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PROBLEMPUNKT

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten i. H. v. 18.000 Euro. Der Beklagte ist Pilot bei der Beklagten. Mit dieser schloss er einen Dienstvertrag, der als Vertragsbeginn den „Erstflug Supervision D“ vorsah. Die Musterberechtigung zur Führung dieses Flugzeugtyps erwarb er vor Beginn des Arbeitsverhältnisses in einer etwa zwei Monate dauernden Ausbildung (sog. Type-Rating). Die Kosten hierfür übernahm die Klägerin. Nachdem der Erstflug Supervision D nicht stattgefunden hatte, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägerin. Die Klägerin verlangte die Rückzahlung der Fortbildungskosten aufgrund einer Regelung im Arbeitsvertrag.

Danach ist „der Arbeitnehmer zur vollen Rückzahlung dieser Kosten verpflichtet, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 24 Monaten nach Beendigung des Type-Ratings kündigt, oder wenn er seitens des Arbeitgebers aus wichtigem Grund gekündigt wird.“


ENTSCHEIDUNG

Das BAG wies die Klage ab. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Rückzahlungsklausel ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel knüpft die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Mitarbeiters innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung des Beschäftigten dar, da sie nicht danach differenziert, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers entstammt.

Eine geltungserhaltende Reduktion der Rückzahlungsklausel mit dem Inhalt, dass der Mitarbeiter nur bei einer Eigenkündigung aus Gründen, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind, zur Rückzahlung verpflichtet ist, kommt nicht in Betracht. Ebenso scheidet eine dahin gehende ergänzende Vertragsauslegung aus. Die Klägerin hat auch keinen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB. Der Zweck der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB wird unterlaufen, wenn der Klauselverwender einen vertraglich vereinbarten Rückzahlungsanspruch infolge einer unangemessenen benachteiligenden Vertragsgestaltung verliert, anschließend aber über das
Bereicherungsrecht erreicht.

 

KONSEQUENZEN

Mit der vorliegenden Entscheidung knüpft das BAG an seine bisherige Rechtsprechung des 3. Senats an. Bereits mit einer Entscheidung vom 13.12.2011 (3 AZR 791/09, AuA 9/12, S. 551) hat dieser entschieden, dass eine wirksame Rückzahlungsklausel danach differenzieren muss, aus welcher Verantwortungssphäre die Kündigung stammt. Rückzahlungsklauseln, die auch Eigenkündigungen des Beschäftigten erfassen, deren Gründe der Sphäre des Unternehmens entstammen, sind damit unwirksam. Eine wirksame Klausel setzt daher voraus, dass sie nicht nur danach unterscheidet, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beendet, sondern auch nach dem
Grund des Ausscheidens im Falle einer Eigenkündigung des Mitarbeiters.

In der vorliegenden Entscheidung setzt sich das BAG weiterhin ausführlich mit der Frage auseinander, ob das Unternehmen von dem ausgeschiedenen Beschäftigten die aufgewendeten Fortbildungskosten trotz unwirksamer Rückzahlungsklausel über das Bereicherungsrecht erstattet verlangen kann. Das BAG kommt nach der Prüfung aller in Betracht kommenden Ansprüche des § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ergebnis, dass der Arbeitgeber die aus seiner Sicht wegen der Eigenkündigung des Arbeitnehmers nutzlos aufgewendeten Fortbildungskosten so nicht zurückverlangen kann. Die Entscheidung des BAG ist zwar aus arbeitsrechtlicher Sicht nachvollziehbar begründet, aus rechtspolitischer Sicht aber fragwürdig. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen werden sich in Zukunft sehr genau überlegen, ob sie in die Ausbildung ihrer Belegschaft investieren. Denn selbstverständlich haben sie ein Interesse daran, die für die Durchführung von Fortbildungen finanziell unterstützten Mitarbeiter für die Dauer der Bindungsfrist zu halten, jedenfalls aber bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung die Fortbildungskosten (anteilig) zurückzuverlangen. Das BAG hat mit der vorliegenden Entscheidung die Anforderungen einer Rückzahlungsklausel erhöht und das Risiko für ein fehlgeschlagenes „return on investment“ gesteigert.

Praxistipp

Arbeitgeber müssen Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen sehr sorgfältig gestalten, um im Falle eines Ausscheidens des Arbeitnehmers vor Ablauf der Bindungsfrist nicht „mit leeren Händen“ dazustehen. Voraussetzung für eine wirksame Rückzahlungsklausel ist zum einen die genaue Definition der Voraussetzungen für die Entstehung der Rückzahlungspflicht. Darüber hinaus muss auch die Höhe der zu erstattenden Kosten beziffert sein. Das BAG hat am 21.8.2012 (3 AZR 698/10, AuA 7/13, S. 439) entschieden, dass eine Klausel nur dann wirksam ist, wenn der Beschäftigte bei Abschluss der Fortbildungsvereinbarung die Höhe des Rückzahlungsrisikos bei einem Ausscheiden vor Ablauf der Bindungsfrist abschätzen kann. Dies erfordert, dass zumindest die Art und die Berechnungsgrundlagen anzugeben sind (z. B. Höhe der Gebühren für die Fortbildungsveranstaltung, Kosten der entgeltlichen Freistellung zur Teilnahme an der Fortbildung, Reise- und Unterbringungskosten).

Quelle: Arbeit & Arbeitsrecht 3 | 2014
Link: www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

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