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3. Sachverhalt im Verfahren des LAG Baden-Württemberg

Arbeitgeber und Arbeitnehmer streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung. Die Parteien schlossen folgende, jeweils sachgrundlos befristete Arbeitsverträge: von 27.08.2007 bis 30.11.2007, am 24.01.2011 für die Zeit von 01.02.2011 bis 30.06.2011, am 10.06.2011 für die Folgezeit bis 31.05.2012 und am 24.05.2012 für die Folgezeit bis 31.01.2013. Der Kläger macht die   Entfristung seines Arbeitsverhältnisses und Weiterbeschäftigung bei Gericht geltend. Das Arbeitsgericht Reutlingen gab dem Arbeitgeber Recht. In der Folge zog der Arbeitnehmer vor das LAG Baden-Württemberg.

4. Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg

Das LAG Baden-Württemberg gab dem klagenden Arbeitnehmer recht und wich damit von der Entscheidung des BAG vom 6. 4. 2011 ausdrücklich ab.

Nach Auffassung des LAG Baden-Württemberg verstoße § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG – anders als es das BAG sieht – nicht gegen Art. 12 Grundgesetz (GG). Dort ist die Berufsfreiheit garantiert. Darüber hinaus stünden der Wortlaut und die Gesetzesgeschichte des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einer verfassungskonformen Auslegung, wie sie das BAG vornimmt, entgegen. Der Gesetzgeber habe keinen Willen zur Einführung einer Zeitgrenze gehabt. Statt der in Anlehnung an die gesetzliche Verjährungsfrist des § 195 BGB postulierten Dreijahresfrist, wie es das BAG tut, hätte – wenn überhaupt – eine Differenzierung nach Art und Umstand der Vorbeschäftigung und damit eine teleologische Reduktion der Norm nahe gelegen, so das LAG Baden-Württemberg. Schließlich wäre wegen Divergenz zur Rechtsprechung des 2. Senats des BAG eine Vorlage dieser Streitfrage an den Großen Senats des BAG erforderlich gewesen, was der 7. Senat nicht tat.

Auf dieser Basis kam das LAG Baden-Württemberg daher zu der Erkenntnis, dass aufgrund der Vorbeschäftigung des Klägers von 27.08.2007 bis 30.11.2007 eine sachgrundlose Befristung seines Arbeitsvertrages ab 01.02.2011, zuletzt am 24.05.2012 für die Zeit von 01.06.2012 bis 31.01.2013 nicht mehr zulässig gewesen wäre, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Die Entfristungsklage des Klägers war damit begründet.

5. Was nun? – Folgen für die Praxis

Für die Praxis ist nun ein misslicher Zustand eingetreten. In jedem Fall können sich – und das ist die Krux an der aktuellen Lage – Arbeitgeber nicht darauf verlassen, dass bei sachgrundlosen Befristungen die 3-Jahres-Frist dauerhaft Bestand haben wird. Spätestens seit der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist auch ein Vertrauensschutz auf die Rechtsprechung des BAG sehr fraglich. Ohnehin fraglich wäre auch, ob das BAG überhaupt Vertrauensschutz hier gewähren würde. In anderen Fällen war das bei Rechtsprechungsänderungen nicht der Fall. Daher müssen Arbeitsgeber aktuell hier wieder sehr genau aufpassen, die Risiken bedenken und ggf. alternative Lösungen ergreifen, bis diese Rechtsfrage erneut – und dann hoffentlich dauerhaft – geklärt ist.

Wie geht es nun weiter? Das BAG hatte 2011 eindeutig entschieden. Bei vielfacher Freude an der besseren Handhabbarkeit von sachgrundlosen Befristungen war die dogmatische Herleitung des Ergebnisses und die Missachtung des Willens des Gesetzgebers, der absichtlich keine Zeitgrenze haben wollte, in der Literatur kritisiert worden. Auf diesen Zug ist der Kläger aufgesprungen und hat offenbar (und mit Erfolg) gehofft, auf einen ebenfalls kritisch eingestellten Richter zu treffen. Das Resultat ist, dass nun die Sache wieder offen ist.

Sofern hier Revision eingelegt werden würde – wovon auszugehen ist – muss das BAG neu entscheiden. Entweder bleibt es bei seiner bisherigen Linie und weist die Revision zurück. Oder der 7. Senat könnte nun doch die Frage dem Großen Senat des BAG vorlegen. Und dieser könnte abweichend vom 7. Senat entscheiden. Oder aber der Fall geht weiter zum Bundesverfassungsgericht, das hierüber eine Entscheidung zu treffen hat.


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 1. Rechtliche Ausgangslage –
§ 14 Abs. 2 TzBfG

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von 2 Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalenderbefristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG.

2. Die Entscheidung des BAG aus
2011 und Folgeentscheidung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hatte am 6.4.2011 entschieden, dass der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Grund bis zu 2 Jahren zu befristen, ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegensteht, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als 3 Jahre zurückliegt. Mit Urteil vom 21.09.2011 (7 AZR 375/10) hat der 7. Senat des BAG diese Entscheidung vom 06.04.2011 bestätigt.