BAG, Urteil vom 20. Mai 2008, 9 AZR 382/07

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Foto von Danielle MacInnes

Der klagende Arbeitnehmer dieses Falles war von Mai 2002 bis zum 31. März 2006 für die Beklagte als Büroleiter in China mit dortigem Wohnsitz beschäftigt. Sowohl ihm als auch den anderen dort tätigen Mitarbeitern erstattete die beklagte Arbeitgeberin die Kosten für die Miete. Ab August 2005 verweigerte sie dem mittlerweile gekündigten Kläger, dessen Mietkosten weiter zu erstatten. Sie berief sich dabei auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Schriftformklausel. Nach dieser bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Vertrages sowie der Verzicht auf das Schriftformerfordernis der Schriftform.

Das Bundesarbeitsgericht hat der Klage auf Erstattung der Mietkosten für die Zeit von August 2005 bis Ende März 2006 jedoch stattgegeben. Zur Begründung führt es aus, der Erstattungsanspruch des Klägers folge aus sogenannter betrieblicher Übung. Die Schriftformklausel sei zu weit gefasst und daher gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB (= „unangemessene Benachteiligung“) unwirksam. Sie erwecke beim Arbeitnehmer entgegen der Schutzvorschrift des § 305b BGB (= „Vorrang individueller Vertragsabreden vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen“) den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 125 Satz 2 BGB (= „Nichtigkeit wegen Formmangels“) unwirksam.

Diese Entscheidung des BAG führt praktisch dazu, dass Schriftformvereinbarungen - zumindest im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen, das heißt für eine Vielzahl von Fällen vorformulierter Vertragsbedingungen- nicht mehr greifen. Waren Schriftformklauseln bislang besonders wichtig, um Vertragsklarheit zu schaffen und einen gewissen Schutz vor dem Entstehen betrieblicher Übung zu bieten, gibt es durch die vorgenannte Entscheidung nunmehr keine Rechtssicherheit mehr. Eine Schriftformklausel erwecke beim Arbeitnehmer den Eindruck, eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform unwirksam, so das BAG. Dies ist damit zunächst auch beabsichtigt: Der Arbeitgeber möchte erreichen, dass nur noch schriftliche Vereinbarungen wirken. Das AGB-Recht steht dem allerdings entgegen. Danach gehen individuelle Vereinbarungen immer gegenüber den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Eine individuelle Vereinbarung kann auch eine mündliche Vereinbarung sein. Behauptet der Arbeitnehmer beispielsweise, dass trotz vertraglicher Schriftformklausel der Arbeitgeber ihm verbindlich auch für die Zukunft ein Weihnachtsgeld zugesagt habe und kann er den Inhalt dieser mündlichen Vereinbarung beweisen, geht diese individuelle Abrede der „Allgemeinen Geschäftsbedingung Arbeitsvertrag“ vor, auch wenn die Vereinbarung nur mündlich erfolgte.

Fazit:

Entweder muss der Arbeitgeber in jedem Einzelfall nach ausführlicher Verhandlung mit dem Arbeitnehmer eine individuell formulierte, individuell aufgesetzte Vereinbarung treffen, aus der auch hervorgeht, dass der Arbeitgeber bereit war, über den Inhalt zu verhandeln, oder er muss sich darauf einstellen, dass auch mündliche Vereinbarungen wirksam sind und insoweit auch betriebliche Übungen entstehen können.

Weitere Informationen: www.edk.de