Bestanden innerhalb des Sechsmonatszeitraums der Wartezeit mehrere Arbeitsverhältnisse, sollten Arbeitgeber nicht vorschnell eine Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes verneinen. Es gilt, sorgfältig zu prüfen, ob die Beschäftigungszeiten zusammenzurechnen sind. Das Fehlen klarer zeitlicher Höchstgrenzen verstärkt die Rechtsunsicherheit. Im Zweifel sind die Maßstäbe des Kündigungsschutzgesetzes bei der Entscheidung zu berücksichtigen, um das Risiko einer unwirksamen Kündigung zu minimieren.
 

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RA und FA für Arbeitsrecht Benjamin Butz, Meike Rehner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Pusch Wahlig Legal, Berlin
 
 
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 8/12

Das BAG wies die Revision der Beklagten als unbegründet zurück. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die ordentliche Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst. Die Wirksamkeit der Kündigung war nach deutschem Kündigungsschutzrecht zu beurteilen und sozial ungerechtfertigt. Die Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG hatte der Kläger erfüllt. Die Beschäftigungszeiten des Klägers unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 7.4.2008 waren trotz der zwischenzeitlichen Vertragsänderungen zu berücksichtigen. § 1 Abs. 1 KSchG schließt es nicht unter allen Umständen aus, Beschäftigungszeiten aus einem vorangehenden Arbeitsverhältnis auf die Wartezeit anzurechnen.

Der Wortlaut der Vorschrift, wonach jede rechtliche Unterbrechung schädlich ist, wird dem Sinn und Zweck der Wartezeit nicht gerecht. Sie soll es den Arbeitsvertragsparteien ermöglichen, für eine bestimmte Dauer zu prüfen, ob sie sich längerfristig binden wollen. Dieses Ziel verlangt nicht, die Wartezeit bei jeder noch so kurzen rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses neu beginnen zu lassen.
 
Es ist daher für den Lauf unerheblich, wenn innerhalb des Sechsmonatszeitraums zwei oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, die ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinander folgen. Davon ist auszugehen, wenn sich die Beschäftigung des Arbeitnehmers nahtlos fortsetzt. Dies gilt auch, wenn dieser während der Wartezeit verschiedenartige Tätigkeiten ausübt.

Fehlt es an einer nahtlosen Fortsetzung, kann selbst eine rechtliche Unterbrechung unschädlich sein – vorausgesetzt sie ist verhältnismäßig kurz und es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen. Es gibt keine feste Dauer des möglichen Unterbrechungszeitraums. Je länger die Unterbrechung, desto gewichtiger müssen die Umstände sein, die für einen engen sachlichen Zusammenhang sprechen.
 
Für die Anrechnung von Beschäftigungszeiten aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis ist es zudem grundsätzlich unerheblich, ob dieses einem anderen Arbeitsvertragsstatut unterlag. § 1 Abs. 1 KSchG ist in seiner Anwendung nicht auf Arbeitsverhältnisse beschränkt, für die durchgehend deutsches Recht galt. Es entspricht vielmehr allgemeinen Grundsätzen des Internationalen Privatrechts, nach einem Statutenwechsel die Rechtslage anhand des „neuen“ Vertragsstatuts – hier das deutsche Recht – zu beurteilen.

Die Entscheidung des BAG erweitert den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Ob mehrere unmittelbar aufeinanderfolgende Arbeitsverhältnisse innerhalb des Sechsmonatszeitraums vorliegen, ist für den Lauf der Wartezeit ebenso unerheblich wie die zwischenzeitliche Geltung ausländischen Rechts. Rechtliche Unterbrechungen der Beschäftigung führen nur zum Neubeginn der Wartezeit, wenn sie erheblich sind. Feste zeitliche Grenzen existieren nicht. In früherer Rechtsprechung sah das BAG einen Unterbrechungszeitraum von sechs Wochen als erheblich an (Urt. v. 28.8.2008 – 2 AZR 101/07). Zu berücksichtigten sind daneben auch der Anlass der Unterbrechung sowie die Art der Weiterbeschäftigung.

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Die in Lettland ansässige Beklagte hatte mit dem Kläger am 7.4.2008 einen unbefristeten, in lettischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrag geschlossen. Dieser wurde zum 4.7.2008 aufgehoben. Mit Wirkung zum 7.7.2008 begründeten die Parteien ein neues Arbeitsverhältnis.

Der Arbeitsvertrag war in deutscher Sprache abgefasst und auf ein Jahr befristet. Im Dezember 2008 kündigte die Beklagte dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen. Dieser erhob Kündigungsschutzklage.

Zwischen den Parteien war streitig, ob der Kläger die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt hat und damit in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt. Entscheidende Bedeutung kam der Frage zu, ob die unter Geltung des Arbeitsvertrags vom 7.7.2008 geleisteten Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Wartezeit zu berücksichtigen waren. Das Arbeitsgericht verneinte dies und wies die Kündigungsschutzklage ab. Das LAG gab ihr statt.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 8/12