BAG, Urteil vom 05.06.2007, 9 AZR 604/06
In diesem Fall war der Arbeitnehmer bei einer Sparkasse als Sparkassen-Fachwirt beschäftigt. Der Arbeitgeber finanzierte ihm die Fortbildung zum Sparkassen-Betriebswirt, die auch Voraussetzung für eine Eingruppierung im gehobenen Dienst ist. Dabei handelte es sich um einen sechsmonatigen Lehrgang. Der Arbeitgeber hatte in der Fortbildungszeit sowohl die Arbeitsvergütung des Mitarbeiters weiter gezahlt als auch sämtliche Unterrichts- und Prüfungsgebühren, die Unterbringungskosten sowie die Fahrtkosten für eine Heimfahrt pro Woche übernommen. Gleichzeitig enthielt der zugehörige Vereinbarung eine Rückzahlungsklausel: Wenn der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch oder aufgrund eines schuldhaften Verhaltens innerhalb von drei Jahren nach dem Ablegen der Prüfung ausscheide, müsse er die dem Arbeitgeber entstandenen Kosten an diesen zurück erstatten. Der Arbeitnehmer schied zwei Jahre nach Abschluss des Lehrgangs auf eigenen Wunsch aus. Der Arbeitgeber erhob daraufhin Klage und forderte die Rückzahlung der Ausbildungskosten.
Fort- und Weiterbildung spielen seit vielen Jahren eine immer wichtigere Rolle im Arbeitsleben. Sehr oft trägt der Arbeitgeber die Fortbildungskosten. Dabei kann es sich um die eigentlichen Seminar- bzw. Schulungsgebühren handeln, aber auch – wie in obigem Fall – um Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten sowie die Entgeltfortzahlungskosten. Deshalb versuchen Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer, die auf Arbeitgeberkosten in den Genuss einer Schulung gekommen sind, möglichst lange an das Unternehmen zu binden, um ein Abwandern von soeben auf Arbeitgeberkosten erworbenem Know-how zu Wettbewerbern zu vermeiden.
Die Rechtsprechung hat seit jeher anerkannt, dass Unternehmen Rückzahlungen fordern können, jedoch nicht ohne inhaltiche Einschränkungen. Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer nicht entgegen Treu und Glauben unangemessen lange binden oder mit Kosten belasten.
Grundsätzlich ist eine Rückzahlungsklausel nur dann erlaubt, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Schulung Kenntnisse erworben hat, die er auch außerhalb des derzeitigen Anstellungsbetriebes verwenden kann – mit denen er also seinen „Marktwert auf dem Arbeitsmarkt“ steigert.
Handelt es sich um eine solche Fortbildung, die dem Arbeitnehmer auch auf einem anderen potentiellen Arbeitsplatz nützlich wäre, stellt sich die Frage, wie lange der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Abschluss der Schulung binden darf. Die Rechtsprechung beantwortet diese Frage, indem sie die berechtigten Belange des Arbeitgebers gegen das Interesse des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit der Erstattungspflicht wählen zu können, abwägt.
Besonders brisant ist diese Frage seit dem Jahr 2002 mit der Einführung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht) im Arbeitsrecht geworden. Dieses hat für Arbeitgeber eine gefährliche Besonderheit zur Folge: Hat der Arbeitgeber eine zu lange Bindungsfrist für den Arbeitnehmer vorgesehen, ist die vertragliche Rückzahlungsklausel insgesamt unwirksam und der Arbeitgeber erhält keinerlei Rückzahlung. Die Bindungsfrist kann auch nicht nachträglich durch gerichtliche Entscheidung auf den noch zulässigen Zeitraum reduziert werden. Die Klausel entfällt vielmehr ersatzlos, wenn der Arbeitgeber nur ein wenig über das Ziel (maximale Bindungsdauer) hinausgeschossen ist. Die Rückzahlungsverpflichtung fällt so zum Beispiel bei einer zu lang bemessenen Bindungsdauer auch dann weg, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar nach Abschluss der Schulung zu einem Wettbewerber wechselt.
In der hier besprochenen Enscheidung hatte die Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung der Ausbildungskosten indes in allen Instanzen Erfolg:
So folgte das Bundesarbeitsgericht nicht der Auffassung des Arbeitnehmers, dass in seinem Fall lediglich eine zweijährige Bindungsdauer zulässig gewesen wäre. Stattdessen stellten die Richter fest, dass die dem Arbeitnehmer gewährten Leistungen eine angemessene Gegenleistung dafür seien, dass er drei weitere Jahre im Unternehmen bleiben müsse. Der Arbeitnehmer habe hierdurch einen nicht unerheblichen geldwerten Vorteil erlangt. Bei einer Fortbildungsdauer von etwa sechs Monaten und der Übernahme weiterer Kosten durch den Arbeitgeber sei, so das Bundesarbeitsgericht, eine dreijährige Bindung angemessen. Der Arbeitnehmer hatte einen auch außerhalb des Sparkassen-Bereichs anerkannten Berufsabschluss erworben, der ihm nicht nur beim aktuellen Arbeitgeber, sondern auch in der freien Wirtschaft die Chance auf eine höhere Vergütung konkret einräumte.
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