Problempunkt

Das beklagte Zeitarbeitsunternehmen hatte mit der Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit von Februar bis August 2006 geschlossen. Dieser sah die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung vor. Nachdem die Klägerin arbeitsunfähig erkrankte, führte sie ein Telefongespräch mit der Personaldisponentin der Beklagten. Einen Tag später ging ihr eine Kündigung zu. Kurze Zeit später folgte eine weitere vorsorgliche Kündigung. Die Mitarbeiterin erhob Klage und machte geltend, die Kündigungen seien sittenwidrig. Die Personaldisponentin habe ihr in dem Telefonat eine Kündigung in Aussicht gestellt, falls sie trotz Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erscheint. Eine Freundin, die das Gespräch zufällig ohne ihr Wissen mitgehört habe, könne dies bezeugen. Die Beklagte bestritt die Aussage.

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Das Arbeitsgericht vernahm die Personaldisponentin sowie eine weitere Arbeitnehmerin der Beklagten zum Inhalt des Gesprächs als Zeugen. Die Freundin der Klägerin hörte es nicht an. Sowohl Arbeitsgericht als auch LAG gingen von einem Beweiserhebungsverbot aus und wiesen die Klage ab.

Entscheidung

Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das LAG zurück. Den Kündigungen stand zwar nicht der Kündigungsschutz aus § 1 Abs. 2 KSchG i. V. m. § 15 Abs. 3 TzBfG entgegen, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen noch keine sechs Monate beschäftigt war, § 1 Abs. 1 KSchG. Allerdings wären sie wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB nach § 134 BGB nichtig, wenn der Vortrag der Klägerin zum Telefonat zutreffend wäre.

Fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit unter Androhung der Kündigung zur Arbeit auf und kündigt er ihm bei Nichtbefolgung zeitnah, indiziert dies eine Maßregelung i. S. d. § 612a BGB. Die hierfür beweispflichtige Klägerin berief sich auf das Zeugnis ihrer beim Telefonat anwesenden Freundin. Daher durfte das LAG nicht ohne weitere Aufklärung von einer Vernehmung absehen. Ein Beweisverwertungsverbot läge nur vor, wenn die Klägerin die Zeugin durch aktives Handeln zielgerichtet hätte mithören lassen. Trug sie jedoch nichts zum Mithören bei, greift auch kein Beweisverwertungsverbot. Hierzu hat das LAG keine Feststellungen getroffen, was es nunmehr nachholen muss.

Konsequenzen

Beruft sich der Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Verletzung des Maßregelungsverbots nach §§ 612a, 134 BGB, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Dieser kommt er nach, wenn er unter Beweisantritt einen Sachverhalt vorträgt, der einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Arbeitgeberkündigung und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten indiziert.

Dabei kann sich der Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG in bestimmten Fällen auch auf einen sog. Telefonzeugen berufen. Grundsätzlich gilt, dass das absichtliche heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG verletzt, wenn dieser vom Mithören keine Kenntnis hat. Auch das bloße Wissen, dass eine Mithöreinrichtung vorhanden ist, beseitigt den Schutz des gesprochenen Wortes nicht ohne Weiteres. Es liegt stets eine Rechtsverletzung vor, wenn ein Gesprächspartner ohne Wissen des anderen eine dritte Person zielgerichtet als Zuhörer in das Gespräch mit einbezieht. Dies ist der Fall, wenn der Gesprächspartner den Lautsprecher des Telefons einschaltet (vgl. BAG, Urt. v. 29.10.1997 – 5 AZR 508/96; BVerfG, Beschl. v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96 u. 1 BvR 805/98, AuA 2/03, S. 55 f.). Entsprechendes gilt, wenn der Gesprächspartner das Mithören ermöglicht, indem er absichtlich den Telefonhörer oder ein Mobiltelefon vom Ohr weg hält. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung hat in diesen Fällen zur Folge, dass das Gericht den heimlich Mithörenden nicht als Zeugen zum Gesprächsinhalt vernehmen darf.

Für zulässig hält das BAG jedoch die Vernehmung solcher Telefonzeugen, deren Mithören der Beweispflichtige gar nicht bemerkt hat. Gleiches gilt, wenn er dies zwar bemerkt, den Dritten aber nicht durch aktives Handeln zielgerichtet veranlasst hat, das Telefonat mitzuhören. Es wird also nicht erwartet, dass der Angerufene, der eine Mithörmöglichkeit erkennt, Gegenmaßnahmen ergreift. Hat der Beweispflichtige nichts zum Mithören des Dritten beigetragen, besteht kein Beweisverwertungsverbot. Es überwiegt sein Interesse, seine Rechte in einem gerichtlichen Verfahren durchzusetzen. Hinzu kommt das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Rechtspflege und materiell richtigen Entscheidung. Dahinter muss das Interesse des Anrufers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts zurückstehen.

Praxistipp

Die Ausnahmen, die das BAG bezüglich des Beweisverwertungsverbots von Telefonzeugen annimmt, lassen sich sicherlich rechtstheoretisch begründen. Sie bergen aber in der Praxis die Gefahr der Rechtsunsicherheit und des Missbrauchs. In vielen Fällen werden Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, ob das Mithören zufällig oder ohne Wissen des Beweispflichtigen bzw. ohne dessen Beitrag stattgefunden hat. Erschwerend kommt hinzu, dass das BAG es auch zulässt, wenn der Beweispflichtige die nicht aktiv herbeigeführte Mithörmöglichkeit erkennt, aber keine Gegenmaßnahmen ergreift.

Außerdem werden sich die Gerichte sicherlich zunehmend wieder mit phantasievollen Sachvorträgen konfrontiert sehen, die eine Vernehmung von Telefonzeugen rechtfertigen sollen. Dem können sie nur begegnen, indem sie sehr genau die Glaubhaftigkeit des Vortrags prüfen. Für die Praxis lässt sich aus dem Urteil die Lehre ziehen, gänzlich auf Telefonate zu verzichten, wenn es um vertrauliche oder sensible Inhalte geht. Lässt sich dies nicht vermeiden, ist ein eigener Telefonzeuge hinzuzuziehen und der Gesprächspartner hierüber zu unterrichten.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 7/10