MODERNES RECRUITING IM DIGITALEN ZEITALTER

In der Welt des Recruitings sind herkömmliche Methoden nicht mehr ausreichend. Die Beziehung zwischen Recruitern und Bewerbern erfordert eine neue Definition von „Augenhöhe“. Egal ob durch schnelle Kommunikation, transparente Prozesse oder die Wahl der richtigen digitalen Plattform – es ist entscheidend, die Signale des modernen Arbeitsmarktes zu erkennen und entsprechend zu handeln. Erfahren Sie, wie Unternehmen wie Workwise die Beziehung zu Bewerbern neu definieren und welche Rolle Social Media und Messenger-Dienste in der Talentakquise spielen.

Ein paar Zentimeter nach rechts. Dann den Kopf leicht nach unten kippen. Fast passt es. Nur noch das Kinn eine Nuance heben. Oder doch besser die Wasserwaage aus dem Firmenkeller holen? Warum zieht die Bewerberin eigentlich die Augenbrauen so skeptisch nach unten? Ich meine es doch gut mit ihr. Im übertragenen Sinne verdeutlicht die fiktive Szene: Augenhöhe zwischen Recruiter:innen und Bewerber:innen kann nicht nach Schema F hergestellt werden. Vielmehr geht es um eine deutlich erkennbare Haltung – verbunden mit darauf abgestimmten internen Prozessen. Sven Zepf, Talent Acquisition Manager bei Workwise, nennt ein Beispiel: „Schnelle Reaktionszeiten sind uns extrem wichtig. Wir signalisieren den Bewerber:innen, dass wir ihre Bewerbung erhalten haben und teilen ihnen zeitnah mit, wie und wann es weitergeht. Tritt eine Verzögerung auf, etwa weil Kolleg:innen im Urlaub sind, informieren wir die Bewerber:innen darüber und geben ihnen einen Zeitpunkt für die nächste Kommunikation.“

Schnelle Reaktionszeiten sind uns extrem wichtig. Wir signalisieren den Bewerber:innen, dass wir ihre Bewerbung erhalten haben und teilen ihnen zeitnah mit, wie und wann es weitergeht.

Die schnellste Kommunikation bringt nichts, wenn die übermittelten Infos schwammig oder falsch sind. Für Zepf sei daher auch Transparenz ein wichtiger Baustein für Wertschätzung: „Ich informiere Bewerber:innen über jeden Schritt des Prozesses. Dabei verzichte ich auf Floskeln und kommuniziere konkret. Zum Beispiel: Wir laden dich zu einem ersten Kennenlerngespräch ein. Es findet über dieses Medium statt und zu diesem Zeitpunkt erhältst du den Link für das Gespräch.“

Thematisch auf Augenhöhe begibt sich dort, wer Einblicke in Abteilungen bietet oder konkrete Benefits für die Mitarbeiter:innen vorstellt.

DIE LIEBLINGS-APPS DER JUNGEN ZIELGRUPPEN NUTZEN

Apropos Medium: Augenhöhe beginnt weit vor dem Bewerbungsgespräch. Im aktuellen Trendence-HR-Monitor geben 40 Prozent der Schüler:innen in Deutschland an, ihnen helfe Werbung auf Social-Media-Kanälen, auf Arbeitgeber aufmerksam zu werden. Ganz vorne stehen dabei Instagram, YouTube und TikTok. Das hat jedoch noch nicht jedes Unternehmen verinnerlicht. Denn nur jede:r fünfte Befragte hat bislang etwa auf TikTok einen Arbeitgeber angetroffen. „Thematisch auf Augenhöhe begibt sich dort, wer Einblicke in Abteilungen bietet oder konkrete Benefits für die Mitarbeiter:innen vorstellt“, rät Trendence-Geschäftsführer Robindro Ullah. Über das Aufgreifen individueller Interessen der User:innen entsteht ebenfalls eine gemeinsame Ebene.

PLÖTZLICHE STILLE: UNTERNEHMEN GHOSTEN GERNE

Das Trendence-Institut veröffentlichte kürzlich in seinem TrendenceMonitor unter der Überschrift „Kandidaten-Ghosting in Zeiten des Fachkräftemangels“ erstaunliche Fakten. Demnach bemängeln knapp mehr als die Hälfte der befragten 2.000 Bewerbenden, mindestens einmal von einem Arbeitgeber in der Bewerbungsphase geghostet worden zu sein. Dieser Wert trifft ebenso auf begehrte Fachkräfte wie Ingenieur:innen und IT-Spezialist:innen zu. Umgekehrt sagen 17,5 Prozent der Bewerbenden, den Kontakt zu einem Arbeitgeber schon einmal aus dem Nichts beendet zu haben. Am häufigsten geschieht das nach dem ersten Vorstellungsgespräch. Robindro Ullah, Geschäftsführer des Trendence-Instituts, geben die Ergebnisse zu denken: „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels kann es sich eigentlich kein Unternehmen erlauben, den Kontakt zu Kandidat:innen einfach abzubrechen. Dabei ist es egal, ob diese einen guten oder schlechten Eindruck hinterlassen. Eine unverbindliche Kommunikation spricht sich schnell herum und belastet so das Image des Arbeitgebers, was die Bewerberzahlen negativ beeinflusst.“

Neben Bilder- und videobasierten Communities gewinnen Messengerdienste in der Kommunikation mit Bewerber:innen an Bedeutung. Für jüngere Generationen sind WhatsApp & Co zum täglichen Begleiter geworden. „Messenger helfen, das Recruiting mobiler, einfacher und persönlicher zu gestalten. Das E-Mail-Postfach ist häufig voll und überraschende Anrufe werden zunehmend als unangenehm empfunden. Die Response-Rate auf WhatsApp beträgt dagegen fast hundert Prozent“, erläutert Matthias Mehner, Geschäftsführer von MessengerPeople. Die BMW Group betreibt etwa den WhatsApp-Kanal „Ausbildung und duales Studium“ und teilt dort Ratschläge zum Bewerbungsgespräch, inklusive Sprachnachrichten und Videos. Mitarbeiter:innen fungieren als Testimonials.

Messenger helfen, das Recruiting mobiler, einfacher und persönlicher zu gestalten. Das E-Mail-Postfach ist häufig voll und überraschende Anrufe werden zunehmend als unangenehm empfunden.

SICH BEWUSST AUF DAS GEGENÜBER EINLASSEN

Und wenn es dann so weit ist – und das Job-Interview startet? „Dann stelle ich gegenüber den Bewerber:innen klar, dass es einen Grund hat, dass ich ihn oder sie eingeladen habe“, sagt Sven Zepf. Auch einen Mutmacher hält er parat: „Ich glaube, dass das passen könnte und möchte herausfinden, ob das stimmt.“ Um Bewerber:innen auf sie zugeschnitten ansprechen zu können, studiere Zepf vorab Profil und Werdegang der Kandidat:innen und stelle ausschließlich darauf basierende Fragen. Ein Rollentausch lockert die Stimmung auf und ebnet Hierarchien ein. Die Kandidatin interviewt dann den Recruiter und befragt ihn zum Unternehmen, inklusive ihrer Wünsche und Erwartungen. Beim Abschluss des Gesprächs können laut Workwise-Recruiter Zepf beide Parteien durchaus mit offenen Karten spielen: „Ich kommuniziere so transparent wie möglich meinen Eindruck. Wenn ich mir ganz sicher bin, dass es nicht passt, sage ich direkt im Gespräch ab. Wenn es jedoch ein Match ist, sage ich das auch und frage die Kandidat:innen nach deren Eindruck.“ Wetten, dass dieser bislang immer besser gewesen ist als bei unserem Vermessungstechniker aus der Einleitungsszene?

Autor: Dr. André Gärisch

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