v. 19. Januar 2010, Az. 3 AZR 42/08 und 3 AZR 409/09

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Sachverhalt

Der einen Entscheidung (3 AZR 42/08) lag eine Tätigkeit der Klägerin für die Produktionsgenossenschaft Handwerk zuletzt als Buchhalterin zu Grunde. Nach der Umwandlung der Produktionsgenossenschaft im Jahr 1990 in eine GmbH war sie dann für diese tätig. Die Klägerin hielt eine Stammeinlage von 10.000 DM an der GmbH, das Stammkapital belief sich auf 55.000 DM. Die GmbH hatte noch weitere vier Gesellschafter. Alle Gesellschafter erhielten eine Versorgungszusage in Form einer Direktversicherung.

Auch im zweiten Fall (3 AZR 409/09) lag eine Beschäftigung bei einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks vor. Ebenfalls im Jahr 1990 erfolgte die Umwandlung in eine GmbH. Der Kläger hielt neben zwölf (später 13) anderen Gesellschaftern einen Gesellschaftsanteil von 9,16 Prozent. Ein Gesellschafterbeschluss sah eine Versorgungszusage für alle Gesellschafter in Form einer Direktzusage vor. Aufgrund dessen wurde mit dem Kläger ein Pensionsvertrag abgeschlossen.

Streitig war in beiden Fällen, ob nach Eintritt der Insolvenz der jeweiligen GmbH der Pensions-Sicherungs-Verein a.G. (PSV) die Versorgungsleistung an die Kläger zahlen musste.

Die Entscheidung

Eine Eintrittspflicht des PSV in Versorgungsleistungen liegt nur dann vor, wenn eine betriebliche Altersversorgung gegeben ist. Dies verneinte das BAG in beiden Fällen, da die Zusage nicht aus Anlass des Arbeitsverhältnisses oder eines arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei.

Das Gericht sah keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Zusage und dem Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis. Das ausschlaggebende Indiz gegen eine betriebliche Altersversorgung sei die Tatsache, dass die Zusage allein den Gesellschaftern erteilt worden sei. Dies spreche dafür, dass es sich bei den Versorgungsleistungen um “Unternehmerlohn” anlässlich der Gesellschafterstellung handele und nicht um Arbeitslohn aus einem Anstellungsverhältnis.

In den Entscheidungsbegründungen heißt es, dass für diese Bewertungsfrage auch entscheidend sein könne, ob Art und Höhe der Zusage bei fremden Arbeitnehmern wirtschaftlich vernünftig und üblich gewesen wäre. Eine Rolle könne auch spielen, ob eine bereits während des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses zu finanzierende Direktversicherung vorliege oder eine Direktzusage, bei der die Belastungen erst bei Eintritt des Versorgungsfalles entstehen. Doch führten diese Kriterien nicht zu einer anderen Bewertung.

In der hier erstgenannten Entscheidung (3 AZR 42/08) führt das Gericht weiter aus, dass eine nicht allzu hohe Zusage die Indizwirkung einer ausschließlichen Zusage an die Gesellschafter nicht entkräfte. Die Zusage sei daher gesellschaftlich veranlasst. Dies werde noch dadurch untermauert, dass eine Zusage auch an die Belegschaft die Gesellschaft überfordert hätte, so dass die Zusage allein aus der Stellung als Gesellschafter zu erklären sei.

Weiter heißt es, die Betriebstreue könne zwar ein Unterscheidungskriterium sein, um bestimmte Arbeitnehmergruppen von einer Altersversorgung auszunehmen. Dann müsse aber dargelegt werden, dass die Betriebstreue der Gesellschafter honoriert werde, weil die Leistungen der Gesellschafter als Arbeitnehmer tatsächlich höherwertig oder bedeutsamer seien als die anderer Arbeitnehmer. Die Formulierungen in den Direktversicherungsverträgen spielten für die Bewertung jedenfalls keine Rolle.

In der Entscheidung 3 AZR 409/09 legt das Gericht dar, es sei unerheblich, dass der Pensionsvertrag auf einen “Anstellungsvertrag” mit dem Kläger hinweise. Inhaltlich beziehe sich dieser Pensionsvertrag weder auf die Tätigkeit im Rahmen eines Anstellungsvertrags noch auf die Vergütung daraus. Vielmehr liege ein Hinweis auf die Veranlassung durch die Gesellschafterstellung darin, dass der Durchführungsweg der Direktzusage gewählt worden sei.

Eine Direktzusage belaste das Unternehmen erst bei Eintritt des Versorgungsfalles, weil eine Ausfinanzierung – anders als bei der Direktversicherung – nicht erfolge. Die Entscheidung für die Direktzusage sei aus wirtschaftlichen Gründen zur Verbesserung der Liquidität und zum Ansammeln von Kapital erfolgt und daher gesellschaftlich veranlasst. Vor diesem Hintergrund komme es auf die Frage, ob auch andere Arbeitnehmer eine Versorgungszusage erhalten haben, nicht an. Wie aber die Entscheidung 3 AZR 42/08 gezeigt hat, spricht andererseits die Wahl einer Direktversicherung allein noch nicht gegen das Vorliegen einer gesellschaftlichen Veranlassung.

Das Fazit

Das BAG hängt die Messlatte sehr hoch. Es scheint der Regelfall zu sein, dass bei einer Zusage allein an die Gesellschafter diese Zusage nicht anlässlich des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses erfolgt ist. Den anderen Umständen hat das Gericht jeweils eine schwächere Indizwirkung zukommen lassen und sie damit nicht als entscheidend angesehen.

Dies hat weitreichende Folgen. Nicht nur, dass die Insolvenzsicherung über den PSV entfällt wie in den beiden Entscheidungen geregelt. Auch die übrigen Regelungen des Betriebsrentengesetzes greifen nicht. Das Abfindungsverbot gilt nicht, eine Anpassungsprüfungspflicht laufender Leistungen entfällt. Aber auch für die Frage, ob eine Zusage eine verdeckte Gewinnausschüttung an einen Gesellschafter darstellt, kann die Entscheidung des BAG richtungweisend sein.

Die aufgeworfenen Fragen sind nicht nur für den versorgungsberechtigten Gesellschafter von Bedeutung, sondern auch für die Gesellschaft. Die Gesellschaft leistet als Versorgungsträger regelmäßig Beiträge an den PSV zur Insolvenzsicherung, ohne dass eine Leistungspflicht des PSV entsteht. Zu Unrecht gezahlte Beiträge könnten daher zurückgefordert und in Zukunft erst gar nicht mehr erbracht werden. Deshalb ist es nach alledem von entscheidender Bedeutung, die Bewertungskriterien, die das BAG nennt, richtig zu gewichten und die Konsequenzen einer Zusage an Gesellschafter folgerichtig einzuschätzen.