Wozu Familienfreundlichkeit im Betrieb?

men sitting on sofa
Foto von Kaleidico

Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber deutliche Vorteile. Denn wer sein Privates gut mit dem Job verbinden kann, ist in der Regel motivierter, loyaler und einsatzbereiter. Zu den positiven betriebswirtschaftlichen Effekten, von denen die Arbeitgeber profitieren, gehören zudem sinkende Krankenstände, geringere Fluktuationsraten und kürzere Karenzdauern.

Wie wird man ein familienfreundliches Unternehmen?

Nur wenige Unternehmen sind per se familienfreundlich. Oft herrscht im Gegenteil geradezu Angst vor Schwangerschaften, Sabbaticals oder Bildungskarenzen und damit verbundenen organisatorischen, finanziellen und rechtliche Herausforderungen. Es ist unbestritten, dass Familienfreundlichkeit im Unternehmen meist nicht von selbst und ohne Aufwand entsteht. Aber schon kleine Schritte können zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen.

Ein erster Schritt ist meist die Sensibilisierung der Geschäftsführung. Ohne sie ist Familienfreundlichkeit nur schwer nachhaltig umsetzbar. Denn es braucht Zeit, Ressourcen und auch finanzielle Mittel, aber es lohnt sich. Anschließend muss jedes Unternehmen für sich, unter Beachtung der Unternehmenskultur, der Mitarbeiterstruktur und sonstiger Rahmbedingungen evaluieren und entscheiden, welcher Veränderungsbedarf besteht. Bei der Planung, Einführung und Weiterentwicklung familienfreundlicher Strukturen ist es wichtig, systematisch vorzugehen. Bereits im Planungsstadium müssen Unternehmen die rechtlichen Rahmenbedingungen mitdenken und prüfen, um Risiken zu vermeiden.


Was sind Beispiele für familienfreundliche Strukturen?

Familienfreundlichkeit wird oft auf Elternschaft reduziert. Die Pflege naher Angehöriger gehört aber ebenso dazu wie Auszeiten zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung. Bei jeder Veränderung, die Familienfreundlichkeit fördert, müssen Unternehmen die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie Arbeitszeitgesetz, Arbeitnehmerschutz oder Datenschutz einhalten. Viele Kollektivverträge enthalten Regelungen zu Arbeitszeitflexibilisierung, Teilzeit, Telearbeit, Sabbaticals oder Bildungskarenz. Daher sollten Unternehmen zunächst prüfen, welche Möglichkeiten und Grenzen der anwendbare Kollektivvertrag vorsieht.

Familienfreundliche Strukturen reichen von komplexen Modellen wie der unternehmensweiten Einführung von Telearbeit über betriebliche Kinderbetreuung, Job-Sharing und flexible Arbeitszeitmodellen bis hin zu leichter umsetzbaren Initiativen wie der Einladung von Familienangehörigen zu Firmenfeiern oder der Bevorzugung von Arbeitnehmern mit Betreuungspflichten bei der Urlaubsvergabe. Auch eine Aufmerksamkeit zur Geburt eines Kindes kann das familienfreundliche Klima im Unternehmen fördern. 

Familienfreundliche Arbeitgeber gewähren auch Auszeiten, die den Mitarbeitern nicht zwingend gesetzlich zustehen, wie Sabbaticals, Bildungskarenzen, Bildungsteilzeit oder unbezahlten Urlaub. Auch das Gewähren von Freizeit statt Prämien kommt Mitarbeitern entgegen, die lieber auf einen Teil des Gehalts verzichten und dafür mehr Zeit für persönliche Interessen oder Familie haben wollen.

Serviceleistungen, mit denen Unternehmen ihre Mitarbeiter unterstützen können, sind zum Beispiel Employee-Assistance-Programme, Dienstleistungen im Haushalt oder ermäßigte Eintrittskarten zu Freizeitveranstaltungen. Bei den Angeboten zur Kinderbetreuung reichen die Möglichkeiten von aufwändigen Projekten wie Betriebskindergärten bis hin zur Kinderbetreuung an Fenstertagen oder „Flying Nannys“. Für das Personalmanagement relevant sind zudem die arbeitsrechtlichen Konsequenzen der Elternschaft – angefangen von der  Elternkarenz über die Beschäftigung während der Karenz bis hin zu Teilzeit für Väter und Mütter, Papawochen und Wiedereinstieg nach Karenz oder Elternteilzeit. Bei richtiger Planung und Umsetzung sind diese Anspräche für die Unternehmen nicht zwangsläufig eine Belastung, sondern können durchaus positive Effekte haben. So kann eine Vertretung während der Elternzeit neue Ideen ins Projekt bringen – und auch die Auszeit während er Elternkarenz kann dazu führen, dass Mitarbeiter neue Perspektiven und Herangehensweisen entwickeln.

Familienfreundlichkeit lässt sich auch als Führungsaufgabe verstehen. Unternehmen, die diesen Zusammenhang ernst nehmen, machen Familienfreundlichkeit zu einem Thema der Führungskräfteentwicklung und integrieren Vereinbarkeit in ihre Beurteilungsgespräche. Wenn der Ausgleich zwischen Beruf und Familie Bestandteil von Zielvereinbarungen oder Balanced-Score-Cards wird, kann das Thema nachhaltig im Unternehmen wirken. So können Unternehmen die „Unterstützung der Arbeitnehmer beim Erreichen einer guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ als Ziel definieren und Führungskräfte im Jahresgespräch dazu befragen.


Gibt es ein familienfreundliches Arbeitszeitmodell?

Zahlreiche Initiativen in Richtung Familienfreundlichkeit hängen mit Arbeitszeitflexibilisierung zusammen. Arbeitgeber müssen dabei die geltenden Gesetze und den anwendbaren Kollektivvertrag beachten. Dazu zählen die Höchstgrenzen der zulässigen täglichen Arbeitszeit, zwingende Ruhepausen und Ruhezeiten, maximale Kontingente an Überstunden oder zwingend zu führende Arbeitszeitaufzeichnungen. Gesetzlich zulässige Flexibilisierungsmodelle sind beispielsweise Gleitzeit, Zeitausgleich oder Durchrechnung – eine korrekte diesbezügliche Vereinbarung vorausgesetzt. Das Konzept der „Vertrauensarbeitszeit“ ist dem österreichischen Arbeitszeitrecht beispielsweise fremd. Vor der geplanten Umsetzung einer auf Vertrauen basierenden Arbeitszeitregelung  sollten Dienstgeber daher jedenfalls Rechtsberatung einholen. Vertrauensarbeitszeit sollte eher als Frage der Unternehmenskultur angesehen werden, in der Umsetzung müssen Dienstgeber aber auf gesetzlich zulässige Flexibilisierungsmöglichkeiten zurückgreifen,  um Verwaltungsstrafen sowie Nachforderungen von Arbeitnehmern und Sozialversicherung zu vermeiden.

Typische Fehler im Zusammenhang mit der Flexibilisierung von Arbeitszeit sind die Vereinbarung einer Durchrechnung, obwohl der anwendbare Kollektivvertrag dies nicht zulässt, oder eine Gleitzeitpraxis ohne gültige Betriebsvereinbarung beziehungsweise schriftliche Einzelvereinbarung. Teilweise haben Betriebe eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden, obwohl sie kein Modell vereinbart haben, das diese Stundenanzahl zulässt – wie Gleitzeit oder eine Vier-Tage-Woche.

 
Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei Familienfreundlichkeit?

Das österreichische Arbeitsverfassungsgesetz ermöglicht den Abschluss von Betriebsvereinbarungen über Initiativen zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf. Je nach Inhalt hat der Betriebsrat Informations-, Beratungs- und/oder Mitbestimmungsrechte. Bezogen auf die Arbeitszeiten hat der Betriebsrat weitgehende Rechte. Bei Einführung von Gleitzeit kann erbeispielsweise den Abschluss einer Betriebsvereinbarung verlangen und erzwingen. Dies ist bei Initiativen in Richtung Familienfreundlichkeit aber eher die Ausnahme. Viele Vorhaben die den Ausgleich von Familie und Beruf fördern sollen, unterliegen der freiwilligen Mitbestimmung: Eine freiwillige Betriebsvereinbarung im Dienste der Familienfreundlichkeit können Unternehmen beispielsweise zu folgenden Themen abschließen:

  • Projekte und Initiativen zur betrieblichen Frauenförderung (Frauenförderpläne) sowie zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf, zum Beispiel Modelle der betrieblichen Kinderbetreuung oder Regelungen zur Elternteilzeit in Betrieben mit bis zu 20 Arbeitnehmern;
  • Initiativen und Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten sowie zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer wie zum Beispiel Impfaktionen, Betriebspsychologen oder Employee-Assistance-Programms;
  • Regelungen über Grundsätze des Urlaubsverbrauchs wie zum Beispiel familienfreundliche Urlaubsplanung oder die Bevorzugung von Arbeitnehmern mit Betreuungspflichten;
  • Regelungen betreffend Sabbaticals, allerdings nur, sofern der anwendbare Kollektivvertrag eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema ermöglicht.


Los geht’s – Werden Sie nicht nur einzigartig, sondern auch familienfreundlich!

Familienfreundlichkeit im Betrieb ist Employer Branding. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Führungs- und Unternehmenskultur. Doch Arbeitgeber sind auch gefragt, die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Eine gründliche Planung ist somit unerlässlich. Doch es lohnt sich, die Mitarbeiter bei einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen.


Literaturtipp

Familienfreundlichkeit im Betrieb. Von Anna Mertinz, Peter Rieder und Elisabeth Wenzl. Manz Verlag 2014.