Bei der Einführung eines Enterprise-Content- Management-Systems sind sowohl rechtliche als auch organisatorische Kriterien zu beachten.

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Foto von Bram Naus

Bringen wir etwas Ordnung in die vielen Begriffe zum Thema. Abbildung 1 zeigt anhand eines Modells der Association for Information and Image Management (AIIM), wie Enterprise-Content-Management-Systeme (ECMS) funktionieren.

Danach lässt sich ein ECMS in vier große Aufgabenbereiche unterteilen:

Capture befasst sich mit dem Einbringen eines Dokuments oder einer Information in das ECMS. Hier geht es zum Beispiel darum, Dokumente zu scannen, zu beschlagworten, für eine Volltextsuche zu indizieren oder anhand eines Aktenplans zu klassifizieren.

Im Bereich Manage wird das Dokument bearbeitet:

  • Document-Management (DM) stellt Grundfunktionen wie Versionsmanagement, Suchen und Navigation oder die Visualisierung von Dokumenten zur Verfügung.
  • Collaboration ermöglicht das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten.
  • Web-Content-Management (WCM) integriert Bearbeitung und Freigabeprozesse für das Gestalten einer Website in das ECMS.
  • Records-Management (RM) umfasst das Beschlagworten und Indizieren, Ablagefristen und die Verwaltung von Archivorten (physisch wie elektronisch).
  • Workflow (WF) beziehungsweise Business-Process-Management (BPM) erlaubt die Definition elektronischer Arbeitsabläufe und stellt diese den Benutzern zur Verfügung.
  • Store sorgt im Herzen von Manage für die Ablage der Dokumente während der Bearbeitung. Dies geschieht technisch meist in einer Kombination von Plattenspeichern und Datenbanken.
  • Deliver sorgt für das Bereitstellen eines Dokuments aus dem ECMS, zum Beispiel für die Transformation eines Dokuments in ein anderes Format (etwa eines Word-Dokuments in eine PDF), für die Übermittlung an ein anderes IT-System oder den Versand per Mail.
  • Preserve kümmert sich um die dauerhafte Archivierung eines Dokuments, das nicht mehr bearbeitet wird. Auf diese Weise gewährleisten Unternehmen die Revisionssicherheit, zum Beispiel über einmal beschreibbare Datenträger oder den Einsatz der elektronischen Signatur.

Anhand dieses Modells lassen sich die drei Begriffe elektronisches Archiv, Dokumentenmanagementsystem (DMS) und Enterprise-Content-Management-System (ECMS) wie folgt miteinander in Beziehung setzen: Sowohl das elektronische Archiv als auch das DMS sind Teilbereiche eines ECMS. Das elektronische Archiv kümmert sich im Sinne der Aufgabenbereiche Store und Preserve um die (kurzfristige) Ablage sowie um die dauerhafte Speicherung elektronischer Dokumente. Zum DMS gehören jene Teilbereiche des ECMS, die Grundfunktionen wie das Check-out/Check-in (Reservieren eines Dokuments durch einen Benutzer zur exklusiven Bearbeitung), Versionsmanagement, Suchen, Navigieren in Ablagebäumen oder die Darstellung von Dokumenten zur Verfügung stellt. Ich werde daher im Folgenden den umfassenden Begriff ECMS verwenden.

Die Einführung eines ECMS bringt Änderungen in zentralen Abläufen mit sich. Entsprechend sorgfältig sollten Unternehmen ein solches Projekt planen und umsetzen. Besonders oft behindern die folgenden Stolpersteine ECMS-Einführungsprojekte:

  • Die IT-Abteilung steuert das Projekt alleine. Jene Fachabteilungen, deren Arbeitsabläufe sich wesentlich ändern, bindet das Projektteam zu spät ein. Entsprechend groß ist der Widerstand im Unternehmen.
  • Nach der Einführung des ECMS bleiben Parallelwelten erhalten. Die Mitarbeiter führen persönliche Ablagen auf ihren Projektlaufwerken oder auf lokalen Arbeitsplatzrechnern zum Teil weiter. Nicht alle Dokumente sind im ECMS auffindbar, was ganz schnell zu Akzeptanzproblemen führt.
  • Das Unternehmen schätzt die Aufwen-dungen für das Einführungsprojekt falsch ein. Sehr häufig überschätzen Organisationen die Kosten für Software-Lizenzen, während sie die Ausgaben für den laufenden Betrieb, Konzeption und Projektdurchführung unterschätzen.

Typische Erfolgskriterien für die Einführung eines ECMS sind:

  • Das Projekt hat Management-Attention: Die Unternehmensführung steht hinter der Einführung und hat die zentralen Geschäftsziele, die sie mit der Einführung des ECMS verfolgt, klar definiert.
  • Das Unternehmen erfasst klar seine Anforderungen an das ECMS und dokumentiert sie in einem Lastenheft. Alle relevanten Fachbereiche sind dabei ebenso beteiligt wie die IT-Abteilung. Es wird dabei auch die Gelegenheit genutzt, über die Sinnhaftigkeit der im Unternehmen gelebten und von der ECMS-Einführung betroffenen Papier-Prozesse nachzudenken.
  • Anhand der gut dokumentierten Anforderungen findet das Unternehmen den passenden Lösungspartner für die Umsetzung.
  • Zentrales Motiv der Archivierung ist das Wiederfinden. Das Projektteam entwickelt daher tragfähige Konzepte für die Beschlagwortung (zum Beispiel für automatische Vorschläge des Systems), die Klassifizierung und die Volltextsuche.
  • Alle Beteiligten betrachten das Ein-führungsprojekt als Veränderungs-projekt. Ein neues ECMS greift tief in zentrale Unternehmensprozesse ein. Für viele Mitarbeiter ändern sich die täglichen Abläufe deutlich. Widerstand vorbeugen können Organisationen zum Beispiel, indem sie Pilotsysteme einsetzen, die den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, das ECMS frühzeitig zu erproben.
  • Eine Kosten-/Nutzen-Rechnung wird angestellt, die über die offensichtlichen Einsparungspotenziale (wie Archivraum, Papier und Druckkosten oder Suchzeiten) hinausgeht. Anhaltspunkte können hier die Mitarbeiterzufriedenheit (Entlastung von mechanischen Tätigkeiten, ortsunabhängiger Zugriff auf Dokumente), gesteigerte Datenqualität (zum Beispiel für ein Datawarehouse) oder die Potenziale für Prozessoptimierungen (Entdeckung von Verbesserungsmöglichkeiten, mehr Transparenz in den Prozessen, kürzere Durchlaufzeiten durch Parallelisierung) sein.

Die Rechtsvorschriften für das Dokumentenmanagement finden Unternehmen (beinahe wortident) sowohl im Handelsrecht (Unternehmensgesetzbuch) als auch im Steuerrecht (Bundesabgabenordnung). Der Gesetzgeber fordert darin die inhaltsgleiche, vollständige, geordnete und urschriftsgetreue Wiedergabe von auf Datenträgern abgelegten Dokumenten, wobei das Erfordernis der urschriftsgetreuen Wiedergabe logischerweise für Dokumente entfällt, die bereits elektronisch entstanden sind. Es bleibt also als wesentliche Herausforderung die urschriftsgetreue Wiedergabe von Dokumenten, die in gescannter Form im ECMS abgelegt sind. Dieser Herausforderung können Organisationen technisch auf zwei Arten begegnen: Entweder verwenden sie physisch oder logisch nur einmal beschreibbare Datenträger (WORM beziehungsweise Soft-WORM) oder sie versehen das Dokument mit einer elektronischen Archivsignatur, wenn sie es in das ECMS übernehmen.

Ein ECMS mit seinen Teilbereichen des Dokumententenmanagements und der elektronischen Archivierung kann wesentlich dazu beitragen, zentrale Prozesse im Unternehmen transparenter zu gestalten und zu beschleunigen. Bei der Einführung sind einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen zu betrachten, andererseits trägt ein gut geplantes und durchgeführtes Einführungsprojekt ganz wesentlich zur erfolgreichen Etablierung des ECMS im Unternehmen bei.

Quelle: personal manager Zeitschrift für Human Resources Ausgabe 6 November / Dezember 2012

Prinzipiell eignet sich ein ECMS dazu, alle im Unternehmen anfallenden Dokumente zu bearbeiten, abzulegen und dauerhaft zu archivieren. Dabei kann es sich um Papierdokumente handeln, die der zuständige Sachbearbeiter einscannt und per Texterkennung für das ECMS aufbereitet, zum Beispiel Eingangsrechnungen. Die Ausgangsdokumente können aber auch bereits elektronisch vorliegen, zum Beispiel Verträge oder Dokumente der Qualitätssicherung.

Unternehmen sollten sich Gedanken darüber machen, welche Formate sich für die langfristige Archivierung eignen. Nicht für jedes Office-Format wird während der gesamten Dauer der Archivierung ohne Weiteres ein geeignetes Anzeigeprogramm zur Verfügung stehen. Der De-facto-Standard aus heutiger Sicht dafür ist PDF/A, ein von der ISO normierter Teilbereich von PDF.

Teilweise hinkt die Gesetzgebung jedoch den technischen Entwicklungen hinterher – und setzt damit Grenzen für die elektronische Verarbeitung und Archivierung von Dokumenten in einem ECMS. So schreibt das österreichische Zollwesen vor, dass Unternehmen Dokumente, wie zum Beispiel Belege für die Einfuhrumsatzsteuer, im Papieroriginal aufbewahren.

Vorsicht ist weiters bei der elektronischen Archivierung handschriftlich unterzeichneter Verträge geboten. Während für das Papieroriginal im Sinne der Zivilprozessordnung als unterschriebene Privaturkunde die qualifizierte Echtheitsvermutung gilt, stellt das gescannte und im EMCS revisionssicher abgelegte elektronische Dokument nur mehr eine (unsignierte) Privaturkunde dar, die der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (Umkehr der Beweislast).

Einer Behandlung im EMCS entziehen sich die dargestellten Ausnahmen jedoch trotzdem nicht zur Gänze. Für gewöhnlich archivieren Unternehmen solche Dokumente zwar weiterhin (auch) auf Papier, führen die Informationen zum Wiederfinden der Papierdokumente (zum Beispiel physischer Ablageort oder Entlehner) jedoch im ECMS.