Sich von der Masse abzuheben und gezielt auf die Bedürfnisse potenzieller Bewerber einzugehen – das wollen viele Unternehmen. Bewerber interessieren sich heute nicht mehr nur für das Gehalt und die klassischen Benefits, sondern stellen vielschichtigere Anforderungen. Wenn Sie in dieser sich wandelnden Arbeitswelt die besten Talente für sich gewinnen wollen, müssen Sie neue Wege gehen und flexibel auf die veränderten Erwartungen reagieren.
Nachhaltigkeit und ESG: Mehr als ein Trend
Die Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (kurz: ESG) spielen nicht nur in der Unternehmensstrategie, sondern auch im Recruiting eine immer größere Rolle: Hier gab es einen Zuwachs von 7 Prozentpunkten auf 72 Prozent. Bewerber – vor allem jüngere Generationen wie Millennials und Gen Z – legen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit und ethisches Management. Eine einfache Stellenanzeige mit einer Aufzählung der Aktivitäten reicht jedoch längst nicht mehr aus. Unternehmen müssen deutlich machen, dass sie auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Eine Möglichkeit, dies deutlich zu machen, ist die Karriereseite. Bewerber erwarten, dass das Thema Nachhaltigkeit auf der Website präsent ist. Es reicht nicht, „nachhaltig“ in einem Nebensatz zu erwähnen – Unternehmen sollten ihre Maßnahmen sichtbar machen.
„Es muss nicht jeder die Welt retten“
Aber es könnte beispielsweise ein „Green Office“-Konzept vorgestellt werden, bei dem eine umweltfreundliche Bürogestaltung im Vordergrund steht: Nutzung von Ökostrom, Plastikvermeidung, Recyclingprogramme oder die Förderung umweltfreundlicher Arbeitswege wie Jobbikes oder Carsharing. Nur 4 Prozent der Unternehmen bieten einen Solchen Kriterienkatalog an.
Doch nicht nur das bereits Erreichte zählt. Bewerber schätzen es, wenn Unternehmen offen über ihre Ziele sprechen, auch wenn diese erst in der Zukunft erreicht werden können. Ein Unternehmen, das mutig über seine Nachhaltigkeitsvisionen kommuniziert, setzt ein positives Signal.
Besonders wichtig: Konkrete Beispiele nennen und greifbare Projekte vorstellen. Versprechen allein reichen nicht aus – Bewerberinnen und Bewerber merken schnell, ob es sich nur um “Greenwashing” handelt oder echte Überzeugung dahintersteckt.
Purpose und Kultur: Was treibt uns an?
Immer häufiger fragen sich Bewerberinnen und Bewerber: Warum sollte ich gerade für dieses Unternehmen arbeiten? Was unterscheidet es von anderen Arbeitgebern?
Eine bloße Beschreibung der Unternehmensmission reicht hier oft nicht aus. Der „Purpose“ des Unternehmens muss spürbar und greifbar sein. Was ist der tiefere Sinn? Wie trägt das Engagement des Unternehmens dazu bei, die Welt zu verbessern oder die Gesellschaft voranzubringen?
Dabei geht es nicht nur um das große Ganze, sondern auch um die individuelle Rolle jedes einzelnen Mitarbeiters. Welche Bedeutung hat der Job, um den es gerade geht? Warum sollte sich jemand für diese Stelle begeistern? Ein klarer, kommunizierter Purpose kann den entscheidenden Unterschied machen, wenn es darum geht, Talente zu begeistern und zu binden. Es geht nicht mehr nur um Gehalt und Zusatzleistungen – Menschen suchen nach Sinn und wollen wissen, welchen Beitrag sie leisten können. Eine Kultur, die authentisch über ihr Leitbild spricht und dieses in den Alltag integriert, gewinnt das Vertrauen der Bewerber.
Unternehmenswerte und -kultur sollten sich durch die gesamte Candidate Journey ziehen – von der ersten Kontaktaufnahme über die Karriereseite bis hin zum Vorstellungsgespräch. Transparenz und Authentizität sind dabei von entscheidender Bedeutung. Bewerber wollen nicht nur wissen, was das Unternehmen tut, sondern auch, warum es das tut.
Individuell gestaltete Benefits: Was wirklich zählt
Benefits wie ein kostenloser Obstkorb oder ein Firmenwagen sind mittlerweile Standard – und überzeugen nur noch wenige Bewerber, denn bereits 94 Prozent der Unternehmen nennen sie in Online-Stellenanzeigen. 56 Prozent haben sogar mehr Anreize als Anforderungen, jedoch macht Individualität den Unterschied.
Unternehmen, die gezielt auf die Bedürfnisse und Vorlieben ihrer Mitarbeiter eingehen, haben die Nase vorn. Denn nicht jeder Mitarbeiter schätzt die gleichen Leistungen. Der eine freut sich über flexible Arbeitszeiten, der andere legt mehr Wert auf Weiterbildungsmöglichkeiten oder ein attraktives Gesundheitsprogramm.
Ein guter Hack im Recruiting ist es, die Benefits individuell anzupassen. Doch wie lässt sich das konkret umsetzen? Unternehmen können zum Beispiel regelmäßig Umfragen im Team durchführen, um herauszufinden, welche Benefits besonders geschätzt werden. Diese Informationen können dann in den Benefits-Katalog einfließen und potenziellen Bewerbern präsentiert werden. Ein weiteres Beispiel: Warum nicht in der Stellenanzeige oder im Bewerbungsgespräch darauf hinweisen, dass die Benefits zum Teil vom Team selbst mitgestaltet wurden? Ein persönliches Statement wie „Unser Team hat abgestimmt – das sind die beliebtesten Benefits“ schafft Vertrauen und zeigt, dass das Unternehmen auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter eingeht.
Diese Flexibilität kann auch auf die jeweilige Position abgestimmt werden. Was wünschen sich beispielsweise Marketing-Spezialisten im Vergleich zu IT-Experten? Unternehmen sollten sich die Mühe machen, individuell herauszufinden, welche Benefits die größte Wirkung haben.
LinkedIn nutzen: Präsenz und Mehrwert bieten
In der heutigen digitalen Welt reicht es nicht mehr aus, auf LinkedIn nur präsent zu sein. Ein gut gepflegtes Unternehmensprofil ist wichtig, aber noch wichtiger ist das aktive Anbieten von Information und Mehrwert.
Potenzielle Bewerber wollen nicht nur Stellenanzeigen sehen, sondern auch inspirierende Inhalte und authentische Einblicke in das Unternehmen. Nutzen Sie LinkedIn als Plattform, um kontinuierlich relevante Inhalte zu posten, die über reine Selbstdarstellung hinausgehen.
Das kann zum Beispiel bedeuten, Einblicke in die Unternehmenskultur zu geben, Erfolge von Teams zu feiern oder Tipps für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung zu teilen. Eine noch effektivere Strategie ist der Aufbau einer „Ambassador Community“ im Unternehmen. Dabei können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Botschafter des Unternehmens auftreten und aus ihrem Arbeitsalltag berichten. Das schafft Nähe und Authentizität und vermittelt ein ehrliches Bild der Unternehmenskultur.
Eine starke Online-Präsenz mit wertvollen Inhalten zieht automatisch interessierte Talente an, die sich mit den Unternehmenswerten identifizieren können. LinkedIn ist längst nicht mehr nur ein Business-Netzwerk, sondern auch eine Plattform für die Employer Brand.
Schnelle und wertschätzende Kommunikation:
Der erste Eindruck zählt
Die Erfahrung zeigt: Bewerberinnen und Bewerber schätzen schnelle Reaktionen auf ihre Anfragen. In einer Zeit, in der Informationen auf einen Klick verfügbar sind, erwarten sie auch im Bewerbungsprozess eine zeitnahe Rückmeldung. Ein schneller und gut organisierter Kommunikationsprozess kann hier entscheidend sein.
Als Faustregel gilt: Alle Anfragen – auch wenn es sich noch nicht um Bewerbungsunterlagen handelt – sollten innerhalb von drei Werktagen beantwortet werden.
Eine solche proaktive Kommunikation schafft Vertrauen und zeigt, dass das Unternehmen den Bewerber ernst nimmt. Dies gilt insbesondere in der Anfangsphase des Bewerbungsprozesses, wenn potenzielle Kandidaten noch nicht ganz überzeugt sind. Wer schnell und höflich auf erste Anfragen antwortet, vermittelt einen professionellen und wertschätzenden Eindruck – und das kann den Ausschlag geben, sich für ein Unternehmen zu entscheiden.
Fazit: Recruiting neu denken
Das Recruiting der Zukunft muss sich den veränderten Anforderungen anpassen. Bewerber erwarten Nachhaltigkeit, individuelle Benefits, einen klaren Purpose und vor allem eine authentische und transparente Kommunikation. Unternehmen, die diese Punkte ernst nehmen, können sich von der Konkurrenz abheben und die besten Talente für sich gewinnen. Nutzen Sie diese Chancen zur Verbesserung Ihres Recruitings und werden Sie ein attraktiver Arbeitgeber!
Über Agnes Koller
Agnes Koller leitet seit vielen Jahren die Studie Best Recruiters, für die sie die Rekrutierungsprozesse der rund 1.300 umsatz- und mitarbeiterstärksten Arbeitgeber in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert. Darüber hinaus ist Agnes Koller Head of Science Research beim career Institut & Verlag und unterrichtet unter anderem Recruiting im Masterstudiengang HRM an der Fachhochschule Burgenland.