ENTSCHEIDUNG

person sitting near table holding newspaper
Foto von Adeolu Eletu

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Auch die Revision vor dem BAG blieb erfolglos. Die Erfurter Richter stellten fest, dass sich aus den Bestimmungen des BetrAVG keine Verpflichtung ergibt, auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung hinzuweisen. So sehen weder § 1a BetrAVG selbst noch andere Regelungen eine derartige Hinweispflicht des Unternehmens vor. Lediglich § 4a BetrAVG enthält eine Auskunftspflicht, wonach der Arbeitgeber oder der Versorgungsträger dem Mitarbeiter bei Vorliegen eines berechtigten Interesses auf dessen Verlangen mitzuteilen hat, in welcher Höhe aus der bisher erworbenen unverfallbaren Anwartschaft bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze ein Anspruch auf Altersversorgung besteht. Aus dieser Auskunftspflicht kann man jedoch keine weiteren Hinweispflichten herleiten. Auch aus dem Sinn und Zweck der in § 1a BetrAVG geregelten Entgeltumwandlung kann nach dem BAG keine Verpflichtung des Arbeitgebers hergeleitet werden, da der Gesetzgeber, die Entscheidung, künftige Entgeltansprüche in eine bAV umzuwandeln, ausschließlich dem Arbeitnehmer zugewiesen hat. Auch aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht (Fürsorgepflicht) war der Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger von sich aus auf seinen Anspruch auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG hinzuweisen. Zwar ist ein Arbeitgeber gehalten, die Interessen des Arbeitnehmers zu schützen und auf diese Rücksicht zu nehmen, woraus sich auch Hinweispflichten ergeben können. Daher kann er zur Vermeidung von Rechtsnachteilen verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben. Grundsätzlich hat aber jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen. Mitwirkungspflichten des Unternehmens entstehen im Hinblick auf den Entgeltumwandlungsanspruch des Beschäftigten letztlich erst, nachdem dieser sein Verlangen nach Entgeltumwandlung geäu­ ßert hat. Es fehlte vorliegend daher an der für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Pflichtverletzung des Beklagten. Schließlich hat der Beklagte dem Kläger auch keine unvollständigen oder fehlerhaften Auskünfte erteilt, da Letzterer sich zu keinem Zeitpunkt nach der Möglichkeit einer Entgeltumwandlung erkundigt hatte.

PROBLEMPUNKT

Seit dem 1.1.2002 haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung (bAV) durch Entgeltumwandlung. Das bedeutet, dass jeder Mitarbeiter vom Unternehmen verlangen kann, dass ein Teil seiner Vergütung (bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung) durch Entgeltumwandlung direkt für seine bAV verwendet wird. Auch Sonderzahlungen, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, können für den Aufbau einer solchen Zusatzrente genutzt werden, falls der Beschäftigte das wünscht. Die Parteien im vorliegenden Fall stritten darüber, ob der Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet war, weil dieser ihn nicht auf seinen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung hingewiesen hatte. Der Kläger war von Mitte 2000 bis Mitte 2010 beim Beklagten beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte er vom Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, dieser habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn auf seinen Anspruch auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG hinzuweisen. Bei entsprechender Kenntnis seines Anspruchs hätte er 215 Euro monatlich in Leistungen der bAV in Form einer Direktversicherung investieren wollen. Ihm sei daher ein Schaden i. H. v. 14.380,38 Euro entstanden, den er von dem Beklagten ersetzt verlangte.

KONSEQUENZEN

Ein Arbeitgeber muss nach der Entscheidung des BAG einen Mitarbeiter nicht auf dessen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung hinweisen. Es liegt im Verantwortungsbereich des Beschäftigten, wie er über sein Arbeitsentgelt verfügt. Wenn er es für seine bAV verwenden will, obliegt es ihm, die Entgeltumwandlung zu beanspruchen. Der 3. Senat hält in seinem Urteil allerdings fest, dass die für ein Unternehmen erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits bei der Beurteilung stets zu beachten sind. Die Größe des Informationsbedürfnisses des Mitarbeiters hängt insbesondere auch von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie sowie vom Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Vorhersehbarkeit ab. Die vorliegende Entscheidung wäre daher möglicherweise anders ausgefallen, wenn es sich um ein Unternehmen gehandelt hätte, das in der Personalabteilung auf Betriebsrentenrecht spezialisierte Mitarbeiter beschäftigt. Offen lässt das BAG, ob in Unternehmen mit komplexen, schwer durchschaubaren Versorgungssystemen, bei denen nicht erwartet werden kann, dass der Beschäftigte mit deren Ausgestaltung vertraut ist, Hinweispflichten bestehen können. Derartiges trifft laut Gericht auf den Entgeltumwandlungsanspruch jedenfalls nicht zu.

PRAXISTIPP

Wenngleich das BAG geklärt hat, dass eine arbeitgeberseitige Hinweispflicht auf den bestehenden Entgeltumwandlungsanspruch nach § 1a BetrAVG nicht besteht, schließt dies eine freiwillige Information nicht aus. Oftmals bietet es sich sogar an, gemeinsam mit dem Arbeitnehmer über die Ausgestaltung eines Modells der Entgeltumwandlung nachzudenken, da diese Form der Versorgung für den Mitarbeiter sozialversicherungs- und steuerrechtlich interessante Effekte im Hinblick auf die Optimierung seines Arbeitsentgelts hat. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass das Unternehmen fehlerfreie Auskünfte und Informationen erteilt. Gerade im Bereich der bAV besteht die Gefahr, dass sich ein Arbeitgeber durch unvollständige oder fehlerhafte Beratung schadensersatzpflichtig macht, vgl. auch Buttler, AuA 1/15, S. 46 f. RA Marco Stahn, Baker Tilly Roelfs, Frankfurt am Main. 

Foto Copyright: Stefanie Salzer-Decker | www.pixelio.de
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht | 6-2015 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de