Wie kann es dazu kommen?

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Foto von Mimi Thian

Im Steuerrecht gilt der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit einer Familie insgesamt. Deshalb sind z. B. unverheiratete Arbeitnehmer, die ein ganzes Jahr Arbeitslosengeld und keine Lohneinkünfte beziehen, vom Progressionsvorbehalt nicht betroffen. Bei zusammenveranlagten Ehegatten aber wird z. B. das Elterngeld zum Gehalt des Ehepartners hinzugerechnet und so der besondere Steuersatz nach § 32b EStG ermittelt. So erhöht sich die Einkommensteuer dadurch, dass auf die steuerpflichtigen Einkünfte der Steuersatz angewendet wird, der sich ergäbe, wenn auch die steuerfreien Leistungen besteuert würden. Das ist letztlich ein Gebot der Gerechtigkeit, führt allerdings auch zur Verkomplizierung unseres Steuersystems.

Zur Kennzeichnung derartiger steuerfreier, aber dem Progressionsvorbehalt unterliegender Lohnersatzleistungen muss der Arbeitgeber im Lohnkonto den Buchstaben U eintragen, wenn die Lohnzahlung für mindestens fünf Arbeitstage unterbrochen wird.

Auswirkungen des Progressionsvorbehalts

Nach dem Zweck des Progressionsvorbehalts wird auf die steuerpflichtigen Einkünfte der Steuersatz angewendet, der sich unter Einbeziehung der steuerfreien Lohnersatzleistungen ergibt. Damit wird verhindert, dass steuerpflichtiger Arbeitslohn nur deshalb steuerfrei bleibt, weil für einen Teil des Jahres z. B. Lohnersatzleistungen bezogen werden. Denn auf die Lohnsteuer als Jahressteuer wird immer die Jahrestabelle angewendet ohne Rücksicht darauf, ob während des gesamten Jahres tatsächlich gearbeitet worden ist.

Das kann nach einem BFH-Urteil von 2001 sogar dazu führen, dass auf Einkünfte unter dem (steuerfreien) Grundfreibetrag von derzeit 7.664,99 Euro der ermittelte besondere Steuersatz anzuwenden ist.

Welche Lohnersatzleistungen sind betroffen?

Folgende Lohnersatzleistungen unterliegen dem Progressionsvorbehalt:

  • Arbeitslosengeld I,
  • Aufstockungsbetrag Altersteilzeit,
  • Bundesversorgungsgesetz (Übergangsgeld + BVG-Krankengeld),
  • Eingliederungshilfe, Elterngeld (alles),
  • Lebensunterhaltsleistungen (§ 10 SGB III),
  • Insolvenzgeld,
  • Krankengeld (GKV),
  • Kurzarbeitergeld,
  • Entgeltsicherungsleistungen (§ 421j SGB III),
  • Mutterschaftsgeld (+ Zuschuss),
  • Saisonkurzarbeitergeld,
  • Teilarbeitslosengeld,
  • Transferkurzarbeitergeld,
  • Überbrückungsgeld (§ 33 III SGB IX),
  • Übergangsgeld (alle 5 Arten),
  • Verdienstausfallentschädigung,
  • Verletztengeld,
  • Versorgungskrankengeld,
  • Winterausfallgeld,
  • Zuschuss (für 50jährige + Mutterschaft).

Nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegende Lohnersatzleistungen:

  • Altersteilzeit (Beiträge zur Höherversicherung),
  • Arbeitslosengeld II,
  • Aussperrungsunterstützung,
  • Ein-Euro-Job-Lohn,
  • Erziehungsgeld,
  • Existenzgründerzuschuss,
  • Gründungszuschuss (ab 01.08.2006),
  • Kinderzuschlag,
  • Krankengeld (PKV),
  • Mobilitätshilfe,
  • Streikunterstützung,
  • Überbrückungsgeld (nach § 57 SGB III bis 31.07.2006),
  • Vorruhestandsgeld,
  • Wintergeld.
Hinweis:

Eine alphabetische Ja-/Nein-Tabelle finden Sie bei Schönfeld/Plenker, Lexikon für das Lohnbüro 2009, 51. Aufl ., Rehm Verlag, ISBN 978-3-8073-0069-6, Seite 527.

 

Vom Arbeitgeber gezahlte Lohnersatzleistungen gelten in dem Kalenderjahr als zugeflossen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Bei allen übrigen Lohnersatzleistungen ist der tatsächliche Zufluss entscheidend.

Veranlagung statt Lohnsteuer-Jahresausgleich

Der Arbeitgeber darf bei Hinzukommen von Lohnersatzleistungen nur in Bagatellfällen bis zur Grenze von 410 Euro steuerfreier Einnahmen einen Lohnsteuerjahresausgleich durchführen. Ansonsten handelt es sich um eine Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer. Das gilt auch in DBA-Fällen bzw. nach dem Auslandstätigkeitserlass.

Negativer Progressionsvorbehalt möglich

Zahlt der Arbeitnehmer Lohnersatzleistungen zurück, kann er diese Rückzahlung mit anderen Lohnersatzleistungen verrechnen. Ergibt sich dabei ein Minus-Betrag, ist dieser bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes nach § 32b EStG zu berücksichtigen. Das führt dann zu einem ermäßigten Steuersatz, also zu einer Steuerminderung. Trifft der negative Progressionsvorbehalt mit Einkünften für mehrjährige Tätigkeiten zusammen, die nach der „Fünftelungsregelung“ ermäßigt besteuert werden, gilt für die Steuerberechnung das „Günstigkeitsprinzip“. Das erledigt das Finanzamt im Zuge der Vergleichsberechnung automatisch. Der Arbeitgeber hat damit nichts zu tun.

Übermittlung per Elster – Lohnsteuerbescheinigung

Bis 28.02. des Folgejahres müssen alle Sozialleistungsträger die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen an das Finanzamt elektronisch übermitteln. Ausgenommen sind Leistungen, die der Arbeitgeber ohnehin auf der Lohnsteuerbescheinigung ausweisen muss. Die erstmalige Übermittlung hat nach Einführung der Steuer-Identifikations-Nr. bis 28.2.2010 zu erfolgen. Da dieser Tag ein Sonntag ist, müssen die Daten am Montag, den 01.03.2010 beim Finanzamt sein. Darüber müssen die Arbeitnehmer vom Leistungsträger informiert werden.

Quelle: Lohn + Gehalt > August 2009