Der Fall:

Die Arbeitnehmerin ist als Filialleiterin bei einem Einzelhandelsunternehmen tätig. Mit Zustimmung des Betriebsrats installiert der Arbeitgeber für die Dauer von 3 Wochen in den Verkaufsräumen verdeckte Videokameras. Auf einem Mitschnitt ist zu sehen, wie die Arbeitnehmerin bei zwei Gelegenheiten eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entwendet. Daraufhin kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin erhebt Kündigungsschutzklage und bestreitet, Zigaretten entwendet zu haben. Das LAG Köln (Vorinstanz) nimmt die Videoaufzeichnungen in Augenschein, sieht darauf, wie die Arbeitnehmerin Zigaretten entwendet, und erklärt daraufhin die Kündigung für wirksam.

Die Arbeitnehmerin meint, das Gericht habe die Videoaufzeichnungen nicht als Beweismittel verwerten dürfen, da diese Aufzeichnung in unzulässiger Weise in ihr Persönlichkeitsrecht eingreife. Ohne Videoaufzeichnung kann der Arbeitgeber den Diebstahl jedoch nicht beweisen, da die Arbeitnehmerin ihn bestreitet. Somit wäre die Kündigung mangels nachweisbaren Pflichtverstoßes unwirksam.

Die Entscheidung:

Das BAG wägt Überwachungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem informationellen Selbstbestimmungsrecht und Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ab. Es gibt Situationen, in denen das Überwachungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt. Das kann der Fall sein, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung am Arbeitsplatz besteht, es keine milderen und gleich erfolgreichen  Aufklärungsmaßnahmen (Detektiv, Stichproben im Warenbestand) gibt und die Videoüberwachung insgesamt nicht „unverhältnismäßig“ ist.  Dann ist die Videoüberwachung zulässig und Aufzeichnungen als Beweismittel verwertbar. Das BAG hat den Fall allerdings nicht abschließend entschieden, sondern die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen. Das LAG wird nun, ausgehend von den Leitlinien des BAG, klären müssen, ob im Fall dem Überwachungsinteresse des Einzelhandelsunternehmens Vorrang gebührt.

Ist Videoüberwachung am Arbeitsplatz zulässig?

Die Videoüberwachung von Arbeitnehmern ist an enge Voraussetzungen gebunden. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz in der derzeitigen Fassung ist die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen (u.a. Verkaufsräume von Warenhäusern, Schalterhallen von Bahnhöfen)
nur zulässig, berechtigte Interessen für konkrete Zwecke vorliegen und das schutzwürdige Interesse der Betroffenen nicht überwiegt. Dies kann etwa dann Fall sein, wenn Diebstähle in Kaufhäusern, Supermärkten oder Raubüberfällen in Tankstellen und Bankfilialen aufgeklärt und verhindert werden sollen. Das Überwachungsinteresse überwiegt dann gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der überwachten Arbeitnehmer und der Kunden (die ja ebenfalls der Videoüberwachung ausgesetzt sind).

Die Beobachtung muss aber durch sichtbare Installation der Videokamera oder einen deutlich erkennbaren Hinweis („Videoüberwachung“) kenntlich gemacht werden.

Nur in Ausnahmefällen kann auch die heimliche Videoüberwachung zulässig sein, nämlich wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren Verfehlung am Arbeitsplatz zu Lasten des Arbeitgebers (insbesondere rechtswidrige Zueignung von Ware) besteht. Zudem muss der Arbeitgeber andere, weniger einschneidende Aufklärungsmittel (Detektiv) ausgeschöpft haben oder begründen können, dass diese nicht erfolgsversprechend sind. Verdeckte Videoüberwachung ist also nur erlaubt, wenn sie praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt.

Die Überwachung darf nicht unverhältnismäßig sein: „Dauerüberwachung“ und Überwachung in geschützten Bereichen wie Sozial- oder Umkleideräumen ist nicht gestattet.

In keinem Fall reicht ein allgemeines Kontrollinteresse für die Videoüberwachung aus, etwa das Interesse des Arbeitgebers, zu kontrollieren, ob ein Arbeitnehmer seine Arbeit zügig, gewissenhaft und fehlerfrei erledigt oder ob er zu Kunden freundlich ist. Ebenso wenig  genügt als Grund ein pauschaler Verdacht gegen die gesamte Belegschaft oder eine größere Arbeitnehmergruppe.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Bei der Einführung der Videoüberwachung ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beachten.  Andernfalls drohen Unterlassungsansprüche und  Ordnungsgeld bis zu 10.000 Euro für jeden Wiederholungsfall. In dem oben geschilderten BAG-Fall hatte der Betriebsrat der Überwachung vorab zugestimmt.

Beweisverwertungsverbot

Nicht zwangsläufig folgt aus einer unzulässigen Beweiserhebung auch ein Beweisverwertungsverbot. Die „Fruit of the Poisenous Tree-Doktrin“, die besagt, dass unerlaubt erworbene Beweismitteln nicht vor Gericht verwendet werden dürfen, findet im deutschen Recht keine Anwendung. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, wie schwerwiegend der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist. Je geringfügiger der Anlass für die Videoüberwachung ist, desto größer ist das Risiko eines Beweisverwertungsverbots. Aber: Steht kein anderes Beweismittel als die Videoaufnahme zur Verfügung, um das Fehlverhalten zu beweisen, muss die Verwertung möglich bleiben. 

Haben Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch?

Wird ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz permanent videoüberwacht, so stellt dies regelmäßig einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar, der zu einem Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber führt. In einem Fall (LAG Hessen v. 25.10.2010, Az. 7 Sa 1586/09) war gegenüber der Eingangstür des Büros eine Videokamera angebracht, die nicht nur auf den Eingangsbereich, sondern auch auf den Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin gerichtet war. Der Arbeitgeber wurde deshalb zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von EUR 7,000 verurteilt. Es war unerheblich, dass die Kamera nicht ständig in Funktion war. Allein die Unsicherheit darüber, ob die Kamera tatsächlich aufzeichnet oder nicht, hatte die Arbeitnehmerin einem dauerhaften Anpassungs- und Überwachungsdruck ausgesetzt, den sie nicht hinnehmen musste.

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Foto von Alex Knight