PROBLEMPUNKT

Die Parteien stritten über einen Teilzeitanspruch während der Elternzeit. Die klagende Arbeitnehmerin hatte nach der Geburt ihres Kindes zunächst zwei Jahre Elternzeit genommen. Während dieser beantragte sie Elternteilzeit ab dem siebten Monat: fünf Monate lang mit 15 Wochenstunden und für die restliche Zeit bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes mit 20 Wochenstunden. Für den Fall, teilweise von zu Hause arbeiten zu können, bot sie ein höheres Stundenmaß an. Die Parteien vereinbarten die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin entsprechend den gewünschten Konditionen, allerdings ohne ihr die Mehrarbeit von zu Hause aus zu ermöglichen. Vor Ablauf der zweijährigen Elternzeit erklärte die Beschäftigte die Inanspruchnahme des dritten Jahres der Elternzeit und beantragte gleichzeitig die Beibehaltung der wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden sowie deren Verteilung auf montags von 7.30 bis 14.45 Uhr, mittwochs und donnerstags von 07.30 bis 15.00 Uhr. Die Arbeitgeberin lehnte eine weitere Teilzeitbeschäftigung der Klägerin ab. Sie habe ihren Anspruch auf zweimalige Verringerung der Elternzeit bereits ausgeschöpft.

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Foto von Blake Wisz

ENTSCHEIDUNG

Das BAG gab der Klägerin Recht. Der Anspruch auf die von ihr begehrte Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit ergibt sich aus § 15 Abs. 6 und 7 BEEG. Dass danach während der Gesamtdauer der Elternzeit nur zweimal eine Verringerung beansprucht werden kann, hindert den Anspruch der Klägerin nicht. § 15 BEEG unterscheidet zwischen der Arbeitszeitverringerung im Konsensverfahren (§ 15 Abs. 5 Satz 1 und 2 BEEG) und im Anspruchsverfahren (§ 15 Abs. 6 und 7 BEEG). Im Konsensverfahren getroffene einvernehmliche Elternteilzeitregelungen sind nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung nach § 15 Abs. 6 und 7 BEEG anzurechnen. Das Konsensverfahren wird damit eingeleitet, dass der Mitarbeiter die Verringerung der Arbeitszeit beantragt. Dieser Antrag muss jedoch noch kein annahmefähiges Angebot i. S. v. § 145 BGB sein, sondern es reicht bspw. Die Bitte um eine Verhandlung. Die Einleitung des Konsensverfahrens hat das BAG hier bzgl. Der ersten beiden Abschnitte der Elternteilzeit angenommen, da die Klägerin noch klären wollte, ob und in welchem Umfang sie von zuhause arbeiten kann. Demgegenüber wird das Anspruchsverfahren durchgeführt, wenn das Konsensverfahren gescheitert ist. Der Arbeitnehmer leitet es mit der Abgabe eines annahmefähigen Angebots ein, das mit einem bloßen „Ja“ angenommen werden kann. Die Anzahl der Verringerungsanträge im Konsensverfahren begrenzt § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG im Gegensatz zu Abs. 6 nicht und knüpft diese bspw. Auch nicht an die Voraussetzungen nach Abs. 7.  

Der Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung stützen dieses Auslegungsergebnis, so das BAG. Dem Ziel der Regelung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, widerspricht es, einen gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzbaren Rechtsanspruch aus § 15 Abs. 6 BEEG dadurch einzuschränken, dass auch eine freiwillige Einigung im Konsensverfahren über die Verringerung der Arbeitszeit angerechnet wird.

Eine Geltendmachung des Verringerungsanspruchs im Anspruchsverfahren setzt nicht voraus, dass der Beschäftigte Klage eingereicht hat. Eine erst dort erzielte Einigung (nach Scheitern des  Konsensverfahrens) ist auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung anzurechnen. Offen lässt das BAG, ob bereits die schriftliche Mitteilung des Verringerungsanspruchs nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG für dessen Geltendmachung ausreicht oder ob darüber hinaus keine Einigung im Konsensverfahren zu Stande gekommen sein darf. Die Klägerin hat gem. § 15 Abs. 6 und 7 BEEG zudem einen Anspruch auf die von ihr beantragte Verteilung der verringerten Arbeitszeit, denn der Verringerungsanspruch erstreckt sich auch darauf. Losgelöst vom Fall gibt das BAG den Hinweis, dass im Anspruchsverfahren eine Verringerung und eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit dann nicht einheitlich angeboten werden sollte, wenn man nicht eine Ablehnung der Elternteilzeit insgesamt riskieren will, falls der gewünschten Verteilung dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

KONSEQUENZEN

Das Urteil des BAG führt dazu, dass die praktische Handhabung des Verfahrens zur Gewährung von Teilzeit während der Elternzeit ohne juristische Beratung kaum mehr möglich ist.
Es spricht für die Notwendigkeit, das Konsensverfahren in § 15 Abs. 5 BEEG aus dem Gesetz zu streichen und es allein beim Antragsverfahren nach § 15 Abs. 6 und 7 BEEG zu belassen.

Es wird ohnehin regelmäßig so sein, dass Unternehmen und Mitarbeiter über die Ausgestaltung von Elternteilzeit „reden“, bevor Letzterer seinen Antrag stellt. Der im Elternzeitrecht nicht bis ins Detail bewanderte oder fachlich beratene Antragsteller wird im Zweifel gar nicht wissen, dass das Verfahren zum Beantragen von Elternteilzeit zweistufig ist. Arbeitgeber hatten auch vor diesem Urteil schon oft Schwierigkeiten, ein Begehren nach einem Konsensverfahren von einem „echten“ Antrag abzugrenzen. Jetzt wird das Unternehmen sogar noch dafür bestraft, wenn es guten Willen zeigt und sich sofort mit seinem Arbeitnehmer auf die Ausgestaltung der Elternteilzeit einigt.
Praxistipp

Will ein Arbeitgeber vermeiden, dass zu den freiwillig gewährten Abschnitten der Elternteilzeit potenziell noch zwei weitere Änderungen in der Höhe der Arbeitszeit und/oder deren Verteilung dazukommen, zwingt ihn das BAG dazu, das Konsensverfahren scheitern zu lassen und die begehrte Elternteilzeit erst im Anspruchsverfahren zu genehmigen. Dementsprechend sollte in der Beantwortung eines schriftlichen Elternzeit“antrags“ – auf welches Verfahren er sich auch immer beziehen mag – vermerkt werden, dass man das Konsensverfahren als gescheitert ansieht und damit nun im Antragsverfahren das entsprechende Begehren genehmigt.

Quelle: Arbeit & Arbeitsrecht 1/2014
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