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1 Zeugnisanspruch

Ein potenzieller neuer Arbeitgeber wird immer danach schauen: Wer hat das Zeugnis unterschrieben? Enthält es eine Dankes- und Bedauernsformel? Zeugt das Ausstellungsdatum von einem Streit über das Zeugnis? Erfahrene Personaler können aus solchen Formulierungen wichtige Informationen entnehmen. Daher streiten die Parteien in der Praxis – neben dem Wortlaut des Zeugnisses und der Note – oftmals nur auf den ersten Blick um rein formale Aspekte.

Arbeitnehmer, auch geringfügig Beschäftigte und sonstige Teilzeitkräfte, haben Anspruch darauf, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu erhalten. Dies ergibt sich aus § 109 Gewerbeordnung (GewO). Für Auszubildende richtet sich der Anspruch nach § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG), für Dienstnehmer, etwa Geschäftsführer, nach § 630 BGB.

Wichtig

Abzugrenzen vom Arbeitszeugnis sind Bescheinigungen, die der Arbeitgeber aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstellen muss, etwa Arbeitsbescheinigungen nach § 312 SGB III.

2 Ersteller des Zeugnisses

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpfl ichtet, das Arbeitszeugnis zu erstellen. Es ist durch das vertretungsberechtigte Organ (Geschäftsführer, Vorstand) zu unterzeichnen. Zulässig ist es jedoch, diese Aufgabe auf angestellte Vertreter zu delegieren. Dies gilt aber nur, wenn sie erkennbar ranghöher als der zu beurteilende Arbeitnehmer sind (BAG, Urt. v. 16.11.1995 – 8 AZR 983/94). Unzulässig ist eine Unterschrift, die nach ihrer äußeren Gestaltung den Eindruck erweckt, der Arbeitgeber distanziere sich vom Inhalt des Zeugnisses (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 3.8.2005 – 4 Ta 153/05). Außerdem müssen das Vertretungsverhältnis und die Stellung des Unterzeichners im Betrieb gekennzeichnet werden, damit erkennbar ist, dass der Unterzeichner Vorgesetzter des Beurteilten ist (BAG, Urt. v. 16.11.1995 – 8 AZR 983/94). War der Arbeitnehmer unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt, ist das Zeugnis von einem Mitglied der Geschäftsleitung auszustellen, das auf seine Position hinzuweisen hat. Der Zeugnisleser muss „dieses Merkmal ohne weitere Nachforschungen aus dem Zeugnis ablesen“ können (BAG, Urt. v. 26.6.2001 – 9 AZR 392/00).

Verstirbt der Arbeitgeber, haben die Erben ein Zeugnis zu erstellen, soweit ihnen das aufgrund vorhandener betrieblicher Unterlagen oder von Auskünften anderer möglich ist. Im Fall der Insolvenz richtet sich die Frage, wer das Zeugnis zu erstellen hat, danach, ob der Arbeitnehmer vor oder nach Eintritt der Insolvenz ausgeschieden ist:

  • Hat er bereits vor Insolvenzeröffnung das Unternehmen verlassen, bleibt der Arbeitgeber Schuldner des Zeugnisanspruchs.
  • Endete das Arbeitsverhältnis hingegen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, muss der Insolvenzverwalter das Zeugnis erstellen und hat sich die dafür notwendigen Informationen beim Unternehmen zu beschaffen (BAG, Urt. v. 30.1.1991 – 5 AZR 32/90).

Wichtig

Im Fall der Leiharbeit ist der Verleiher der Arbeitgeber. Damit ist er verpfl ichtet, das Zeugnis zu erteilen. Er muss allerdings die notwendigen Informationen vom Entleiher einholen, der aufgrund vertraglicher Nebenpflicht dem Verleiher Auskunft zu geben hat.

3 Arten von Zeugnissen

Ein Arbeitszeugnis muss nach den gesetzlichen Vorgaben des § 109 GewO mindestens Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis). Darüber hinaus kann der Mitarbeiter verlangen, dass der Arbeitgeber Angaben zur Leistung und zum Verhalten macht (qualifi - ziertes Zeugnis). Anspruch auf ein Zwischenzeugnis hat er nur bei einem berechtigten Interesse an der Ausfertigung, bspw. wenn der Vorgesetzte oder der Arbeitsbereich wechseln, das Unternehmen Insolvenz anmeldet, das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf ein anderes Unternehmen übergeht oder längere Arbeitsunterbrechungen, etwa wegen Eltern- oder Pfl egezeit, anstehen. Auch aus Tarifverträgen kann sich ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ergeben. Das Gleiche gilt, wenn sich der Beschäftigte anderweitig bewerben möchte.

Praxistipp

Der Arbeitgeber darf verlangen, dass ihm der Mitarbeiter sein berechtigtes Interesse an der Erstellung eines Zwischenzeugnisses nachweist. In der Praxis sollte er aber im Regelfall darauf verzichten, um den Beschäftigten nicht unnötig in Rechtfertigungszwang zu versetzen.

4 Form des Zeugnisses

Die Form des Zeugnisses bestimmt sich – ebenso wie sein Inhalt – nach seinem Zweck, nämlich dem Arbeitnehmer in seinem berufl ichen Fortkommen zu dienen. Es hat den Gepfl ogenheiten, die der Geschäftsverkehr und Dritte erwarten, zu entsprechen.

Firmenbriefpapier

Das Zeugnis muss auf dem üblichen Firmenbriefpapier ausgestellt sein, das das Unternehmen auch für sonstige geschäftliche Korrespondenz verwendet (BAG, Urt. v. 3.3.1993 – 5 AZR 182/92). Kleinbetriebe, die kein eigenes Briefpapier besitzen, brauchen aber nicht eigens welches zu erstellen. Es reicht, wenn der Arbeitgeber das Zeugnis maschinenschriftlich unter Verwendung eines im Geschäftsleben gängigen Schrifttyps und einer üblichen Schriftgröße (z. B. 10-Punkt-Schrift) ausstellt (LAG Hessen, Urt. v. 13.8.2002 – 16 Ta 255/02).

Schriftform/Unterschrift

Der Arbeitgeber muss das Zeugnis schriftlich erteilen und darf es nicht in elektronischer Form abfassen. Es schließt mit einer eigenhändigen Unterschrift des Ausstellers.

Rechtschreibfehler

„Ins Gewicht fallende“ Rechtschreib- und Grammatikmängel braucht der Arbeitnehmer nicht hinzunehmen, unwesentliche, kleinere Fehler muss er hingegen dulden (LAG Düsseldorf, Urt. v. 3.11.2010 – 12 Sa 974/10, NZA-RR 2011, S. 123), solange sie nicht den Gesamteindruck des Zeugnisses entwerten. Das ist etwa bei einer Vielzahl von kleinen Fehlern der Fall. Bei der Bewertung im Einzelfall kann auch die Tätigkeit des Mitarbeiters zu berücksichtigen sein. So sollen strengere Anforderungen bei Arbeitnehmern gelten, bei denen die Verwendung der Schriftsprache wesentlicher Tätigkeitsinhalt war (HWK/Gäntgen, 4. Aufl ., 2011, § 109 GewO Rdnr. 6).

Beschädigungen/Versand

Das Zeugnis sollte unbeschädigt sein und keine Eselsohren oder Lochungen aufweisen. Es darf zum Versand – bis zu zweimal – gefaltet werden (BAG, Urt. v. 21.9.1999 – 9 AZR 893/98, NZA 2000, S. 257). Bisweilen wird vertreten, eine Faltung sei nur erlaubt, wenn diese bei einer Kopie, die der Arbeitnehmer später abfertigt, keine schwarzen „Knicklinien“ erkennen lässt. Da es sich beim Zeugnis allerdings – wie bei sonstigen Arbeitspapieren – um eine Holschuld handelt, kann der Arbeitgeber vom Mitarbeiter verlangen, dass er das Zeugnis im Betrieb abholt. Nur wenn dies einen unverhältnismäßigen Aufwand für den Beschäftigten darstellt, muss der Arbeitgeber das Zeugnis versenden.

Schlussformel

Gute Zeugnisse enden mit dem Ausdruck von Dank, Bedauern über das Ausscheiden und Zukunftswünschen. Hierauf besteht allerdings nach derzeitiger Rechtslage kein Anspruch, da es sich nicht um rechtlich notwendige Bestandteile handelt (BAG, Urt. v. 20.2.2001 – 9 AZR 44/00, AuA 11/01, S. 520 f.). Die neuere Instanzrechtsprechung differenziert teilweise und überlegt – jedenfalls bei guten oder sehr guten Zeugnissen – eine solche Formel als zwingenden Inhalt anzusehen, weil sie nur so „in sich stimmig“ seien (LAG Düsseldorf, Urt. v. 21.5.2008 – 12 Sa 505/08, NZA-RR 2009, S. 177). Einigkeit besteht insoweit, dass – wenn der Arbeitgeber eine Schlussformel wählt – diese mit dem Inhalt und der Bewertung des Zeugnisses übereinstimmen muss. Bei einem exzellenten Zeugnis wird daher die Schlussformel Dank, Bedauern und gute Wünsche ausdrücken müssen. Das BAG hat Gelegenheit, die in diesem Punkt bestehenden Unsicherheiten anlässlich einer derzeit anhängigen Revision (9 AZR 227/11) zu klären.

Fälligkeit

Der Arbeitgeber schuldet das Zeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er muss ein einfaches Zeugnis ohne gesonderte Aufforderung durch den Arbeitnehmer zeitgerecht erstellen. Bittet der Mitarbeiter um ein Zeugnis, ist dies dahingehend auszulegen, dass er eine qualifi zierte Fassung verlangt.

Ausstellungsdatum

Das Zeugnis muss ein Ausstellungsdatum tragen. Dieses ist regelmäßig der Tag, an dem die Kündigungsfrist abläuft bzw. der Beschäftigte tatsächlich aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Mitarbeiter die verspätete Ausstellung nicht zu vertreten hat (BAG, Urt. v. 9.9.1992 – 5 AZR 509/91, NJW 1993, S. 2196). Für das berufl iche Fortkommen des Arbeitnehmers ist es wichtig, dass das Ausstellungsdatum in zeitlicher Nähe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. Andernfalls vermuten potenzielle neue Arbeitgeber einen Streit über den Inhalt. Macht der Arbeitnehmer aber das Zeugnis erst spät nach seinem Ausscheiden geltend, ist der Arbeitgeber nicht verpfl ichtet, es rückzudatieren. Er darf dies aber wohlwollend vornehmen (LAG Hamm, Urt. v. 27.2.1997 – 4 Sa 1691/96, NZA-RR 1998, S. 151).

5 Verlust, Zurückbehaltungsrecht und Vollstreckung

Bei einem Verlust des Zeugnisses ist der Arbeitgeber verpflichtet, es erneut zu erteilen. Ist er hierzu aufgrund Zeitablaufs und fehlender Kenntnis nicht mehr in der Lage und besitzt der Arbeitnehmer keine Kopie, kann er eine Neuausstellung ablehnen.

Darüber hinaus besteht kein Zurückbehaltungsrecht am Zeugnis. Dies würde das berufl iche Fortkommen des Arbeitnehmers unangemessen erschweren. Selbst wenn dem Arbeitgeber also noch Forderungen gegenüber dem Mitarbeiter zustehen, ist er verpfl ichtet, ein Zeugnis auszustellen und zu übergeben (Erfurter Kommentar, 11. Aufl ., 2011, § 109 GewO Rdnr. 48). Weigert er sich, ein Zeugnis zu erteilen, muss der Beschäftigte den Zeugnisanspruch gerichtlich einklagen, um zunächst einen Titel auf Erteilung eines qualifi zierten Zeugnisses zu erlangen.

Wichtig

Beim Anspruch auf Zeugniserteilung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO. Der Arbeitgeber ist daher als Zeugnisschuldner durch Festsetzung von Zwangsgeld und Zwangshaft zur Erteilung des Zeugnisses zu bewegen. Darüber hinaus ist die Entscheidung nur vollstreckungsfähig, wenn der Zeugniswortlaut im Titel (Urteil oder Vergleich) komplett enthalten ist.

6 Einfaches Zeugnis

Die Person des zu Beurteilenden ist mit Vor- und Zunamen anzugeben. Das oftmals enthaltene Geburtsdatum ist hingegen nicht erforderlich, um den Mitarbeiter zu identifi zieren. Unternehmen sollten dies daher unterlassen, da tendenziell Bewerbungsprozesse zukünftig AGG-konform ohne Ansehung des Alters erfolgen werden.

Beim einfachen Zeugnis sind die Art und Dauer der Beschäftigung darzustellen. Dabei muss die Tätigkeit des Arbeitnehmers so vollständig und genau beschrieben sein, dass sich der künftige Arbeitgeber ein klares Bild von ihr machen kann. Hat der zu Beurteilende mehrere berufl iche Stationen im Unternehmen durchlaufen, sind diese zu skizzieren, wobei jeweils erworbene besondere Kenntnisse ausdrücklich zu erwähnen sind. Die Dauer des Anstellungsverhältnisses ist entsprechend dem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses anzugeben. Nach Ausspruch einer rechtswirksamen fristlosen Kündigung also ggf. auch im Verlauf eines Monats.

Wichtig

Ob der Arbeitgeber erhebliche Ausfallzeiten, bspw. durch Elternzeit, angeben darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR 261/04). Erlaubt ist dies insbesondere, wenn das Verhältnis der Ausfallzeit zur Dauer der tatsächlichen Beschäftigung erheblich ist und es nach Art der geschuldeten Tätigkeit besonders auf gesammelte Erfahrungen ankommt.

7 Qualifiziertes Zeugnis

Beim qualifi zierten Zeugnis muss das Unternehmen über die vorgenannten Angaben hinaus Ausführungen zur Leistung und zum Verhalten machen. Dabei hat sich die Beurteilung der Leistung an den vertraglichen Pfl ichten des Arbeitnehmers zu orientieren. Dazu können zählen

  • körperliches und geistiges Leistungsvermögen,
  • Fachkenntnisse,
  • Arbeitsqualität und -güte,
  • Arbeits- und Verantwortungsbereitschaft,
  • Verhandlungsgeschick,
  • Ausdrucksvermögen,
  • Durchsetzungsfähigkeit und
  • Entscheidungsbereitschaft.

Zum Verhalten gehören

  • Führungsverhalten und Stil,
  • Kooperations- und Kompromissbereitschaft,
  • Verhalten zu Vorgesetzten, Arbeitskollegen, Mitarbeitern und Kunden.

Die Ausübung des Ehrenamts als Betriebsrat darf der Arbeitgeber nur aufführen, wenn der Beschäftigte dies wünscht (LAG Hamm, Urt. v. 12.4.1976 – 9 Sa 29/76). War ein Mitarbeiter allerdings jahrelang für ein solches Amt freigestellt, kommt eine Erwähnung im Zeugnis in Betracht (BAG, Urt. v. 19.8.1992 – 7 AZR 262/91). Dies erscheint angesichts der Regelungen im AGG aber fragwürdig.

Wichtig

Auch Angaben zum Gesundheitszustand gehören grundsätzlich nicht ins Arbeitszeugnis. Eine Ausnahme ist möglich, wenn eine bestimmte Krankheit grundsätzlich die Fähigkeit beeinfl usst, die geschuldete Tätigkeit auszuüben.

8 Gesamtnote

Regelmäßig wird am Ende des Zeugnisses eine Gesamtnote der Leistung vergeben. Hierfür haben sich festgelegte Formulierungen entsprechend der Schulnoten gebildet. Mit der Rechtsprechung des BAG (vgl. Urt. v. 14.10.2003 – 9 AZR 12/03) ergibt sich folgender Sprachgebrauch:

Wen die Darlegungs- und Beweislast trifft, dass der Mitarbeiter die Aufgaben wie benotet ausgeführt hat, richtet sich nach der vergebenen Note:

  • Grundsätzlich ist von befriedigenden Leistungen auszugehen.
  • Will der Arbeitgeber eine weniger gute als befriedigende Leistung bescheinigen, ist er darlegungs- und beweispfl ichtig dafür, dass der Arbeitnehmer schlechtere als befriedigende Leistungen erbracht hat.
  • Verlangt der Beschäftigte, dass ihm der Arbeitgeber eine bessere Leistung als befriedigend bescheinigt, muss er darlegen und beweisen, dass er diese erbracht hat.
  • Will der Arbeitgeber von der Beurteilung eines Zwischenzeugnisses zulasten des Arbeitnehmers abweichen, muss er nicht nur darlegen und beweisen, dass sich dessen Leistungen nach Erteilung des Zwischenzeugnisses verschlechtert haben. Er muss auch beweisen, dass sich dadurch die Gesamtnote verändert, die sich auf die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses bezieht.

Zur Bewertung des Führungsverhaltens gibt es ebenfalls eine „Zeugnissprache“, die allerdings nicht so gefestigt ist wie im Bereich der Leistungsbeurteilung. Hiernach wird das Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und ggf. Mitarbeitern und Kunden in Abstufungen von sehr gut bis ungenügend bewertet.

Beispiel

Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war stets vorbildlich (= sehr gut).

9 Verbotene Formulierungen und Wohlwollensgebot

Bei der Formulierung von Arbeitszeugnissen gilt der Grundsatz „wohlwollender Beurteilung“ (Hoß, AuA 12/02, S. 532 ff.; vgl. auch Schmitt-Rolfes, AuA 11/11, S. 631, in diesem Heft). Er wird aber durch das Gebot der Zeugniswahrheit begrenzt:

Beispiel

Ein Mitarbeiter, der Geldbeträge bei seinem Arbeitgeber unterschlagen hat, erhält im Wege eines Vergleichs ein Zeugnis, in dem der Alt-Arbeitgeber insbesondere dessen Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit lobt. Hier darf der Arbeitgeber diese Eigenschaften nicht lobend erwähnen. Denkbar ist sogar ein Schadensersatzanspruch des Neu-Arbeitgebers gegen den Alt-Arbeitgeber als Zeugnisaussteller, wenn der Arbeitnehmer dort erneut den Arbeitgeber schädigt (BGH, Urt. v. 22.9.1970 – VI ZR 193/69, NJW 1970, S. 2291) – auch wenn in der Praxis derartige Fälle selten sind.

Wichtig

Verboten ist es ebenfalls, bestimmte „Zeugniscodes“ zu verwenden (BAG, Urt. v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, AuA 3/09, S. 178 und 4/10, S. 247): Gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO darf das Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

10 Einflüsse des AGG?

Das Inkrafttreten des AGG hat keine gravierenden Einfl üsse auf die Erteilung und den Inhalt von Zeugnissen. Zwar verlangt § 12 AGG vom Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung. Solange es keine anonymisierten Bewerbungen gibt, können Unternehmen Zeugnisse aber weiterhin unter Angabe des vollen Namens – und damit verbunden der Erkennbarkeit des Geschlechts – abfassen (Weuster, PersF 2007, S. 52). Eine etwaige Betriebsratstätigkeit – die ggf. Rückschlüsse auf eine bestimmte politische Einstellung des Arbeitnehmers zulässt – sollte man aber nicht nennen. Die Angabe des Geburtsdatums ist bereits heutzutage nicht mehr üblich. Es empfi ehlt sich – sofern der Beschäftigte es nicht ausdrücklich verlangt – sie im Hinblick auf denkbare künftige Altersdiskriminierungen zu unterlassen. Gleiches kann für den Geburtsort gelten, wenn hieraus Rückschlüsse auf eine bestimmte ethnische oder sogar religiöse Zugehörigkeit des Arbeitnehmers möglich sind.

Praxistipp

Im Zweifelsfall empfi ehlt sich eine kurze Rücksprache mit dem Mitarbeiter. Jedenfalls bei Berichtigungswünschen im Hinblick auf einen möglichen „AGG-Verstoß“ sollte der Arbeitgeber diesen nachkommen.

11 Verzicht, Verwirkung, Verjährung und Ausschlussfristen

Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Mitarbeiter nicht wirksam auf den Anspruch zur Zeugniserteilung verzichten. Ein Verzicht liegt regelmäßig auch nicht in einer allgemein gehaltenen Ausgleichsquittung, wenn sich dies nicht mit ausreichender Sicherheit aus dem Wortlaut oder den Begleitumständen ergibt (BAG, Urt. v. 16.9.1974 – 5 AZR 255/74). Der Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende, §§ 195, 199 BGB.

Beispiel

Ist der Arbeitnehmer zum 30.10.2010 ausgeschieden, entsteht an diesem Tag der Anspruch auf das Endzeugnis. Er verjährt damit mit Ablauf des 31.12.2013.

Allerdings kann der Zeugnisanspruch bereits vor Eintritt der Verjährung verwirken (BAG, Urt. v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07). Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer

› ihn nicht in angemessener Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend macht (Zeitmoment) und › dadurch beim Arbeitgeber die Überzeugung hervorruft, er werde das Zeugnis nicht mehr verlangen (Umstandsmoment).

Ob dies der Fall ist, beurteilt sich stets nach den Umständen des Einzelfalls. Die Anforderungen an die Überzeugung des Arbeitgebers, also das Umstandsmoment, sind dabei umso geringer, je länger der Mitarbeiter untätig geblieben ist. Nach der Rechtsprechung genügt es hierfür, wenn er ca. zehn Monate nichts unternommen hat, um seinen Zeugnisanspruch geltend zu machen (BAG, Urt. v. 17.2.1988 – 5 AZR 638/86: zehn Monate; LAG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.1994 – 17 Sa 1158/94, DB 1995, S. 1135: elf Monate; LAG Hamm, Urt. v. 3.7.2002 – 3 Sa 248/02, AuA 8/03, S. 47: 15 Monate; LAG Köln, Urt. v. 8.2.2000 – 13 Sa 1050/99, NZA-RR 2001, S. 130: zwölf Monate).

Nach dem Ablauf einer solchen Zeitspanne ist es dem Unternehmen nicht mehr zumutbar, den Zeugnisanspruch zu erfüllen, da es kaum noch hinreichende Erinnerungen an die zu bezeugenden Tatsachen haben wird (ErfK/ Müller-Glöge, 11. Aufl ., 2011, § 109 GewO Rdnr. 53). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Zeugnis, wenn es seine Funktion im Arbeitsleben erfüllen soll, alsbald nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt und erteilt werden muss.

Beispiel

Der Arbeitnehmer wird zum 30.8.2010 gekündigt. Er fordert über seinen Anwalt ein Zeugnis bis zum 15.9.2010 ein. Der Arbeitgeber erstellt kein Zeugnis. Erst im November 2011 macht der Mitarbeiter erneut sein Zeugnis geltend. Der Arbeitgeber durfte aufgrund des langen Zuwartens davon ausgehen, dass der Beschäftigte seinen Anspruch nicht weiter verfolgen würde. Er ist nunmehr verwirkt (in Anlehnung an LAG München, Urt. v. 11.2.2008 – 6 Sa 539/07).

Für den Anspruch auf Zeugniserteilung gelten zudem arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen. Enthält folglich der Arbeitsvertrag eine wirksame – also beiderseitige – Ausschlussfrist von mindestens dreimonatiger Dauer oder verweist er auf einen Tarifvertrag mit entsprechenden Ausschlussfristen, ist nach deren Ablauf eine Geltendmachung des Zeugnisanspruchs gleichfalls ausgeschlossen (BAG, Urt. v. 17.2.1988 – 5 AZR 638/86; LAG Hamm, Urt. v. 10.4.2002 – 3 Sa 1598/01, 11/03, S. 43).

12 Fazit

Die bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen zu beachtenden Vorgaben sind durch eine stark einzelfallbezogene Rechtsprechung geprägt. Gerichtliche Streitigkeiten hierüber sind jedoch bei Anwälten und Gerichten oftmals unbeliebt, so dass eine sorgfältige Zeugniserstellung unerwünschte spätere Konfl ikte vermeiden kann. Trennen sich die Parteien im Guten, bietet es sich an, dem Arbeitnehmer das zu erstellende Zeugnis vorher als Entwurf zuzusenden, um beiden Seiten vorab eine gesichtswahrende Einigung zu ermöglichen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht - 11/11