Die klassische Stellenanzeige spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. Doch viele Unternehmen übersehen das enorme Optimierungs-Potenzial. Von der Textgestaltung und den Designelementen über die strategische Platzierung im Stellenmarkt bis hin zur Nutzung fortschrittlicher Technologien und KI-basierter Hilfsmittel – der Roundtable diskutiert die Möglichkeiten, Stellenanzeigen optimal zu gestalten und zu platzieren.

Wie jede Generation haben junge Zielgruppen ihren Style, ihre Fashion, ihre Erwartungen. Was ist bei den Stellenanzeigen mit Blick auf die junge Generation zu beachten?
Wolfgang Achilles: Die Leser sind heute schnell, die jungen noch viel schneller – und wenn sie etwas nicht interessiert, dann sind sie flott wieder weg. Sie wollen es möglichst einfach haben. Interessierte verlieren schnell die Lust, wenn sie erst eine Odyssee hinter sich bringen müssen, um sich zu bewerben. Endlose Registrierungsvorgänge sowie Probleme bei der mobilen Nutzung der Seite führen mit Sicherheit dazu, sie zu vertreiben.
Außerdem wissen wir, dass User eine Stellenanzeige weniger als eine Minute anschauen, bevor sie auf den Button für die Bewerbung drücken.

Kevin Prasse: Gerade die junge Zielgruppe, die über diverse Kanäle zu uns findet, soll sich gleich über XING auf eine Stelle bewerben können, ohne auf die Arbeitgeber-Webseite wechseln zu müssen. Und zwar ohne Friktion. Das ist der Anspruch der Generation Tinder. Da müssen wir mithalten. Außerdem wissen wir, dass User eine Stellenanzeige weniger als eine Minute anschauen, bevor sie auf den Button für die Bewerbung drücken. Deshalb haben wir zum Beispiel die AI-Summary eingeführt, ein Tool, das die Stellenanzeige zusammenfasst. Das ist ein echter Spagat: Die Hürde, sich über XING zu bewerben, soll so niedrigschwellig wie möglich sein, aber so komplex wie für eine hohe Qualität der Bewerbungen nötig.
Welche Schlüsselfaktoren entscheiden bei Text und Gestaltung über Erfolg oder Scheitern der Stellenanzeige?

Marius Luther: Durch den demographischen Mangel an Arbeitskräften sind viele Fachkräfte von den Unternehmen heiß begehrt. Um die Zielgruppe überhaupt zu erreichen, muss man bei der Formulierung einer Anzeige umso genauer verstehen, was sie möchte. Wir sagen deshalb auch nicht mehr „Stellenanzeige“, sondern „Jobprodukt“. Das muss so formuliert sein, dass die Zielgruppe das „Jobprodukt“ auch tatsächlich haben möchte. Dabei dürfen die wichtigen Infos wie Gehalt, die genauen Arbeitszeiten, der genaue Schichtplan natürlich nicht fehlen. Man würde ja auch kein Produkt im E-Commerce Store ohne Preisangabe und Größe einstellen.
Was meinst du genau damit?

Tom Wiegand: Im Titel muss ganz konkret stehen, worum es geht. Was sind die Aufgaben und Anforderungen? Welche Zertifizierungen braucht man, um diesen Job ausführen zu können? Ansonsten empfehle ich, die Anforderungen nicht zu hoch zu schrauben und „Kann-Anforderungen“ lieber unter „Nice to Have“ einzusortieren. So ermutigt man die Zielgruppe, sich zu bewerben, auch wenn nicht 100 Prozent der Anforderungen erfüllt werden könne. Aber mir ist noch ein anderer Punkt wichtig: Etliche Unternehmen versäumen es in punkto Gestaltung, den Employer Branding Effekt zu nutzen.
Es fehlen in den Anzeigen oft das Logo sowie der Unternehmensname. Dabei wäre die visuelle Untermauerung mit ansprechenden Fotos ein wichtiger Punkt. Im Hightech-Bereich, in dem wir unterwegs sind, beobachte ich das immer wieder. Die Menschen wollen doch wissen, mit welchen Produkten sie im Unternehmen arbeiten. Geht es um ein Pharmazeutikum, das Leben rettet, oder um die Produktion von Kriegsgerät, das dafür sorgt, dass Menschen hierzulande hoffentlich weiter in Frieden leben können. Konsumgüterherstellern kann ich nur empfehlen, die Produkte abzubilden, die sie herstellen. Der Wiedererkennungseffekt ist nicht zu unterschätzen. Die Menschen identifizieren sich schneller, wenn sie in der Stellenanzeige ein Produkt sehen, das sie zuhause täglich verwenden.
Konsumgüterherstellern kann ich nur empfehlen, die Produkte abzubilden, die sie herstellen. Der Wiedererkennungseffekt ist nicht zu unterschätzen.
Ich kann übrigens nur davon abraten, den internen Jobjargon in den Titel zu hieven. Talente außerhalb des Unternehmens wissen dann gar nicht, worum es geht und klicken sofort weiter.
Achilles: Die ganze Anzeige steht und fällt mit dem Titel. Ist dieser schlecht gewählt, dann wird auch die Anzeige nicht gelesen. Ich kann übrigens nur davon abraten, den internen Jobjargon in den Titel zu hieven. Talente außerhalb des Unternehmens wissen dann gar nicht, worum es geht und klicken sofort weiter. Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Unternehmen, die aus begehrten Branchen kommen oder für diese arbeiten, wie Zulieferer der Luftfahrt, sollten das nutzen und im Titel kommunizieren.
Andere häufig gemachte Fehler: Der konkrete Arbeitsort ist nicht genannt. Großunternehmen haben in einer Stadt oft mehrere Arbeitsstellen. Bei welcher ist der Job denn nun genau? Liegt der zufällig an der Buslinie, die vor der eigenen Haustüre vorbeifährt, dann kann das ein entscheidendes Kriterium sein. Ein Killer ist auch, wenn die Anzeigen mehr Anforderungen als Benefits enthält. Für die bessere Übersichtlichkeit bitte Aufzählungszeichen verwenden. Und ja, die deutsche Rechtschreibung sollte auch in Stellenanzeigen berücksichtigt werden. Außerdem ist es wichtig, zur Karriereseite zu verlinken, wo Interessierte genau diese Stellenanzeige wiederfinden sollten. Sie muss also zeitgleich geschaltet werden. Ideal wäre auch, zu Tiktok zu verlinken, falls das Unternehmen dort aktiv ist, damit sich junge Menschen schnell ein Bild machen können.
Ideal wäre auch, zu Tiktok zu verlinken, falls das Unternehmen dort aktiv ist, damit sich junge Menschen schnell ein Bild machen können.
Was können Arbeitgeber tun, damit ihre Anzeigen im Netz besser gefunden werden? Ist die Anpassung an Google 4 Jobs die einzige Maßnahme – oder ist noch mehr zu beachten?
Wiegand: Bevor wir bei Google 4 Jobs überhaupt loslegen können, brauchen ja erst einmal die Freigabe der Unternehmen, um die Anzeigen dafür anpassen zu können. Und da beginnt schon ein Teil des Problems, denn viele Unternehmen erteilen diese Freigabe nicht. Die bräuchten wir aber, um die Maschine mit den Informationen füttern. Ein weiteres Problem sind die unternehmensinternen Jobtitel. Ich nenne mal ein Beispiel: Wer im Zeitalter von Algorithmen einen Ninja Developer sucht, wird von Google falsch einsortiert und die Anzeige ignoriert. Denn Ninja steht ja eigentlich für einen japanischen Schattenkrieger. Alleine daran sieht man, wie wichtig es ist, die Anzeigen mit KI oder auch manuell zu optimieren.
Luther: Ehrlich gesagt, stehe ich Google 4 Jobs eher kritisch gegenüber. Uns stellt sich immer wieder die Frage, ob Talente überhaupt selbst suchen. Durch die aktuelle Arbeitsmarktlage haben wir mehr passive Kandidaten, nämlich 60 Prozent, die dann eher auf Instagram oder Youtube ansprechbar sind als auf Google aktiv suchen. Ich würde sagen, dass SEO für einzelne Jobs dort nur bedingt etwas bringt, denn die wenigsten suchen ganz spezifisch. Und man weiß nie, ob die eigene Job-Anzeige auf Platz 1 oder auf Platz 500 erscheint – und warum.
Durch die aktuelle Arbeitsmarktlage haben wir mehr passive Kandidaten, nämlich 60 Prozent, die dann eher auf Instagram oder Youtube ansprechbar sind als auf Google aktiv suchen.
Ein weiteres Problem sind die unternehmensinternen Jobtitel. Ich nenne mal ein Beispiel: Wer im Zeitalter von Algorithmen einen Ninja Developer sucht, wird von Google falsch einsortiert und die Anzeige ignoriert.
Prasse: Ich sehe es ähnlich. Google 4 Jobs klingt erst mal toll. Wir wissen, dass viele Besucher, die über diesen Kanal zu uns gelangen, auf den Bewerben-Button klicken. Doch bei einer Stellenanzeige handelt es sich um eine einzelne Ausschreibung, die gegebenenfalls innerhalb weniger Tage wieder weg ist. Deshalb macht es im Hinblick auf den Kostenaufwand aus meiner Sicht nur begrenzt Sinn. Ich rate eher dazu, in die Firmenseiten oder übergeordnete Themenseiten wie zum Beispiel „Homeoffice“ zu investieren, denn die sind dauerhaft da.
Achilles: Auch ich frage mich, ob sich der Aufwand lohnt und ob das die paar Klicks für einen Job wert ist. Wer allerdings 1000 Anzeigen im Jahr veröffentlicht, für den kann sich das lohnen. Ansonsten würde ich auch dafür plädieren, viel Zeit und Liebe in die Karriereseite zu investieren.

Was tut Ihr als Anbieter von Stellenbörsen, damit Arbeitgeber gefunden werden und wie ist das mit der Erfolgskontrolle?
Luther: Wir wollen für jeden Job unserer Kunden die besten KandidatInnen liefern. Und wenn diese auf Instagram oder Youtube zu finden sind, warum nicht? Wir können so beispielsweise gezielt Menschen ansprechen, die im Umkreis von 30 Kilometern eines Unternehmens wohnen. Außerdem haben wir einen Talentpool mit 3,5 Millionen Mitgliedern aufgebaut, die wir per Whatsapp oder E-Mail informieren, wenn was Passendes für sie reinkommt. Zu unserem Erfolgsgeheimnis gehört auch, dass wir ständig testen. Wir machen unter anderem A/B-Testings bei Formulierungen, oder bei der Zielgruppenansprache. Außerdem checken wir, wer von Facebook, wer von Google kommt. Und was die Erfolgskontrolle anbelangt, prüfen wir im Vorfeld, ob die Talente qualifiziert, interessiert und erreichbar – und damit keine Karteileichen – sind. Wir optimieren darauf, möglichst viele einstellbare Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, das ist für uns die goldene Währung. Am Ende können die Kunden dann selbst ausrechnen, wie viele Einstellungen sie für den Einsatz von beispielsweise 1.000 Euro erzielt haben.
Wiegand: Auch für uns sind die KPIs wichtig. Unsere Kunden können selbst in Echtzeit abrufen, wie viele Klicks die Anzeigen erhalten haben, wie oft sie in allen Medien ausgespielt wurden, welche und wie viele Bewerbungen reingekommen sind. Anhand der Daten sehen wir – und unsere Kunden – schnell, ob dieser Kennzahlentunnel funktioniert oder ob andere Zielgruppen angesprochen werden müssen.
Achilles: Das ist richtig, denn am Ende entscheidet ja die Frage: Kam es zu einer Einstellung und worauf ist diese zurückzuführen. Dabei ist mir eines noch wichtig: Da der Weg von der Ausschreibung bis zur Einstellung bekanntlich ein langer Prozess ist, unterstützen wir Unternehmen beispielsweise mit Audits beim Bewerbermanagement. Außerdem stärken wir die Bekanntheit der Unternehmen mit mehr Anzeigen. Wir arbeiten hier mit 500 Partnern zusammen, darunter auch Player wie Golem oder Haufe, Facebook sowie Instagram und für die junge Zielgruppe darf es auch Spotify sein. Wir versuchen, den kleinen Kick zu geben, doch am Ende muss es matchen. Die neu eingestellten Kräfte sollen ja nicht nach drei Tagen schon wieder weg sein.
Inwieweit kann generative KI mit Tools wie ChatGPT oder Midjourney bei der Erstellung von Stellenanzeigen helfen und was ist dabei zu beachten?
Luther: Als Kreativ-Werkzeuge sind sie sehr gut geeignet, beispielsweise für die Formulierung von Stellenanzeigen. Wir geben bei ChatGPT die verschiedenen Eckdaten ein und das System schreibt die Anzeige automatisch. Auch Befehle wie: Schreibe mir einen Employer Branding Song für mein Unternehmen oder eine Grußbotschaft an alle, die sich im vergangenen Jahr beworben haben und nochmal angesprochen werden sollen und schon spuckt die KI Vorschläge aus. Midjourney nutzen wir für Bildmaterial. Auf den Prompt „Erstelle mir 10 Bilder mit glücklichen Menschen in ihrer Rolle als Elektriker“ liefert die KI zuverlässig Material. Die Frage, die ich mir stelle: Wie authentisch ist das? Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Mischung aus Mensch und KI gewinnen wird.
Wiegand: Wir haben ein eigenes Large Language Model – kurz: LLM – in Betrieb, das die KI ergänzt, um passende Stellenanzeigen auszuliefern. Es kann auch einen guten Einblick liefern, was im Moment an Stellenanzeigen gesucht wird und was dabei wichtige Kriterien sind. Arbeitgeber sollten das auch nutzen.
Prasse: Wir haben bereits gemerkt, an welchen Stellen ChatGPT seine Grenzen hat, Stichwort Gender-Bias. Daher setzen wir alles daran, herauszufinden, welche Anwendungsfälle wirklich in Frage kommen.
Auf den Prompt „Erstelle mir 10 Bilder mit glücklichen Menschen in ihrer Rolle als Elektriker“ liefert die KI zuverlässig Material.
Achilles: Ähnliche Erfahrungen hat übrigens auch Amazon gemacht. Es hat die KI für den Einsatz der Bewerberselektion gestoppt, weil sie einen Bias gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen entwickelt hat, obwohl das niemand wollte. Ich finde, Daten und KI entwickeln sich eher zum Problem. Und ich sehe es mit Skepsis, ein Matching über KI-erstellte Texte herzustellen. Nicht umsonst ist vor kurzem eine EU-Verordnung in Kraft getreten, die unser Geschäft unter „Hochrisiko“ einstuft, genauso wie den Journalismus. Es muss also immer der Hinweis dabeistehen: Dieser Text wurde mit Hilfe von KI generiert. Die menschliche Kommunikation lebt von Authentizität und die kann KI nicht liefern.
Ich finde, Daten und KI entwickeln sich eher zum Problem. Und ich sehe es mit Skepsis, ein Matching über KI-erstellte Texte herzustellen. Nicht umsonst ist vor kurzem eine EU-Verordnung in Kraft getreten, die unser Geschäft unter „Hochrisiko“ einstuft, genauso wie den Journalismus
Dieses Interview wurde von Elisabeth Priller-Gebhardt geleitet.