In Zeiten des Fachkräftemangels und dem zunehmenden „War for Talent“ reicht es längst nicht mehr aus, eine Stellenanzeige zu schalten und auf Bewerbungen zu warten. Wer heute erfolgreich Talente gewinnen möchte, muss Recruiting anders denken – dynamischer, datengetriebener und vor allem zielgruppenorientierter.
Ein frischer Blick auf die Herausforderungen im Recruiting kommt ausgerechnet von dort, wo man seit Jahren lernt, wie man Menschen zum Handeln bringt: dem E-Commerce und dem Vertrieb. Marius Luther, Gründer von HeyJobs, zeigt im HRM Hacks Podcast, wie Unternehmen mit Methoden aus dem Sales- und Online-Marketing ihr Recruiting nicht nur effizienter, sondern erfolgreicher gestalten können.
In diesem Artikel erfährst du 5 praxisnahe Hacks, mit denen du dein Recruiting auf ein neues Level bringst – direkt übertragbar aus dem digitalen Vertrieb in die Welt der Bewerbergewinnung.
1. Den Job als Produkt denken – was E-Commerce und Recruiting verbindet
Im klassischen Produktmarketing beginnt alles mit dem Produkt: Was genau biete ich an? Was macht es attraktiv? Welchen Mehrwert hat es für meine Zielgruppe?
Genau diese Denkweise sollten sich Recruiter:innen auch für offene Stellen zu eigen machen. Denn auch eine Stelle ist ein Produkt – und muss als solches vermarktet werden.
Statt rein formale Jobtitel und Aufgabenbeschreibungen zu veröffentlichen, lohnt es sich, in „Kundennutzen“ zu denken. Was spricht potenzielle Kandidat:innen wirklich an?
Das bedeutet konkret:
- Stärken der Position klar herausarbeiten (z. B. flexible Arbeitszeit, starke Teamkultur, Weiterentwicklungsmöglichkeiten)
- Differenzierungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern kommunizieren
- Employer Value Proposition in einfache, aktivierende Sprache übersetzen
Denn: Nur wenn das „Job-Produkt“ überzeugt, kann auch die spätere Kommunikation im Recruiting funktionieren – sei es über Social Media, Jobportale oder Active Sourcing.
2. Zielgruppengerechte Ansprache – wie Performance-Marketing hilft
Erfolgreiches Online-Marketing kennt seine Zielgruppen sehr genau: Alter, Interessen, Online-Verhalten, Kanäle. Warum sollte das im Recruiting anders sein?
Viel zu oft werden Stellenanzeigen breit gestreut – und verfehlen dabei genau die Talente, die Unternehmen eigentlich suchen. Wer jedoch datenbasiert arbeitet und den Funnel denkt, kann sein Recruiting deutlich zielgerichteter gestalten.
Was das bedeutet:
- Wer ist die Zielgruppe für die jeweilige Stelle (z. B. Pflegekräfte, Elektriker:innen, Call-Center-Mitarbeitende)?
- Wo hält sich diese Zielgruppe auf – digital und analog?
- Welche Botschaften sprechen diese Menschen emotional und rational an?
Performance Recruiting nutzt diese Informationen, um zum Beispiel passende Anzeigen auf Facebook, YouTube oder Instagram auszuspielen – genau dort, wo sich die passenden Kandidat:innen bewegen. Das Ergebnis: bessere Bewerberqualität, höhere Conversion und geringere Streuverluste.
3. Geschwindigkeit als Wettbewerbsvorteil – First Mover gewinnt
Im digitalen Vertrieb gilt: Wer am schnellsten auf einen Lead reagiert, hat die besten Chancen auf einen Abschluss. Genau das lässt sich 1:1 auf Recruiting übertragen.
Denn: Gerade im gewerblichen oder sozialen Bereich entscheiden sich viele Kandidat:innen für das erste überzeugende Angebot. Wer hier mit tagelanger Funkstille auf Bewerbungen reagiert, verliert Talente an schnellere Wettbewerber.
Hack #3: Reaktionszeiten verkürzen – und zwar drastisch.
- Idealerweise sollte eine qualifizierte Bewerbung innerhalb von 15 Minuten bearbeitet werden.
- Wer nicht auf Automatisierung setzen möchte, kann mit einem Werkstudierenden oder Recruiting Assistant den Erstkontakt übernehmen.
- Moderne Tools ermöglichen es, direkt nach Bewerbungseingang eine Nachricht per WhatsApp, E-Mail oder SMS zu versenden – individuell, freundlich und verbindlich.
Die persönliche Note bleibt dabei entscheidend: Auch wenn Vorqualifizierung automatisiert abläuft, sollte die Kontaktaufnahme möglichst menschlich sein – empathisch und im Dialog.
4. KI-gestütztes Lead Scoring – Fokus auf die richtigen Kandidat:innen
Nicht jede Bewerbung ist gleich wertvoll – das gilt im Vertrieb wie im Recruiting. Während ein Vertriebsteam mithilfe von „Lead Scoring“ entscheidet, welche Kontakte besonders vielversprechend sind, kann auch ein Recruiting-Team diese Methode adaptieren.
So funktioniert es im Recruiting:
- Im Bewerbungsprozess werden gezielte Screening-Fragen gestellt (z. B. Sprachkenntnisse, Erfahrung, Gehaltsvorstellung)
- Eine KI oder ein intelligenter Algorithmus bewertet die Antworten und gibt eine Art Eignungsscore aus
- Auf dieser Basis können Recruiter:innen gezielt die Bewerbungen mit hohem „Fit“ priorisieren und sofort den persönlichen Kontakt herstellen
Das spart Zeit, reduziert Streuverluste und sorgt dafür, dass keine „Perlen“ im Bewerbungseingang untergehen.
5. Vorstellungsgespräche mit Bedarfsanalyse starten – wie im Sales
Viele Interviews starten direkt mit Fragen zur beruflichen Laufbahn, fachlichen Kompetenzen und klassischen Stationen im Lebenslauf. Doch wer erfolgreich rekrutieren möchte, sollte das Gespräch anders aufbauen: mit einer Bedarfsanalyse.
Was bedeutet das konkret? Im Vertrieb fragt man zuerst: „Was brauchst du wirklich?“ „Was ist dir wichtig?“ Diese Haltung lässt sich auch auf Vorstellungsgespräche übertragen.
So gelingt eine Recruiting-Bedarfsanalyse:
- Offene Fragen stellen: „Was war Ihnen in früheren Jobs besonders wichtig?“ „Was motiviert Sie langfristig?“
- Zuhören statt überreden: Ziel ist es, ehrliches Interesse am Menschen zu zeigen, nicht einseitig zu „verkaufen“
- Relevante Benefits gezielt ansprechen: Wer weiß, dass dem Bewerbenden flexible Arbeitszeiten wichtig sind, kann diesen Aspekt gezielt herausstellen
Ein zusätzlicher Hack: Die finale Frage am Ende des Interviews.
„Wenn wir Ihnen heute ein Angebot machen würden – würden Sie es annehmen?“
Diese Frage wirkt nicht nur verbindlich, sondern hilft auch, offene Bedenken oder Hürden zu identifizieren, bevor sie später zum Absagegrund werden.
Fazit: Recruiting braucht Sales-Mindset – und Menschlichkeit
Recruiting ist heute mehr denn je vergleichbar mit gutem Vertrieb: Es geht darum, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu erkennen, ein überzeugendes Angebot zu machen und in der richtigen Tonalität und Geschwindigkeit zu kommunizieren.
Wer sich bei der Gestaltung von Bewerbungsprozessen, Stellenanzeigen und Vorstellungsgesprächen an Methoden aus E-Commerce und Sales orientiert, erhöht die Chance auf erfolgreiche Einstellungen erheblich – vor allem in Engpassberufen.
Gleichzeitig zeigt Marius Luther im Podcast deutlich: Technologie kann unterstützen – aber der Mensch bleibt entscheidend. Vertrauen, Empathie und echtes Interesse am Gegenüber sind das, was den Unterschied macht.