Bei der Einführung eines Enterprise-Content- Management-Systems sind sowohl rechtliche als auch organisatorische Kriterien zu beachten.
Bringen wir etwas Ordnung in die vielen Begriffe zum Thema. Abbildung 1 zeigt anhand eines Modells der Association for Information and Image Management (AIIM), wie Enterprise-Content-Management-Systeme (ECMS) funktionieren.
Danach lässt sich ein ECMS in vier große Aufgabenbereiche unterteilen:
Capture befasst sich mit dem Einbringen eines Dokuments oder einer Information in das ECMS. Hier geht es zum Beispiel darum, Dokumente zu scannen, zu beschlagworten, für eine Volltextsuche zu indizieren oder anhand eines Aktenplans zu klassifizieren.
Im Bereich Manage wird das Dokument bearbeitet:
Anhand dieses Modells lassen sich die drei Begriffe elektronisches Archiv, Dokumentenmanagementsystem (DMS) und Enterprise-Content-Management-System (ECMS) wie folgt miteinander in Beziehung setzen: Sowohl das elektronische Archiv als auch das DMS sind Teilbereiche eines ECMS. Das elektronische Archiv kümmert sich im Sinne der Aufgabenbereiche Store und Preserve um die (kurzfristige) Ablage sowie um die dauerhafte Speicherung elektronischer Dokumente. Zum DMS gehören jene Teilbereiche des ECMS, die Grundfunktionen wie das Check-out/Check-in (Reservieren eines Dokuments durch einen Benutzer zur exklusiven Bearbeitung), Versionsmanagement, Suchen, Navigieren in Ablagebäumen oder die Darstellung von Dokumenten zur Verfügung stellt. Ich werde daher im Folgenden den umfassenden Begriff ECMS verwenden.
Die Einführung eines ECMS bringt Änderungen in zentralen Abläufen mit sich. Entsprechend sorgfältig sollten Unternehmen ein solches Projekt planen und umsetzen. Besonders oft behindern die folgenden Stolpersteine ECMS-Einführungsprojekte:
Typische Erfolgskriterien für die Einführung eines ECMS sind:
Die Rechtsvorschriften für das Dokumentenmanagement finden Unternehmen (beinahe wortident) sowohl im Handelsrecht (Unternehmensgesetzbuch) als auch im Steuerrecht (Bundesabgabenordnung). Der Gesetzgeber fordert darin die inhaltsgleiche, vollständige, geordnete und urschriftsgetreue Wiedergabe von auf Datenträgern abgelegten Dokumenten, wobei das Erfordernis der urschriftsgetreuen Wiedergabe logischerweise für Dokumente entfällt, die bereits elektronisch entstanden sind. Es bleibt also als wesentliche Herausforderung die urschriftsgetreue Wiedergabe von Dokumenten, die in gescannter Form im ECMS abgelegt sind. Dieser Herausforderung können Organisationen technisch auf zwei Arten begegnen: Entweder verwenden sie physisch oder logisch nur einmal beschreibbare Datenträger (WORM beziehungsweise Soft-WORM) oder sie versehen das Dokument mit einer elektronischen Archivsignatur, wenn sie es in das ECMS übernehmen.
Ein ECMS mit seinen Teilbereichen des Dokumententenmanagements und der elektronischen Archivierung kann wesentlich dazu beitragen, zentrale Prozesse im Unternehmen transparenter zu gestalten und zu beschleunigen. Bei der Einführung sind einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen zu betrachten, andererseits trägt ein gut geplantes und durchgeführtes Einführungsprojekt ganz wesentlich zur erfolgreichen Etablierung des ECMS im Unternehmen bei.
Quelle: personal manager Zeitschrift für Human Resources Ausgabe 6 November / Dezember 2012
Prinzipiell eignet sich ein ECMS dazu, alle im Unternehmen anfallenden Dokumente zu bearbeiten, abzulegen und dauerhaft zu archivieren. Dabei kann es sich um Papierdokumente handeln, die der zuständige Sachbearbeiter einscannt und per Texterkennung für das ECMS aufbereitet, zum Beispiel Eingangsrechnungen. Die Ausgangsdokumente können aber auch bereits elektronisch vorliegen, zum Beispiel Verträge oder Dokumente der Qualitätssicherung.
Unternehmen sollten sich Gedanken darüber machen, welche Formate sich für die langfristige Archivierung eignen. Nicht für jedes Office-Format wird während der gesamten Dauer der Archivierung ohne Weiteres ein geeignetes Anzeigeprogramm zur Verfügung stehen. Der De-facto-Standard aus heutiger Sicht dafür ist PDF/A, ein von der ISO normierter Teilbereich von PDF.
Teilweise hinkt die Gesetzgebung jedoch den technischen Entwicklungen hinterher – und setzt damit Grenzen für die elektronische Verarbeitung und Archivierung von Dokumenten in einem ECMS. So schreibt das österreichische Zollwesen vor, dass Unternehmen Dokumente, wie zum Beispiel Belege für die Einfuhrumsatzsteuer, im Papieroriginal aufbewahren.
Vorsicht ist weiters bei der elektronischen Archivierung handschriftlich unterzeichneter Verträge geboten. Während für das Papieroriginal im Sinne der Zivilprozessordnung als unterschriebene Privaturkunde die qualifizierte Echtheitsvermutung gilt, stellt das gescannte und im EMCS revisionssicher abgelegte elektronische Dokument nur mehr eine (unsignierte) Privaturkunde dar, die der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (Umkehr der Beweislast).
Einer Behandlung im EMCS entziehen sich die dargestellten Ausnahmen jedoch trotzdem nicht zur Gänze. Für gewöhnlich archivieren Unternehmen solche Dokumente zwar weiterhin (auch) auf Papier, führen die Informationen zum Wiederfinden der Papierdokumente (zum Beispiel physischer Ablageort oder Entlehner) jedoch im ECMS.