung auf 100 % von Januar bis Ende März 2009. Die Befristung begründete die Arbeitgeberin damit, dass nur vorübergehend freie Haushaltsmittel zur Verfügung stünden. Die Klägerin hält die Befristung für unwirksam. Sie klagte auf Feststellung, dass ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis besteht. Sie beruft sich insbesondere darauf, dass die Befristung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Vor dem Arbeitsgericht und dem LAG war sie erfolglos.

Entscheidung

Das BAG hob die Vorentscheidungen auf und wies den Streit an das LAG zurück, da es nicht abschließend über die Wirksamkeit der maßgeblichen letzten befristeten Arbeitszeiterhöhung entscheiden konnte. Es stellte zunächst fest, dass die Vorschriften des TzBfG bei der Befristung einzelner Vertragsbedingungen nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar sind (BAG, Urt. v. 18.6.2008 – 7 AZR 245/07). Vielmehr erfolgt die gerichtliche Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen unterliegt nach § 307 Abs. 1 BGB einer Angemessenheitskontrolle. Dabei sind die rechtlich anzuerkennenden Interessen beider Vertragsparteien zu bewerten. Nach dem BAG ist es aber im Rahmen der Angemessenheitskontrolle zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, wenn der Befristung der Arbeitszeiterhöhung ein Sachverhalt zugrunde liegt, der die Befristung eines eigenständigen Arbeitsvertrags i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG sachlich rechtfertigen würde. In diesem Fall überwiegt i. d. R. das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitszeit nur befristet zu erhöhen. Lediglich bei außergewöhnlichen Umständen auf Seiten des Arbeitnehmers kommt in Ausnahmefällen eine andere Beurteilung in Betracht (BAG, Urt. v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08).

Das BAG hatte bislang offen gelassen, ob die Parteien eine befristete Arbeitszeiterhöhung auch wirksam vereinbaren können, wenn ein gesonderter Arbeitsvertrag über die Aufstockung nicht durch einen sachlichen Grund gem. § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt wäre. Es stellte jetzt klar, dass jedenfalls bei befristeten Arbeitszeiterhöhungen in erheblichem Umfang ein sachlicher Grund i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegen muss. Anderenfalls ist der Arbeitnehmer nach den Wertungen des TzBfG unangemessen benachteiligt gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das hat zur Folge, dass er verlangen kann, die Arbeitszeit auf Dauer aufzustocken. Das BAG nahm vorliegend bei einer Erhöhung von 50 % auf 100 % der regelmäßigen Arbeitszeit für drei Monate eine solche erhebliche Aufstockung an. Es ließ aber offen, wo die Grenze genau verläuft.

Die Frage, ob die Befristung der Arbeitszeiterhöhung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG sachlich zulässig war, muss nun das LAG prüfen. Als Sachgrund kommen § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (Vertretung) oder Nr. 7 TzBfG (Haushaltsmittel) in Betracht. Dabei hatte das BAG dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Haushaltsbefristung den öffentlichen Dienst nicht gegenüber der Privatwirtschaft ungerechtfertigt privilegiert (Urt. v. 27.10.2010 – 7 AZR 485/09 [A]). Das Gericht musste jedoch nicht mehr entscheiden, nachdem die Parteien den Rechtstreit vor dem BAG für erledigt erklärten. Bei der Bundesagentur für Arbeit gab das BAG einer Entfristungsklage deshalb statt (Urt. v. 9.3.2011 – 7 AZR 728/09). Bei einem gesonderten Vertrag über die Arbeitszeitaufstockung genügt es außerdem, dass der Rechtfertigungsgrund für die Befristung bei Vertragsschluss objektiv vorlag – er muss nicht ausdrücklich im Vertrag genannt sein (BAG, Urt. v. 12.8.2009 – 7 AZR 270/08).