Im Windschatten der europäischen Vorgaben hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt seine Rechtsprechung bezüglich der Abgeltung von offenen Urlaubsansprüchen bei einer Kündigung überarbeitet. Demnach müssen Beschäftigte die Bezahlung nicht mehr innerhalb des laufenden Kalenderjahres bzw. im Falle einer Erkrankung innerhalb der ersten drei Monate des Folgejahres einfordern. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch falle als reiner Geldanspruch nicht unter das Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes, so die Richter – und zwar unabhängig davon, ob der Beschäftigte arbeitsfähig ist oder nicht.
Damit hat das BAG einem Operating-Manager Recht gegeben, dem zum Ende seiner Beschäftigung am 31.7.2008 noch 16 Tage Urlaub zustanden. Der Mann hatte allerdings erst im Januar 2009 eine Abgeltung des Urlaubs verlangt, weshalb sein Arbeitgeber und die Vorinstanzen die Meinung vertraten, der Anspruch sei nicht mehr gegeben. Nach Ansicht der Richter bestehen keine sachlichen Gründe, warum für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere Regeln für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten sollen als für einen arbeitsunfähigen Beschäftigten. Daher sei die so genannte Surrogatstheorie, wonach die Frist für die Abgeltung die Frist für den Urlaubsantritt ersetzt, auch für arbeitsfähige Mitarbeiter nicht mehr zeitgemäß (Az.: 9 AZR 652/10).
Quelle: www.lohn-praxis.de, von Oliver Stilz, 26. Juni 2012

Wechselt ein Unternehmen während laufender Tarifvertragsverhandlungen innerhalb eines Arbeitsgeberverbandes von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine ohne Tarifbindung, sind spätere gegen dieses Unternehmen gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen zum Abschluss eines Verbandstarifvertrages unzulässig. Voraussetzung ist jedoch, dass das Unternehmen die Gewerkschaft über diesen Statuswechsel informiert hat. Über den Fall eines Unternehmens der Verpackungsindustrie hatte jüngst das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. Der Betrieb war bis zum 29.3.2009 tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband Druck und Medien Hessen e.V. (VDMH). Mit Wirkung zum 30.3.2009 wechselte er in eine nicht-tarifgebundene Mitgliedschaft und wurde zudem Mitglied im Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen (VPU). Die Gewerkschaft ver.di wurde über diesen Statuswechsel unterrichtet.
Dennoch rief die Arbeitnehmervertretung Ende Mai 2009 die Beschäftigten des Verpackungsherstellers zu einem eintägigen Warnstreik auf, um eine Lohnerhöhung in der Druckindustrie durchzusetzen. Das Unternehmen forderte daraufhin von der Gewerkschaft Schadensersatz in Höhe von 35.000 Euro. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, erklärte das BAG den Warnstreik für rechtswidrig und den Schadensersatzanspruch damit grundsätzlich als berechtigt. Der Wechsel der Mitgliedschaft sei hinreichend transparent und damit tarifrechtlich wirksam gewesen, so die Richter (Az.: 1 AZR/775/10). Das LAG Berlin-Brandenburg muss nun die tatsächliche Schadenshöhe und den entsprechenden Ausgleich feststellen.
Quelle: www.lohn-praxis.de, von Andrea Diederich, 10. Juli 2012
Will ein Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche wegen einer durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) begründeten Benachteiligung geltend machen, gilt nach § 15 Absatz 4 AGG eine Zweimonatsfrist. Wird eine Bewerbung abgelehnt, so beginnt die Frist in dem Moment, in dem der Bewerber von der Benachteiligung erfährt. Im konkreten Fall suchte ein Unternehmen im November 2007 per Stellenanzeige „motivierte Mitarbeiter/innen“ im Alter von 18 bis 35 Jahren. Eine damals 41-jährige Frau bewarb sich dennoch und erhielt am 19.11.2007 eine telefonische Absage. Am 29.1.2008 erhob die Frau Klage beim Arbeitsgericht Hamburg und forderte eine Entschädigung sowie Ersatz der Bewerbungs- und Prozesskosten.
Wie in den Vorinstanzen blieb die Klage auch vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Zuvor hatte das Landesarbeitsgericht Hamburg bereits vom EuGH prüfen lassen, ob die im AGG geregelte Zweimonatsfrist mit europäischem Recht vereinbar sei. Nach der Entscheidung des EuGH hatte das LAG die Bestimmung für wirksam erklärt, was nun auch die Richter am BAG bestätigten. Da die Frau bereits am 19. November von ihrer Benachteiligung erfahren hatte, aber erst am 29. Januar Klage einreichte, habe sie sich nicht an die geltende Zweimonatsfrist gehalten und daher keinen Anspruch mehr auf eventuelle Entschädigungszahlungen, so die Richter (Az.: 8 AZR 188/11).
Quelle: www.lohn-praxis.de, von Andrea Diederich, 10. Juli 2012