Bislang nicht abschließend geklärt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Freistellungsvorbehalt für den Fall der Kündigung vereinbart werden kann. Die Freistellungsklausel sollte daher – bis zu einer endgültigen Klärung durch das BAG – nicht an eine Kündigung als alleinigen Freistellungsgrund anknüpfen. Möglich ist aber, den Kündigungsfall als Konkretisierung eines sachlichen Grundes aufzunehmen, s. Muster 2 auf S. 273.

Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht
Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht

1 Widerrufliche oder unwiderrufliche Freistellung

Bei einer widerruflichen Freistellung wird der Arbeitnehmer unter dem Vorbehalt, dass der Arbeitgeber ihn jederzeit wieder anweisen kann, die Arbeit aufzunehmen, unter Fortzahlung seiner Vergütung von der Arbeitspflicht befreit. Die unwiderrufliche Freistellung erfolgt hingegen vorbehaltslos, so dass der Mitarbeiter bis zum Ende der Freistellung nicht mehr verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Eine unwiderrufliche Freistellung kann der Arbeitgeber einseitig nicht zurücknehmen. Vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Beschäftigte die Tätigkeit wieder aufnimmt. Insofern bevorzugen Mitarbeiter diese Variante, da sie keine unerwartete Anweisung zur Arbeitsaufnahme befürchten müssen. Zudem ist nach der Rechtsprechung des BSG nunmehr auch geklärt, dass eine unwiderrufliche Feststellung unter Fortzahlung der geschuldeten Vergütung sozialversicherungsrechtlich zu keinen Nachteilen führt (Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R, AuA 7/09, S. 737).

Der Arbeitgeber sollte vor Ausspruch der Freistellung sorgfältig prüfen, ob er wirklich endgültig auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verzichten möchte. Will er sich ein Widerrufsrecht vorbehalten, muss er dies in der Freistellungserklärung klar zum Ausdruck bringen. Das BAG legt jede nicht ausdrücklich widerruflich ausgesprochene Freistellungserklärung, die eine Urlaubsabgeltung vorsieht, als unwiderrufliche Freistellung aus (Urt. v. 14.3.2006 – 9 AZR 11/05, AuA 11/06, S. 684).

2 Einvernehmliche oder einseitige Freistellung

Gegen einvernehmliche Freistellungsvereinbarungen in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Dagegen sind die Möglichkeiten des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer einseitig freizustellen, begrenzt. Aus dem Arbeitsverhältnis ergibt sich für den Mitarbeiter nicht nur die Pflicht, die Arbeitsleistung zu erbringen, sondern auch das Recht auf Beschäftigung. Daher lässt das BAG – auch während der Kündigungsfrist – eine einseitige Freistellung nur zu, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen (Urt. 19.8.1976 – 3 AZR 173/75).

Dazu gehören z. B. der Wegfall der Vertrauensgrundlage wegen einer Straftat oder eines dringenden Tatverdachts, die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, ein zum Wettbewerber wechselnder Arbeitnehmer, die Verhinderung von weiteren Auseinandersetzungen zwischen Kollegen, der defi nitive Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, bedingt durch einen Auftragsmangel sowie Gründe, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen können.

Eine unberechtigte Freistellung lässt den Beschäftigungsanspruch des Arbeitsnehmers nicht entfallen. Dieser kann die Erfüllung gerichtlich durchsetzen. U. U. bestehen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auch Schmerzensgeldansprüche. Je nach Schwere der Vertragsverletzung ist außerdem eine fristlose Eigenkündigung des Arbeitnehmers mit einem Schadensersatzanspruch gem. § 628 BGB möglich.

PRAXISTIPP

Von der einseitigen Freistellung ist die Urlaubserteilung im gekündigten Arbeitsverhältnis zu  unterscheiden. Diese kann der Arbeitnehmer nur ablehnen, wenn ihm eine Urlaubsabgeltung während der verbleibenden Dauer des  Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Zumindest über diesen Weg ist eine einseitige Freistellung in der Kündigungsfrist möglich, ohne dass besondere Gründe dafür vorliegen müssen.

3 Freistellungsklauseln in Arbeitsverträgen

In Anbetracht der beschränkten Zulässigkeit der einseitigen Freistellung findet man regelmäßig bereits im Arbeitsvertrag eine Regelung, die den Arbeitgeber hierzu berechtigen soll. Solche arbeitsvertraglichen Freistellungsklauseln unterliegen allerdings der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Es ist davon auszugehen, dass eine generelle und einschränkungslose Freistellungsklausel den Arbeitnehmer mit Blick auf seinen Beschäftigungsanspruch unangemessen i. S. v. § 307 BGB benachteiligt. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen von formularmäßig vereinbarten Freistellungsklauseln gefordert, das vertraglich eingeräumte Freistellungsrecht des Arbeitgebers an besondere Umstände und Gründe zu knüpfen. Letztlich ist eine wirksame Freistellungsklausel so zu gestalten, dass sie das Recht zur Freistellung auf einen sachlichen Grund stützt, s. Muster 1 auf S. 273.

4 Urlaub

Bei der Gestaltung der Freistellung ist zudem zu klären, ob dem Arbeitnehmer noch Urlaubs- und/oder Freizeitausgleichsansprüche zustehen. Beide Ansprüche können bei einer Freistellung erfüllt werden:

Freizeitausgleichsansprüche lassen sich sowohl mit einer widerruflichen als auch mit einer unwiderruflichen Freistellung erfüllen. Den Urlaubsanspruch kann der Arbeitgeber im Rahmen der Freistellung nur abgelten, wenn er den Arbeitnehmer unwiderruflich von der Arbeitspflicht freistellt (BAG, Urt. v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, AuA 6/10, S. 374). Eine widerrufliche Freistellung führt auch dann nicht zur Erfüllung, wenn das Unternehmen sie mit der ausdrücklichen Erklärung verbindet, dass hierdurch der Resturlaub abgegolten werden soll (BAG, Urt. v. 14.3.2006, a. a. O.). Der Arbeitnehmer behält seinen Urlaubsanspruch, der mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist. Um eine Urlaubsabgeltung während der Freistellung herbeizuführen, ist zudem erforderlich, dass der Arbeitgeber die unwiderrufliche Freistellung ausdrücklich unter Anrechnung der Resturlaubsansprüche erklärt. Ferner muss deutlich werden, in welchem Umfang der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche erfüllen will. Erklärt er sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, geht dies zu seinen Lasten (BAG, Urt. 15.5.2011 – 9 AZR 189/10).

5 Anderweitiger Verdienst bei einvernehmlicher Freistellung

Gerade bei längeren Freistellungsphasen werden viele Arbeitnehmer bereits bei einem anderen Arbeitgeber tätig oder machen sich selbstständig. Es stellt sich daher die Frage, ob der Mitarbeiter sich den während der Freistellung anderweitig erzielten Verdienst auf den fortzuzahlenden Arbeitslohn anrechnen lassen muss.

Grundsätzlich ist gem. § 615 Satz 2 BGB anderweitiger Verdienst nur anzurechnen, wenn der Arbeitgeber sich mit der Annahme der Arbeitsleitung in Verzug befindet. Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer ihm noch eine Arbeitsleistung schuldet. Fehlt es daran, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten. Dann scheidet auch eine Anrechnung anderweitig erzielten Verdiensts aus. Das bedeutet: Haben die Parteien einvernehmlich die unwiderrufliche Freistellung zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen vereinbart, darf der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht mehr fordern. Damit kann er mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht mehr in Verzug geraten. Eine Anrechnung nach § 615 Satz 2 BGB scheidet in diesem Fall aus. Obwohl das BAG dies bislang noch nicht entschieden hat, wird man auch bei der einvernehmlichen widerruflichen Freistellung davon ausgehen müssen, dass der Arbeitgeber vorübergehend widerruflich keine Obliegenheit zur Beschäftigung des Arbeitnehmers hat. Damit kann er auch in diesem Fall mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht mehr in Verzug geraten, so dass eine Anrechnung nach § 615 Satz 2 BGB ausscheidet. Im Fall der einvernehmlich vereinbarten Freistellung kann eine Anrechnung von anderweitigem Verdienst daher nur erfolgen, wenn die Parteien dazu eine ausdrückliche Regelung getroffen haben. Fehlt eine solche, darf der Arbeitnehmer während der Freistellungszeit ggf. „doppelt“ verdienen, ohne dass der Arbeitgeber dies verhindern kann. Dies gilt selbst dann, wenn er während der Freistellung bei einem Konkurrenten tätig wird (BAG, Urt. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11).

6 Anderweitiger Verdienst bei einseitiger Freistellung

Anders verhält es sich bei der einseitigen Freistellung von der Arbeit: Soweit keine besonderen Umstände vorliegen, ist die widerrufliche einseitige Freistellung regelmäßig nicht anders zu beurteilen, als wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit nachhause schickt, weil er ihn nicht mehr beschäftigen will. In diesem Fall bleibt die Arbeitspflicht bestehen, womit der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät. Der Mitarbeiter muss sich hier die Verdienste, die er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erzielt, anrechnen lassen. Eines ausdrücklichen Anrechnungsvorbehalts bedarf es nicht. › Etwas Anderes gilt, wenn die Freistellung unwiderruflich unter Anrechnung sämtlicher Urlaubsansprüche erfolgt. Für die Dauer der Urlaubsgewährung scheidet mangels Annahmeverzugs eine Anrechnung anderweitigen Verdiensts aus.

› Problematisch wird die Situation, wenn die unwiderrufliche Freistellung die Dauer des noch zu erfüllenden Urlaubsanspruchs übersteigt und der Urlaubszeitraum nicht festgelegt ist. In diesem Fall ist der  Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG frei darin, die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen. Eine Anrechnung anderweitigen Verdiensts für die gesamte Dauer der Freistellung scheidet damit aus (Urt. v. 19.3.2002 – 9 AZR 16/01). Möchte sich der Arbeitgeber in der Zeit der Freistellung, die nicht der Urlaubsabgeltung dient, die Anrechnung vorbehalten, muss er dies klarstellen. Dabei kann es nach Ansicht des BAG schon ausreichen, wenn er den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche von der Arbeit freistellt, ihn aber zugleich bittet, ihm die Höhe des während der Freistellung erzielten Verdiensts mitzuteilen (Urt. v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, AuA 2/07, S. 115).

PRAXISTIPP

Um Zweifelsfälle zu vermeiden, empfiehlt es sich, stets eine ausdrückliche Erklärung zur Anrechnung aufzunehmen.

7 Auswirkungen auf ein Wettbewerbsverbot

Eine solche Anrechnungserklärung kann aber Auswirkungen auf ein etwaiges Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers haben. Grundsätzlich unterliegt jeder Mitarbeiter bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Ausfluss des in § 60 HGB enthaltenen Rechtsgedankens einem vertraglichen Wettbewerbsverbot. Damit gilt dieses grundsätzlich auch während einer Freistellung. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer allerdings unter dem Vorbehalt der Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdiensts frei, kann hierin nach Ansicht des BAG ein Verzicht auf das vertragliche Wettbewerbsverbot liegen (Urt. v. 6.9.2006, a. a. O.). Er gibt dadurch zu erkennen, dass er an der Einhaltung des vertraglichen Wettbewerbsverbots nicht interessiert ist, da sich anderweitiger Erwerb in erster Linie mit einer Wettbewerbstätigkeit erzielen lässt. Eine einseitige unwiderrufliche Freistellungserklärung unter Anrechnung von Urlaub, bei der sich der Arbeitgeber die Anrechnung anderweitigen Verdienstes für die Zeit der Freistellung, die nicht der Urlaubsabgeltung dient, vorbehalten möchte, muss dies klarstellen und zugleich auf der Einhaltung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots bestehen, s. Muster 4.

8 Fazit

Entscheidet sich der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer freizustellen, ist zunächst genau zu prüfen, welche weiteren Rechtsfolgen er mit der Freistellung – vor allem in Bezug auf die Urlaubsgewährung, die Anrechnung anderweitigen Verdiensts und das Wettbewerbsverbot – herbeiführen möchte. Dann ist in einem zweiten Schritt die Freistellungserklärung gründlich zu formulieren. Zweifel in der Auslegung gehen in aller Regel zulasten des Arbeitgebers, so dass bspw. die gewünschte Urlaubsgewährung nicht eintritt.

Quelle: Arbeit & Arbeitsrecht 5/2013

Insbesondere bei einer jahresübergreifenden Kündigungsfrist muss der Arbeitgeber klare Erklärungen abgeben, wenn er innerhalb der Freistellung Urlaub (für beide Jahre) gewähren will. Eine Arbeitsunfähigkeit während der Freistellung macht es dem Arbeitnehmer unmöglich, den Urlaub zu nehmen. Wird er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt und erkrankt er während des Urlaubszeitraums, bleiben die Urlaubsabgeltungsansprüche bestehen. Daher empfiehlt sich eine Kombination aus unwiderruflicher und widerruflicher Freistellung. Diese sollte zunächst unwiderruflich unter Anrechnung des Urlaubsanspruchs erfolgen und im Anschluss daran bis zur Vertragsbeendigung widerruflich. Sollte der Arbeitnehmer während des Urlaubszeitraums erkranken, kann der Arbeitgeber die Freistellung später widerrufen und den Urlaub erneut gewähren, s. Muster 3 auf S. 274.