Problempunkt

Der Arbeitnehmer wollte die Feststellung erwirken, dass sein Arbeitgeber ihm keine Sonn- und Feiertagsarbeit zuweisen darf. Sein Arbeitsvertrag regelte seit dem Jahr 1977 nur: „Der Arbeitnehmer wird für Schichtarbeit 40 h/Woche eingestellt“. Das Unternehmen zog ihn zu Sonn- und Feiertagsarbeit erstmalig 2007 heran. Der Mitarbeiter meinte, ohne besondere vertragliche Vereinbarung sei das unzulässig. Auf jeden Fall aber habe die 30 Jahre bestehende Übung, das nicht zu tun, den Arbeitgeber festgelegt, so dass die Anordnung zumindest jetzt unwirksam sei.

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Foto von Aleks Marinkovic

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah das anders. Es stellte fest, dass die Formulierung des Vertrags nicht erkennen lässt, wie die 40 Wochenstunden auf die Wochentage zu verteilen sind. In diesem Fall gilt § 106 Gewerbeordnung (GewO), wonach es dem Arbeitgeber obliegt, die Lage der Arbeitszeit zuzuweisen.

Auch wenn das Unternehmen dem Kläger immerhin 30 Jahre lang keine Sonn- und Feiertagsarbeit zugewiesen hatte, konnte dieser nicht darauf vertrauen, die Anordnung sei künftig nicht mehr möglich. Um ein solches Vertrauen zu erzeugen, muss der Arbeitgeber zusätzlich zum reinen Zeitablauf durch sein Verhalten gezeigt haben, dass er auf sein Weisungsrecht verzichtet. Hier waren solche „besonderen Umstände“ aber nicht ersichtlich.

Konsequenzen

Das Urteil greift weit über Sonn- und Feiertagsarbeit hinaus. Es betrifft Prinzipien des „Direktionsrechts“ aus § 106 GewO, gerne auch „Weisungsrecht“ genannt. Nach dem Wortlaut bezieht sich dieses Recht darauf, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit – und damit auch die Verteilung der Zeit auf die einzelnen Wochentage – festzulegen. Was der Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis über das Direktionsrecht nicht mehr zuweisen darf, kann er nur über eine Vertragsänderung erreichen. Wie der Fall zeigt, sind die Grenzen des Direktionsrechts aber schwer zu erkennen. Unspezifische Arbeitszeitvereinbarungen, wie hier, sind alltäglich. Ob man aber dann schon annehmen kann, der Arbeitgeber dürfe auch Sonn- und Feiertagsarbeit anweisen, ist keineswegs klar: Immerhin ist diese Arbeit ohne behördliche Genehmigung grundsätzlich verboten (§ 9 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz – ArbZG). Die Haltung, eine derart besondere Art der Arbeit dürfe man nur verlangen, wenn der Arbeitsvertrag sie ausdrücklich vorsieht, ist aus diesem Grund nicht gerade an den Haaren herbeigezogen. Das BAG sieht es aber genau umgekehrt: Die Zuweisung ist erlaubt, wenn der Vertrag sie nicht ausschließt.

Die wahre Bedeutung des Urteils liegt woanders, nämlich in der Behandlung des Vertrauensschutzes: Hier kann man durchaus verstehen, dass der Arbeitnehmer meinte, sich nach 30 Jahren entgegenstehender Praxis auf einen Vertrauensschutz berufen zu dürfen. Dieses oft (nicht ganz korrekt) als vermeintliches Gewohnheitsrecht verstandene Argument ist ein heißes Eisen, das völlig unterschiedlich bewertet wird:

  • Das BAG betonte wiederholt, dass der Zeitablauf allein nicht ausreicht, um ein solches Vertrauen entstehen zu lassen (bei zehn Jahren vgl. etwa Urt. v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AuA 2/08, S. 120 f.).
  • Die unteren Instanzen sahen das immer wieder anders. So fand z. B. das Arbeitsgericht Lingen (Urt. v. 30.11.1988 – 2 Ca 7/88, AiB 1989, S. 92) schon vier Jahre ausreichend, um Weisungen auszuschließen, die nach dem Vertrag möglich waren.

Das führte zu erheblichen Verunsicherungen auf Arbeitgeberseite. Dass das BAG nun bei einer 30 Jahre währenden Übung bei seiner Linie geblieben ist, hat deshalb eine Signalwirkung.

Die in § 106 GewO genannten Teile des Direktionsrechts – Inhalt, Ort und Zeit – sind übrigens zueinander völlig gleichwertig. Was das BAG hier zur Verteilung der Arbeitszeit entschieden hat, gilt also genauso für Ort und Inhalt – und damit auch für Versetzungsfälle, denn um solche handelt es sich bei Veränderungen in diesen beiden Bereichen i. d. R. Hier wurde und wird ja oft argumentiert, jahrelanges Nichtversetzen schaffe einen Vertrauensschutz. Das ist nun vorbei. Ein naheliegendes Missverständnis ist allerdings zu vermeiden: Auch die zulässige Weisung muss stets noch „billigem Ermessen“ entsprechen, was die Gerichte überprüfen können.

Praxistipp

Da der Zeitablauf jetzt definitiv ausscheidet, um beim Arbeitnehmer ein schützenswertes Vertrauen zu schaffen, gilt es, alle Verhaltensweisen zu vermeiden, in denen er die oben beschriebenen „besonderen Umstände“ erblicken könnte, die dann den Ausschlag geben. Will der Arbeitgeber eine Veränderung vornehmen, die nach dem Direktionsrecht möglich ist, sollte er diese auch einseitig anordnen („Sehr geehrter Herr X, Sie arbeiten ab 1.1. in Y!“). Die oft (aus psychologischen Gründen oder reiner Unsicherheit) beobachtete Praxis, solche Dinge einvernehmlich zu regeln („Die Parteien sind sich einig, dass Herr X jetzt in Y arbeitet“), hat hier nämlich Spätfolgen: Signalisiert der Arbeitgeber bei der Ausübung seiner Rechte dem Arbeitnehmer, die Sache nur im Einvernehmen anzugehen, kann man es ihm nicht verdenken, wenn er das nach Jahren für sein Gewohnheitsrecht hält. Natürlich spricht nichts dagegen, sich die Anordnung bestätigen oder quittieren zu lassen. Entscheidend ist aber, dass man nicht so tut, als fehle einem die rechtliche Macht, auch ohne Zustimmung des Mitarbeiter so vorzugehen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 4/10