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Foto von Tyler Franta

Entscheidung

Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht. Zunächst führte das Gericht aus, dass diese ihr Unterlassungsbegehren auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB stützen kann. Dem steht § 23 BetrVG nicht entgegen. Während Letzterer die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung im Verhältnis des Arbeitgebers zum Betriebsrat und seiner Mitglieder gewährleistet, dient § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB dem privatrechtlichen Schutz des Eigentums gegenüber jedermann. Zudem setzt dieser Unterlassungsanspruch ein Verschulden des Störers nicht voraus; demgegenüber erfordert § 23 Abs. 1 BetrVG eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten, d. h. regelmäßig ein vorwerfbares Verhalten. Das Unternehmen ist nach Ansicht des BAG auch nicht verpflichtet, die Handlung des Arbeitnehmers zu dulden. Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst auch alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen durch die Koalition und ihre Mitglieder. Mit der Versendung und Verbreitung von Streikaufrufen nahm der Beschäftigte als Mitglied von ver.di seine individuelle Koalitionsfreiheit wahr. Da er hierbei jedoch das Eigentum der Arbeitgeberin nutzte, kollidiert sein Handeln mit deren Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG. Es ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer seine individuelle Koalitionsfreiheit in vielfältiger Weise wahrnehmen kann. Ein gewerkschaftszugehöriger Mitarbeiter kann in persönlichen Gesprächen in Pausen und außerhalb des Betriebs mündlich oder schriftlich auf Arbeitskollegen einwirken. Die Nutzung der Kommunikationsmittel des Unternehmens – einschließlich der von ihm erstellten und gepflegten elektronischen Adresslisten für gewerkschaftliche Anliegen – stellt für ihn zwar eine höchst effektive, aber keineswegs die einzige Möglichkeit koalitionsspezifischer Betätigung dar. Dazu ist er nicht auf die Nutzung der arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten betrieblichen Kommunikationsinfrastruktur angewiesen – auch wenn auf diese Weise Streikaufrufe einer Gewerkschaft schneller und zielgerichteter verbreitet werden können und so deren Kampfkraft gestärkt wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den richterrechtlichen Grundsätzen zur gewerkschaftlichen Mitgliederwerbung durch E-Mails. Der Eingriff durch Werbemaßnahmen in geschützte Rechtsgüter des Unternehmens erfolgt in jenen Fällen von außen durch die Gewerkschaft. Diese nimmt hierbei ihre kollektive Koalitionsfreiheit wahr und bedient sich eigener Sachmittel.

Praxistipp

Arbeitgeber brauchen zumindest Streikaufrufe von Betriebsräten an die Belegschaft, die über ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellten E-Mail-Accounts erfolgen, nicht zu dulden. Es empfiehlt sich daher, hinsichtlich der Gestattung oder des Verbots der Privatnutzung des Intranets und von E-Mails klare Regelungen zu treffen, da höchstrichterlich bislang nicht abschließend entschieden ist, ob und wie sich eine etwaige gestattete oder auch nur geduldete private Nutzung bzgl. eines Unterlassungsanspruchs auswirkt. Darüber hinaus können Unternehmen auch versuchen, die E-Mails von oder im Namen von Gewerkschaftsmitgliedern durch einen Spam-Filter zu blockieren, da Arbeitgeber gewerkschaftliche E-Mails nicht anders behandeln müssen als z. B. Werbemails (Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, S. 140), jedoch bestehen auch in diesem Zusammenhang noch zahlreiche nicht abschließend gelöste Rechtsfragen.

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Anmerkung der HRM.de-Redaktion: Lesen Sie auch folgenden Beitrag zum Thema Streikaufruf:

Streikaufruf mit Dienst-E-Mail verboten
Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, einen für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten persönlichen E-Mail-Account für die Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft zu nutzen. Im konkreten Fall leitete ein Betriebsratsvorsitzender, ein Mitglied von ver.di, einen Streikaufruf über das Intranet an alle Mitarbeiter weiter.

https://www.hrm.de/fachartikel/streikaufruf-mit-dienst-e-mail-verboten-11365

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Fotocredit:
© Klaus-Uwe Pacyna | www.pixelio.de
Quelle: Zeitschrift “Arbeit und Arbeitsrecht” | Ausgabe 6 / 2014 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

Problempunkt

Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht. Zunächst führte das Gericht aus, dass diese ihr Unterlassungsbegehren auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB stützen kann. Dem steht § 23 BetrVG nicht entgegen. Während Letzterer die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung im Verhältnis des Arbeitgebers zum Betriebsrat und seiner Mitglieder gewährleistet, dient § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB dem privatrechtlichen Schutz des Eigentums gegenüber jedermann. Zudem setzt dieser Unterlassungsanspruch ein Verschulden des Störers nicht voraus; demgegenüber erfordert § 23 Abs. 1 BetrVG eine grobe Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten, d. h. regelmäßig ein vorwerfbares Verhalten. Das Unternehmen ist nach Ansicht des BAG auch nicht verpflichtet, die Handlung des Arbeitnehmers zu dulden. Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst auch alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen durch die Koalition und ihre Mitglieder. Mit der Versendung und Verbreitung von Streikaufrufen nahm der Beschäftigte als Mitglied von ver.di seine individuelle Koalitionsfreiheit wahr. Da er hierbei jedoch das Eigentum der Arbeitgeberin nutzte, kollidiert sein Handeln mit deren Rechtspositionen aus Art. 14 Abs. 1 GG. Es ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer seine individuelle Koalitionsfreiheit in vielfältiger Weise wahrnehmen kann. Ein gewerkschaftszugehöriger Mitarbeiter kann in persönlichen Gesprächen in Pausen und außerhalb des Betriebs mündlich oder schriftlich auf Arbeitskollegen einwirken. Die Nutzung der Kommunikationsmittel des Unternehmens – einschließlich der von ihm erstellten und gepflegten elektronischen Adresslisten für gewerkschaftliche Anliegen – stellt für ihn zwar eine höchst effektive, aber keineswegs die einzige Möglichkeit koalitionsspezifischer Betätigung dar. Dazu ist er nicht auf die Nutzung der arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten betrieblichen Kommunikationsinfrastruktur angewiesen – auch wenn auf diese Weise Streikaufrufe einer Gewerkschaft schneller und zielgerichteter verbreitet werden können und so deren Kampfkraft gestärkt wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den richterrechtlichen Grundsätzen zur gewerkschaftlichen Mitgliederwerbung durch E-Mails. Der Eingriff durch Werbemaßnahmen in geschützte Rechtsgüter des Unternehmens erfolgt in jenen Fällen von außen durch die Gewerkschaft. Diese nimmt hierbei ihre kollektive Koalitionsfreiheit wahr und bedient sich eigener Sachmittel.

Konsequenzen

Dem Beschluss des BAG ist sowohl hinsichtlich des Ergebnisses als auch in der Begründung zuzustimmen. Dabei ließ das Gericht noch die Frage offen, was gilt, wenn die Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts für private Zwecke erlaubt oder zumindest nicht ausdrücklich verboten ist. Allerdings dürfte auch in diesem Fall ein Streikaufruf mittels Verwendung der Unternehmensdienstmittel unzulässig sein. Dafür spricht, dass zugunsten des Arbeitgebers die Wertung des Neutralitätsgebots des § 74 Abs. 2 BetrVG, das dem Betriebsrat Arbeitskampfmaßnahmen untersagt, zu berücksichtigen ist. Das Hessische LAG (Urt. v. 20.8.2010 – 19 Sa 1835/09, ArbRB 2011, S. 15) hatte im Jahr 2010 in einer anderen Sache hingegen entschieden, dass eine gewerkschaftlich aktive Krankenschwester nicht abgemahnt werden darf, die während eines Tarifkonflikts von einem ausschließlich für dienstliche Zwecke zu nutzenden E-Mail-Account – ohne Abstimmung mit dem Unternehmen, das aber die Privatnutzung zumindest duldete – an die betrieblichen E-Mail-Adressen von etwa 140 Kollegen eine Nachricht verschickt hatte, in der sie sie über einen von ihrer Gewerkschaft geplanten Warnstreik berichtete und zudem zum Streik aufrief.