Während wir die Artenvielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt allgemein als wertvolles Gut ansehen, das es zu schützen gilt, fällt es uns interessanterweise sehr oft schwer, die Andersartigkeit zu akzeptieren, die unsere Kollegen aufgrund verschiedener Hintergründe, Sozialisierungen, Lebenserfahrungen und kultureller Prägungen in eine Teamarbeit einbringen. Unterschiedliche Meinungen, Herangehensweisen, Arbeitsstile, Verhaltensweisen und Umgangsformen im Kollegenkreis erschweren uns den Arbeitsalltag.

selective focus photography of people sitting on chairs while writing on notebooks
Foto von The Climate Reality Project

 

Konfliktfähigkeit gewinnt an Bedeutung

Mit dieser Vielfalt positiv umzugehen, ist ein Gebot unserer Zeit. Der Harvard-Ökonom David Deming veröffentlichte im Mai 2017 eine viel beachtete Untersuchung mit dem Titel „Die wachsende Bedeutung von sozialen Fähigkeiten am Arbeitsmarkt“. Darin zeigt der Wirtschaftswissenschaftler auf, dass soziale Intelligenz, also die Fähigkeit, mit anderen empathisch und respektvoll zu interagieren, zunehmend wichtiger wird. Deming prognostiziert: „Hoch bezahlte Jobs erfordern zunehmend auch „Social Skills“. Ein Vorteil: Berufe, in denen diese Kompetenzen gefordert sind, können nicht so schnell durch künstliche Maschinenintelligenz ersetzt werden.

Ein Konflikt ist Emotion pur. Die meisten Mitarbeiter haben nicht gelernt, wie sie mit negativen Emotionen bei sich und anderen umgehen können. Wen wundert es also, dass sie beleidigt schmollen oder zum sturen Esel werden, eine Mauer aufbauen und nicht bereit sind, nachzugeben, wenn sie jemand auf dem falschen Fuß erwischt? Doch mit diesem Verhalten fügen sie sich selber enormen Schaden zu. Denn nicht wir haben einen Konflikt, sondern der Konflikt hat uns – und macht mit uns, was er will. Er rüttelt und schüttelt unsere Seelenruhe ordentlich durcheinander.

 

Sehen Sie selbst …

Acht triftige Gründe, warum Mitarbeiter ihre Konflikte lösen sollten

1. Spontaner Stimmungswandel

Ein Konflikt verhagelt uns schlagartig die (gute) Laune, er vermiest uns den Tag. Waren wir gerade noch gut drauf – offen, fröhlich und entspannt, so ist es, als wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt. Es wird augenblicklich kühler und düsterer. Auch unser Gesichtsausdruck verdunkelt sich. Die Gesichtsmuskeln frieren ein, der Kiefer verkrampft sich, die Mundwinkel hängen trübe nach unten. Wir werden dabei nicht schöner, sondern unansehnlicher.  Ein freundlicher, respektvoller und wertschätzender Umgangston ist im Augenblick nicht möglich.

2. Unglaublich viel Aufregung

Heftige Emotionen kommen auf: Wut, Ärger, Verzweiflung, Traurigkeit. Wir fühlen uns ungerecht behandelt, angegriffen, bloßgestellt, missverstanden, ausgenutzt, nicht gesehen und erkannt, ungeliebt, verurteilt, bedrängt. Weil wir der Überzeugung sind, dass wir das nicht verdient haben und der andere nicht das Recht hat, uns so zu behandeln, regt uns das auf. Sind wir aufgewühlt und aufgebracht, übernehmen unsere Emotionen das Steuer über unser Denken und Handeln. Wir sind nun nicht mehr sachlich, objektiv und logisch, sondern werden persönlich, emotional und subjektiv. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist im Augenblick nicht möglich.

3. Explosion oder Implosion

Wir wollen nicht auf unseren Ärger sitzen bleiben, werden strafend und verurteilend. Je nach persönlichem Naturell und Situation explodieren oder implodieren wir.  Bei einer Explosion wendet sich die Energie nach außen. Wir gehen zum Gegenangriff über – mit Worten und Taten. Eine Schimpfkanonade bricht sich Bahn: Mit Schimpfen reagieren wir auf den gefühlten Angriff. Dabei beschießen wir den Gegner mit Worten, bis er ganz kleinlaut wird. Wir lesen jemanden die Leviten, halten ihm eine Standpauke oder eine Moralpredigt, fluchen, klagen an, sind wütend – und können dabei durchaus laut, unfair und verletzend werden.

Bei einer Implosion richtet sich die Energie nach innen. Wir gehen in den Rückzug und bauen einen Schutzwall um uns herum auf. Wir wollen uns vor dem „bösen“ anderen schützen, verschließen uns und gehen emotional auf Abstand. Wir werden streng und hart, kühl und abweisend. Wir strafen den anderen mit Missgunst, Abweisung, Liebesentzug, zeigen ihm die kalte Schulter. Das kollegiale Miteinander wird erheblich gestört. Weitere Konflikte entstehen daraus.

4. Drohender Imageverlust

Wir verlieren nicht nur an äußerer Schönheit und positiver Ausstrahlung, sondern auch an innerer Schönheit und Souveränität. Ein Konflikt bringt unsere dunklen Seiten zum Vorschein. So gesehen macht er uns zu einem schlechteren Menschen. Wir fahren unsere Stacheln aus. Wir verlieren unsere innere Ruhe und Gelassenheit und sind stattdessen außer uns. Statt tolerant und wohlwollend zeigen wir uns dem anderen gegenüber stur, bockig, cholerisch, rechthaberisch und aggressiv. Das nimmt unser Umfeld wahr. Unser Auftreten wirkt weder souverän noch professionell. Es wirkt so, als wären unsere Soft Skills wenig ausgeprägt. Die Einschätzung unserer Gesamtperformance leidet darunter.

5. Enormer Kraft- und Energieeinsatz

Den ganzen Aufruhr gibt es nicht umsonst. Der emotionale Kraftakt verbrät jede Menge Lebensenergie. Das erschöpft uns, zieht uns runter und raubt uns die Tatkraft für anderes. Dann fehlt die Muße für die schönen Dinge und Kraftquellen in unserem Leben. Stattdessen dreht sich das Gedankenkarussell im Kopf und raubt uns  die Ruhe. Der Kopf läuft auf Hochtouren auf der Suche nach einer Lösung. Die Freude an der Arbeit wird getrübt oder geht verloren.

6. Strahlkraft

Auch unbeteiligte Dritte im direkten Umfeld leiden unter den negativen Schwingungen. Sie nehmen die Spannungen wahr, können sie oft nicht konkret zuordnen, machen sich dann ihr eigenes Bild. Meist ist es für sie kaum möglich, unparteiisch zu bleiben und sich nicht in den Konflikt hineinziehen zu lassen. Hinzu kommt, dass wir gereizt reagieren und Unschuldige unseren Frust abbekommen.

Wir entlasten uns von dem enormen inneren Druck bei unseren Vertrauten. Indem wir unser Problem immer wieder ausführlich schildern, lassen wir Dampf ab, holen bei ihnen für unsere Sicht Verständnis, Bestätigung und Bestärkung ein. Gleichzeitig belasten wir unsere Zuhörer mit unserem Problem. Über einen längeren Zeitraum kann dies das Familienleben, die Freundschaft und das kollegiale Miteinander erheblich belasten.
 

7. Unfreiwillige Einschränkungen

Allein die Anwesenheit des Konfliktpartners schränkt uns ein. Deswegen meiden wir Situationen, in denen wir ihnen begegnen könnten. Damit sind wir unfrei. Wir machen unsere Zusage zu einer Einladung, Unternehmung oder einem Projekt davon abhängig, ob der andere auch dabei sein wird.

8. Erhebliche Langzeitfolgen

Auf längere Sicht kann ein Konflikt dramatische Folgen haben. Wir können krank werden, den Spaß an unserer Arbeit verlieren, unseren Lebenspartner, Kinder, Freunde, Hobbies vernachlässigen und unsere Freude am Leben einbüßen.  Ein Konflikt hat das Potenzial, aus uns einen unglücklichen, unfreundlichen, unsympathischen, unlockeren, unzufriedenen, ungesunden, sturen und unentspannten Mitarbeiter zu machen.

Das Problem: falsche Erwartungen

Der natürlichste Weg, einen Konflikt zu klären, ist das direkte Gespräch der Beteiligten. In vielen Fällen wird sich ein Konflikt auf diesem Weg klären und lösen lassen. Doch weil Konfliktmanagement eben Emotionsmanagement ist, wird es immer wieder auch Situationen geben, die sich auf diesem Weg nicht lösen lassen. Ein Grund dafür sind falsche Erwartungen. Um aus der beschriebenen emotionalen Gefangenschaft wieder herauszukommen, erwartet dann jeder eine Einsicht des anderen – eine Entschuldigung und eine Verhaltensänderung für die Zukunft. Wird das nicht erfüllt, bleibt das Problem bestehen. Die Chancen für eine vernünftige und nachhaltige Konfliktlösung durch die Mitarbeiter sind dann sehr gering.


Konfliktlösung ist Chefsache

Konflikte im Privaten können gelöst werden. Konflikte im Job müssen gelöst werden. Denn der betriebswirtschaftliche Schaden ist enorm (Abbildung 1). Letztendlich muss die zuständige Führungskraft einen Konflikt lösen, den Mitarbeiter nicht aus eigenen Kräften bewältigen können oder wollen. Die Personalabteilung steht beratend zur Seite. Doch so mancher Konfliktsituation stehen auch Führungskräfte und Personaler ratlos gegenüber. Das hat damit zu tun, dass Konfliktmanagement Emotionsmanagement ist. Der Umgang mit aufgewühlten Emotionen bei allen Beteiligten hat eigene Regeln. Dafür ist kaum jemand ausgebildet. Zur Not arrangieren wir uns mit den offensichtlichen Reibungsverlusten, statt entschieden dagegen vorzugehen.

 

Was können Personalverantwortliche tun?

1. Verschaffen Sie sich einen Wissensvorsprung

Als Berater der Führungskräfte sollten Sie immer einen kleinen Schritt voraus sein. Sie benötigen ein vertieftes Verständnis über Konfliktentstehung und -lösung. Keinen Plan zu haben und wegzuschauen, ist dann auch in schwierigen Fällen keine Option mehr. Qualifizieren Sie die Personalverantwortlichen zum Thema Konfliktmanagement, damit diese beratend tätig werden können. Entwickeln Sie ein allgemeingültiges Vorgehen bei der Klärung von Konflikten in Ihrem Unternehmen. Definieren Sie einen Stufenplan und legen Sie die Inhalte und die jeweiligen Beteiligten der einzelnen Prozessschritte fest. Qualifizieren Sie die Personalverantwortlichen zum Thema Konfliktmanagement, damit diese beratend das gemeinsam abgestimmte strategische Vorgehen anleiten können. Entscheiden Sie, inwieweit Sie mit einem externen Konfliktberater zusammen arbeiten möchten und/oder interne Konfliktmanager und Mediatoren ausbilden möchten.

2. Holen Sie die Führungskräfte ins Boot

Sensibilisieren Sie im nächsten Schritt die Führungskräfte für die Bedeutung des Themas Konfliktmanagement. Das kann zum Beispiel bei einer „Lunch and Learn“-Veranstaltung geschehen, bei der Sie jeweils einen einstündigen Impulsvortrag anbieten und anschließend zum einem Gedankenaustausch bei einem Flying Buffet einladen. Qualifizieren Sie die Führungskräfte für den Umgang mit Konflikten gemäß Ihrer abgestimmten Vorgehensweise in Form von Präsenzveranstaltungen, Online-Selbstlernkursen oder praxisnahen schriftlichen Anleitungen in Form einer Broschüre.
 

3. Beziehen Sie die Mitarbeiter mit ein

Sensibilisieren und qualifizieren Sie im nächsten Schritt die Mitarbeiter für einen professionellen Umgang mit ihren Konflikten. Schulen Sie ein grundlegendes Verständnis über Konflikte und deren Dynamiken und trainieren Sie deren Lösung in ähnlicher oder gleicher Form.

4. Gestalten Sie eine konstruktive Konfliktkultur

Indem Sie das Thema kontinuierlich in Ihre Unternehmenskommunikation integrieren, schaffen Sie eine konstruktive Konfliktkultur.  Ob in Ihrem Leitbild, Ihren Führungsgrundsätzen, Ihren Mitarbeitergesprächen, Ihren Mitarbeiterbefragungen oder in Ihren Stellenausschreibungen: Der Anspruch des Unternehmens an einen konstruktiven Umgang aller Mitarbeiter mit Konflikten kann sich darin ausdrücken.

Fazit

Fakt ist: Konflikte gehören zum Leben und machen leider auch vor den Betriebstoren nicht halt. Die Reibungsverluste haben einen enormen Preis – persönlicher und betriebswirtschaftlicher Art. Aufgrund des fehlenden Wissens um den Umgang mit aufgewühlten Emotionen verschlimmern wir häufig die Konflikte, während wir uns redlich darum bemühen, sie zu lösen. Nutzen Sie – ganz im Sinne eines lernenden Unternehmens – die positive Kraft von Konflikten. Mit einer konstruktiven Konfliktkultur, geschulten Personalfachkräften, Führungskräften und Mitarbeitern leiten Sie zeitnah notwendige Veränderungen ein und verbessern damit kontinuierlich die Performance.

Webtipps

Checkliste Konfliktmanagement: Beispiel für eine Prozessbeschreibung
https://www.konfliktberaterin.de/produkt-kategorie/broschueren