00:00:03


Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM-Hacks, präsentiert von der TALENTpro, dem Expo-Festival für Recruiting, Talent Management und Employer Branding, das vom 6. bis 7. Juli wieder live in München stattfindet. Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Instituts. In unserer heutigen HRM-Hacks-Folge spreche mit Claudia Lorber zum Thema Recruiting mit ein bisschen Schwerpunkt Österreich. Claudia Lorber ist nämlich eine der bekanntesten Recruiterinnen Österreichs. Sie beschäftigt sich mit Recruitingstrategien, Schwerpunkt Social Media Recruiting. Wir haben zusammen auch schon eine Folge der HRM-Hacks zum Thema „Facebook-Recruiting“ gemacht. Sie ist Gründerin der Recruiting Insider Community, Weiterbildung-Dozentin zum Recruiting Manager beziehungsweise zur Recruiting Managerin des Digital Recruiters und Bloggerin zur Recruitingpraxis. Ich freue mich, dass Du heute bei uns bist, Claudia!

00:01:05


Claudia Lorber: Servus Sascha, aus Wien zum zweiten Mal.

00:01:09


Alexander Petsch: Ja, ich bin neidisch. Ich vermisse die Kaffeehäuser. Das ist ein bisschen Jugenderinnerung, hätte ich fast gesagt.

00:01:22


Claudia Lorber: Soll ich da jetzt weiter fragen? Oder besprechen wir das dann das nächste Mal unter uns?

00:01:26

Alexander Petsch: Das besprechen wir dann das nächste Mal unter uns. Ich habe ja punktuell in Wien immer wieder viel Zeit verbracht und es sehr genossen. Claudia, wo geht denn die Reise im Recruiting hin? Was siehst Du denn so als die Trends im Recruiting?

00:01:44


Claudia Lorber: Mich hatte erst letzte Woche eine Kundin gefragt, im Sinne von heute ist eh schon alles so schwierig, wird es noch schlimmer? Ja, leichter wird nicht. Also, das traue ich mich jetzt mal zu sagen. Leichter wird es nicht. Aber warum wird es nicht leichter? Weil wir immer noch mit denselben Ressourcen, zum Teil mit den gleichen Methoden und mit den Tools hantieren, möchte ich fast schon sagen, wie vor mittlerweile 20 Jahren. Ich mache das jetzt schon über 20 Jahre und habe immer wieder auch Teilnehmerinnen in meinem Workshop sitzen, die dann sagen, Bewerbungsmanagementsystem? Also, wir haben da so Outlook, das tut es auch. Ja, das tut es auch, aber ob das jetzt die Situation verbessert, ist eine andere Frage. Aber wo geht es grundsätzlich hin? Ich glaube, Recruiting ist mittlerweile wirklich eine komplexe Geschichte geworden. Und es gibt zwei sehr wichtige Faktoren, die erfolgsentscheidend sind. Nr. 1, Individualität. Und Nummer 2, Klarheit. Und das kann ich dann gerne noch ein bisschen ausführlicher erklären. Aber falls Deine Frage vielleicht abgezielt hat in Richtung KI im Recruiting und so weiter: Das ist ja gerade ein Thema, mit dem beschäftigen sich viele Menschen auf sehr vielen unterschiedlichen Ebenen. Und da gibt es ja viele Meinungen dazu. Ich glaube, es ist wichtig, dass uns klar ist, dass KI hier immer nur so gut sein kann wie das, was wir sozusagen hergeben. Was wir an Daten zur Verfügung stellen, was wir antrainieren. Und das ist leider eine Kompetenz, die wir im HR, und ich nehme mich überhaupt nicht aus, nie gelernt haben. Also mit Daten überhaupt umzugehen. Das ist eine Kompetenz, die wir im HR grundsätzlich lernen müssen, das wird uns im Recruiting aus meiner Sicht nicht erspart bleiben. Also an alle die, die sagen, ich möchte so gerne im Recruiting tätig sein, weil ich mit Menschen zu tun haben möchte. Ja, an dieser Stelle herzliche Grüße an eine ganz liebe HR-Kollegin von mir, die früher als HR-Verantwortliche bei einem ganz großen Wiener Bäcker tätig war. Wunderbar. Also, wer viel mit Menschen zu tun haben will, dem empfehle ich beim Bäcker Semmeln zu verkaufen, weil da hast du den ganzen Tag mit Menschen zu tun. Du machst die total glücklich, weil die wollen etwas, du gibst ihnen etwas, dann ziehen sie von dannen.

00:04:57

Alexander Petsch: Die Profile im HR haben sich ja grundlegend geändert in den letzten 20 Jahren. Und ich gebe Dir da völlig Recht. Ich habe auch meine Kunden jahrelang gefragt, wen löst Ihr eigentlich ab? Weil ich wissen wollte, gibt es irgendwelche Systeme, die sich schneller oder stärker verbreiten. Und die meisten haben ja jahrzehntelang immer geantwortet, Excel, so als System (lacht). Und das ist jetzt vielleicht nicht mehr ganz so. Individualisierung, Megatrend, sehe ich auch so. Das macht das Ganze natürlich unglaublich komplex. Ich muss sozusagen meine Zielgruppen kennen, meine Teilzielgruppen. Ich habe im Unternehmen, das weiß ja jeder, der sich mit HR beschäftigt, die verschiedensten Profile, Qualifikationen oder Talente, die ich suche. Und zu jedem dieser Qualifizierungsprofile muss ich mich eigentlich in der Sub-Community auskennen. Ich muss wissen, was ich suche. Ich muss eigentlich, und das ist vielleicht einer der ersten Hacks zum Thema, meine eigene Firma richtig tief kennen. Ich muss in die Abteilung rein, ich muss sozusagen in den Maschinenraum, um zu wissen, was suche ich denn? Wo bewegt sich denn meine Zielgruppe? Was muss die denn wissen? Und wenn ich IT-Leute suche, dann muss ich wissen, was die gängigen Skills und Qualifizierungen sind.

00:06:30

Claudia Lorber: Nicht unbedingt, Sascha, ich muss Dir da leider ein bisschen widersprechen.

00:06:34


Alexander Petsch: Gerne, Claudia. Dann mal los.

00:06:36


Claudia Lorber: Nummer eins, und das ist nämlich genau die Falle, in die wir alle tappen. Wir haben gelernt, auf irgendwelche Qualifikationen zu sehen. Wir haben aber jetzt eine Zeit, und da bin ich total froh darüber, in der nichts leichter ist, als sich Know-how anzueignen. Es gibt wirklich für alles und für jeden Youtube-Tutorials. Wirklich für alles. Und ich spreche jetzt natürlich nicht davon, dass es Jobs gibt, wo ich eine rechtliche Vorgabe habe. Ich möchte natürlich nicht von jemanden operiert werden, der sich Youtube-Tutorials angesehen hat. Um diese Jobs geht es jetzt nicht. Aber ansonsten ist es so, dass wir immer noch nach Qualifikation suchen, filtern und auswählen. Dabei geht es um Kompetenz. Und wir haben so viele neue Berufsbilder am Markt. Ich beziehe mich speziell auf Österreich, die Bildungslandschaft kommt ja gar nicht hinterher, so schnell zu agieren. Jetzt nehme ich einfach mal das große Thema Social Media. Es gibt Social Media-Lehrgänge, aber die Social Media-Welt dreht sich ja so schnell, wenn man da nicht wirklich permanent vorne mit dabei ist und sich nicht auf spezialisiert hat auf Plattformen, wo kriege ich denn das Know-how her und kann es dann auch noch weitergeben? Also, das schaffe ich ja gar nicht. Aber jedes Unternehmen, und vor zehn Jahren waren wir da noch weit davon entfernt, sucht heute jemanden für Social Media Management. Jetzt schauen wir uns einmal an, wie viele Ausbildungen gibt es denn überhaupt? Und kann es überhaupt genug Menschen geben, die diese Ausbildung schon gemacht haben und die Qualifikation auf dem Papier haben? Nein, die gibt es nicht. Gibt es Menschen, die diese Kompetenz haben? Die gibt es ganz sicher. Und die gibt es vielleicht sogar schon in den jeweiligen Unternehmen, weil einfach einer nebenbei sich gedacht hat, eigentlich ist Youtube ja total cool, ich nehme einfach selber ein paar Tutorials auf. Die wissen vielleicht mehr als dein Social Media Manager, den du eingestellt hast, der halt irgendwo schon mal einen Kurs gemacht und das theoretisch gelernt hat. Ich will jetzt überhaupt nichts schlecht machen, aber wenn das einer seit Jahren in seiner Freizeit macht, dann ist der möglicherweise qualitativ besser.

00:08:57


Alexander Petsch: Ich wollte gerade fragen, was ist für Dich Kompetenz? Aber das höre ich ja jetzt stark heraus. Also, Kompetenz ist die Fähigkeit zu wissen, was ich in einem bestimmten Bereich tue.

00:09:08


Claudia Lorber: Und wenn ich es nicht weiß, zu wissen, wo ich die Information herbekomme, dass ich es doch tun kann.

00:09:13


Alexander Petsch: Wir haben ja Social Media-Experten gesucht und ausgeschrieben: Wenn zu Deinem 16. Geburtstag aus Versehen 5000 Leute gekommen sind, dann bist Du für uns der Richtige (lacht).

00:09:25


Claudia Lorber: Ich verstehe die Intentionen und finde den Ansatz cool (lacht).

00:09:38

Alexander Petsch: Daten. Klarheit, auf jeden Fall. Das ganze Thema Digitalisierung im Recruiting und HR, das muss ich ernst nehmen, wenn ich erfolgreich sein will.

00:09:53


Claudia Lorber: Na ja, ich denke, wenn du erstens erfolgreich sein willst, und nicht nur jetzt, sondern auch in zehn Jahren. Und wenn du deinen Job behalten möchtest (lacht). Wenn du erfolgreich wirklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden und einstellen möchtest, dann musst du dich mit diesem Thema auseinandersetzen.

00:10:16


Alexander Petsch: Und wenn du nicht den kompletten Gewinn deiner Organisation im Recruiting verbrennen möchtest.

00:10:22

Claudia Lorber: Zum Beispiel. Wobei ich diese Sorge jetzt eher weniger habe, weil aus meiner Sicht das Budget nur selten so groß ist. Im Normalfall müssen wir ja immer mit sehr wenig Mitteln kalkulieren und auskommen. Da dürfte man aus meiner Sicht noch ein bisschen nachlegen.

00:10:50


Alexander Petsch: Was wären weitere Hacks für Dich zum Thema Recruiting?

00:10:56


Claudia Lorber: Du hast vorhin noch etwas gesagt, worauf ich eingehen möchte. Ich müsste mich quasi als Recruiterin mit den Fach-Communitys auskennen. Auch das sehe ich ein bisschen anders. Recruiting ist eben mittlerweile komplexer geworden, vielschichtiger geworden. Ich selbst habe lange Zeit in einem Unternehmen IT-Recruiting verantwortet und hatte das große Glück, dass ich ganz tolle Führungskräfte hatte in diesem Unternehmen, die mir als Nicht-IT-Experten genau erklärt haben, auf was schauen wir denn? Was heißt es eigentlich, wenn ich jetzt plötzlich einen UX-Experten suche? Was bedeutet das? Was macht der eigentlich genau bei uns im Unternehmen? Und die haben sich sehr viel Zeit genommen, mir das zu erklären, damit ich zumindest oberflächlich eine gute Selektion durchführen konnte. Und damals war es noch das Thema Selektion, weil zu diesem Zeitpunkt hatte ich auf eine ausgeschriebene Stelle im Zielbereich 300 bis 500 Bewerbungen, wir mussten selektieren. Das war natürlich Selektion angesagt. Ich musste wissen, auf welche Keywords schaue ich denn? Und dann ging es auch darum, die erste Runde möglichst ohne den Fachbereich abzudecken, weil die natürlich auch nicht die Zeit hatten. Ich habe im Schnitt pro Position zwischen 10 und 20 Erstgespräche geführt. So viele Bewerbungen kriege ich heute gar nicht mehr. Das heißt, das, was ich damals getan habe, kann heute bis zu einem gewissen Schritt eigentlich die künstliche Intelligenz übernehmen. Aber jetzt haben wir ein großes Problem. Wir im Recruiting haben nicht gelernt, was sind eigentlich die richtigen Schlagwörter? Weil uns genau dieses Know-how fehlt, genau das, was Du angesprochen hast. Und auf der anderen Seite haben unsere Bewerberinnen und Bewerber als Jobsuchende nicht gelernt, wie man einen CV schreibt, und zwar nicht den CV für mich im Recruiting, sondern für diesen Matching-Algorithmus. Und das können die leider Gottes auch für lange Zeit nicht lernen, denn wer soll es ihnen beibringen? Das bedeutet, wir können uns über die KI im Moment gar nicht finden. Und was die KI noch dazu nicht leisten kann, ist interpretieren. Sie kann zwar Daten auslesen, aber ich kann mir den gesamten CV ansehen und habe sozusagen ein gesamtes Bild und kann einzelne Stationen zusammenfügen und kann interpretieren – und im ersten Schritt ist Recruiting nichts anderes. Ist das Profil für uns interessant oder nicht? Und das schafft die KI heute noch nicht. Mache ich mir Sorgen, dass es den Job Recruiting bald nicht mehr gibt? Nein, ich denke, er muss sich einfach wandeln.

00:14:04


Alexander Petsch: Kommen wir zu dem Thema Daten noch mal zurück. Dahinter verbirgt sich ja auch ein stückweit der Recruitingprozess. Und der sollte natürlich schon möglichst digital sein.

00:14:21


Claudia Lorber: Ja. Es ist die Frage, aus welcher Perspektive.

00:14:27

Alexander Petsch: Wie siehst Du das, was wären Deine Tipps?

00:14:30


Claudia Lorber: Na ja, als Recruiterin würde ich mir wünschen, dass es so einzelne Steps im Prozess gibt, die digital und möglichst ohne mein Zutun einfach passieren. Und mein Lieblingsbeispiel dazu ist mein leidiges Thema, die Terminkoordination. Ich war in Unternehmen, in denen wir Hearings und Assessments und alles Mögliche organisiert, begleitet und betreut haben. Und dann find mal einen Termin, bei dem du als Recruiterin mindestens drei bis vier Menschen aus dem Fachbereich und dann auch noch die Kandidatinnen und Kandidaten hast. Das heißt, im Normalfall waren das so fünf bis acht Personen. Und dann sollte man einen gemeinsamen Termin finden. Und jetzt kommt die nächste Stufe: Möglichst an einem Tag für drei Personen, damit man die quasi durchlassen und am Ende des Tages eigentlich schon vergleichen kann. Da sind natürlich die Rahmenbedingungen heute ein bisschen anders. Da gibt es mittlerweile sehr, sehr viele Tools, die mir das abnehmen können, damit ich nicht mehr unbedingt zwei Stunden am Telefon hänge oder per E-Mail und so weiter und so fort. Inklusive einer sehr guten und ausgefeilten Terminbestätigung, wo einfach alles drinsteht, was die Bewerberin oder der Bewerber wissen muss. Und auf der anderen Seite die Information an die Führungskräfte, zum Beispiel mit Reminder oder wie auch immer. Das muss ich nicht mehr manuell machen. Das kann ich aus meiner Sicht auch heute schon mit gutem Gewissen auslagern an ein System oder ein Tool.

00:16:13


Alexander Petsch: Frank Rechsteiner hatte in einem unserer Podcasts mal als Tipp mitgegeben, mit den Fachabteilungen feste Tage oder halbe Tage zu blocken, damit ich als Recruiter weiß, ich kann immer Donnerstag morgens und Dienstag morgens oder freitags. Halt einfach feste Zeiten blockieren, bei denen ich weiß, da kann ich Gespräche terminieren und alle Beteiligten haben da Zeit. Das, was Du jetzt sagst, geht in eine andere Richtung. Denkst Du so in Richtung You can book me? Also solche Tools, die es im Vertrieb ja sehr häufig gibt, dass sozusagen in der E-Mail-Signatur drinsteht, und hier wäre es toll, wenn Du Dir einen Termin aussucht, der sozusagen kalenderfreigeschaltet ist. Und dann kann in dem Fall der Bewerber sich ein Termin aussuchen, der ihm passt.

00:17:13


Claudia Lorber: Absolut, das wäre natürlich ein toller Service. Ich gebe meinen Kundinnen auch immer als Tipp, dass in dem Moment, in dem ich eine offene Position habe und die ausschreibe und wir quasi in den Recruitingprozess gehen, dass spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem das Inserat veröffentlicht wird, ich mir dieses Zeitfenster blockiere, gemeinsam mit Führungskraft oder Fachbereich, oder wer auch immer dabei sein muss. Das könnte ich ja auch schon weitergeben, und dann könnte sich der Bewerber oder die Bewerberin schlicht und einfach aussuchen, ist es jetzt für mich angenehmer am Dienstagvormittag oder am Donnerstagnachmittag?

00:17:56


Alexander Petsch: Manche Marketingsysteme haben solche Terminbuchungsfunktionen schon integriert. Das kenne ich jetzt von Talent-Management-Systemen. Gibt es da auch schon?

00:18:18

Claudia Lorber: In diesem Umfang, wie ich das jetzt geschildert habe, kenne ich es auch noch nicht. Leider. Es wäre sozusagen ein Aufruf an alle Kolleginnen und Kollegen, die das als Feature betreiben. Aber es gibt natürlich welche, die man koppeln kann, die man dann einfach integrieren kann in die Kommunikation über das Bewerbungsmanagementsystem.

00:18:43


Alexander Petsch: Wo du deine Kalender anbindest. Einfach mal suchen, You can book me oder vergleichbare Tools. Spannend. Gibt es sonst noch im Digitalprozess Hacks, wo Du sagen würdest, daran denken?

00:19:10


Claudia Lorber: Ich denke, das ist schwierig, so pauschal zu beantworten, weil die Prozesse ja immer so ein bisschen anders laufen. Aber was bei aller Digitalisierung eben nicht vergessen werden sollte, das ist dieses Thema Individualisierung und Menschlichkeit. Weil so sehr ich diese Programme oder auch Chatbots schätze, die richtig eingesetzt einen wirklichen Mehrwert für meinen Job im Recruiting darstellen, es gibt zahlreiche Umfragen, in denen Bewerberinnen und Bewerber sagen, diese persönliche Kommunikation, und damit meinen sie individualisierte Kommunikation, die ist mir schon sehr wichtig, weil das ist quasi eine Vorwegnahme des Bildes, wie dann die Unternehmenskultur ist. Ob das jetzt wirklich stimmt oder nicht, dazu könnten wir wahrscheinlich eine eigene Podcast-Folge machen. Aber ich denke, ich kann diesen gesamten Prozess immer zuschneiden auf die Funktion. Und vielleicht ist es besser mit einem Beispiel. Jetzt sage ich mal, der Prozess, wenn ich jemanden suche für die Produktion, wird ziemlich sicher anders aussehen, als wenn ich beispielsweise einen Head of Controlling suche. Und jetzt ist es aber so, die Standardprozesse in den meisten Unternehmen unterscheiden nicht. Und allein, dass ich im System sagen kann, das ist der Prozess A, der gilt für Funktion X bis Y. Da habe ich eine Aufzählung. Und das ist der Prozess B, der gilt für diese und diese Funktion. Und dann habe ich vielleicht noch andere. Und je nachdem sind die Nachrichten, die verschickt werden. Anders. Sind die Stufen anders. Ist schon das Bewerbungsformular ein anderes. Ja, das erfordert einmal Zeit, Nachdenken und Umsetzen. Aber danach bin ich sicher, dass es allen Beteiligten hilft und dass es einen Mehrwert bietet. Und es wirkt individualisiert, tatsächlich ist es digitalisiert.

00:21:27


Alexander Petsch: Ja, aber man muss es halt einmal durchdenken. Das ist der Punkt, wenn ich Active Sourcing betreibe, kann ich dem Kandidaten im nächsten Kommunikationsschritt nicht sagen, vielen Dank für Ihre Bewerbung. Er hat sich gar nicht bei mir beworben (lacht).

00:21:40


Claudia Lorber: So ist es, ganz genau. Oder dass die Führungskraft sagt, warum wollen Sie eigentlich bei uns arbeiten? Na ja, weil mich Ihre Kollegin angesprochen hat (lacht).

00:21:56


Alexander Petsch: Gibt es in Österreich eigentlich Besonderheiten im Recruiting?

00:22:02


Claudia Lorber: Ich glaube, wir haben viele Besonderheiten. Ich überlege gerade, was ich so aus Deutschland weiß und gehört habe. Wo ich mir gerade nicht ganz sicher bin, aber wo ich weiß, dass es auf jeden Fall in Österreich zutrifft, das ist das Thema Mobilität. Also bei uns gibt es Kandidatinnen und Kandidaten, die geben eine minutengenau Vorgabe, wie lange sie mit dem Auto fahren. Und länger darf es nicht sein. 14 Minuten. Jetzt fahre ich 14 Minuten und wenn Sie einen Job für mich haben, wo ich weniger mit dem Auto fahre, dann können wir darüber sprechen. Das Thema Mobilität, eben auch im Sinne von Bundesland wechseln, Wohnort wechseln, da ist die Bereitschaft in Österreich nicht besonders ausgeprägt. Das heißt, je regionaler und je näher der Job, den ich anbiete, zum Wohnort ist, desto besser sind meine Karten.

00:23:13


Alexander Petsch: Also Flyer beim Bäcker auslegen oder an die Laterne kleben (lacht).

00:23:20


Claudia Lorber: Wieso nicht? Oder auf Facebook die regionalen Gruppen verwenden. Und die zweite Besonderheit ist die Angabe vom Gehalt. Wir sind in Österreich schon seit vielen Jahren rechtlich verpflichtet, in unseren Jobinseraten ein Gehalt anzugeben. Das wird nicht hundertprozentig so erfüllt. Das sehe ich selbst auch immer wieder, weil ich mir am Wochenende noch ganz oldschool die Zeitungen mit den Stellenanzeigen anschaue.

00:24:01


Alexander Petsch: Da bist Du ja schnell fertig.

00:24:01


Claudia Lorber: Nein, es gab eine Zeit, das hat sich wieder gewandelt. Auch Print ist nicht tot. Print ist wieder im Kommen. Warum? Weil alle so verzweifelt sind, dass sie wieder auf Altbewährtes zurückgreifen. Das ist nur eine Erklärung dafür, aber viel hilft viel. Wir haben einfach verschiedene Touchpoints und manchmal ist Print durchaus sinnvoll, abhängig von der Zielgruppe. Ich habe jetzt keine Studien, aber meine Erfahrung sagt mir, da ist es so, dass die meisten Unternehmen den sogenannten Mindestkollektivvertrag hinschreiben. Das kollektivvertragliche Mindestentgelt, so heißt es richtig. Und das ist etwas, an dem sich die meisten Jobsuchenden sich nicht gut orientieren können. Das bedeutet, die einen sagen, was, so wenig? Da bewerbe ich mich erst gar nicht. Meistens steht zwar daneben, Überzahlung möglich, aber was heißt das? Wir sind im Recruiting, wir verstehen das, wir wissen ungefähr, wo wir uns bewegen.

00:25:18


Alexander Petsch: Allein der Begriff „Überzahlung möglich“. Möchte ich überzahlt werden? Nein, ich möchte fair bezahlt werden.

00:25:27


Claudia Lorber: Richtig, da beginnt es schon. Also, die einen, die sich abschrecken lassen, weil die Bezahlung so niedrig ist. Und die anderen, die in die ganz andere Richtung ausschlagen und sagen, das kann eh nicht stimmen, was da steht, also verlange ich jetzt auch irgendeine Fantasiezahl. Die gibt es auch. Und damit ist ja niemandem geholfen. Also, mein Tipp ist hier, und ich weiß, dass der wenig umgesetzt wird in der Praxis, mit einer Range zu arbeiten und zu sagen, je nach Qualifikation – da haben wir jetzt wieder mein Lieblingswort – zahlen wir von bis. Und dann kann ich mich orientieren. Und selbst wenn ich ein bisschen darüber liege mit meinen Gehaltsvorstellungen, würde ich mich vielleicht trotzdem bewerben und wir reden nochmal darüber.

00:26:15


Alexander Petsch: Qualifikation oder Kompetenz?

00:26:17


Claudia Lorber: Na ja, leider Gottes ist es in dem Fall tatsächlich meistens an die Qualifikation geknüpft, weil die dahinterliegenden Gehalts- und Kollektivverträge einfach nichts anderes kennen.

00:26:34

Alexander Petsch: Was wäre Dein Tipp für Sourcing und Recruiting in Österreich? Was würdest Du zum Schluss noch als Hack mit auf den Weg geben?

00:26:47


Claudia Lorber: Dass Recruiting keine Alleinverantwortung ist, sondern dass Recruiting unbedingt die Verantwortung der Führungskraft ist, aber auch ein Stück weit Verantwortung vom Team. Und je mehr die einbezogen werden, desto besser funktioniert es auch, beginnend beim Wording vom Inserat bis hin zu „Ich nütze meine Netzwerke, um potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufmerksam zu machen auf unser Jobangebot“. Das wird noch immer vernachlässigt und das wäre aus meiner Sicht ein eine gute Möglichkeit, um Recruiting auch in Zukunft erfolgreich durchführen zu können.

00:27:35


Alexander Petsch: Noch eine Frage zum österreichischen Arbeitsamt AMS. Ist das noch so stark als Recruiting-Unterstützer? Ich weiß, dass das früher mal so war.

00:27:49


Claudia Lorber: Ich höre sehr Unterschiedliches. Ich denke, es hängt erstens von der Funktion ab. Es gibt Menschen, die mir erzählen, dass sie selbst beim AMS vorstellig waren und dass die Person, die dort beratend tätig ist, nicht mal weiß, was der Job eigentlich ist, den sie gerade machen. Das heißt, sie können auch nicht vermitteln. Wenn ich nicht weiß, um was es geht, funktioniert das nicht. Ich denke, es ist grundsätzlich auf sehr vielen Ebenen schon unterstützend. Vielleicht nicht unbedingt wirklich in der Vermittlung, aber das mag jetzt meine Auffassung sein.

00:28:40


Alexander Petsch: Ich dachte eher so als Jobbörse, als Plattform mit einer großen Verbreitung.

00:28:47

Claudia Lorber: Es gibt ja eine relativ neue Webseite, ich glaube seit dem Frühjahr 2021, allejobs.at. Und was die da gemacht haben, das ist wirklich ganz gelungen. Das ist eine Meta-Jobbörse, das bedeutet, alle Jobs sollen gefunden werden, die in Österreich auf einer Plattform ausgeschrieben sind. Ich habe mir das angeschaut und habe auch wirklich sehr, sehr viel gefunden. Das ist deutlich besser aufbereitet und deutlich besser gemacht als viele Meta-Crawler, die wir kennen. Aber was für mich persönlich fehlt, das ist die Info an die Zielgruppe. Das heißt, und ich erzähle das immer wieder in Workshops, wenn Recruiting-Verantwortliche die Plattform nicht kennen, dann fürchte ich, kennen sie Jobsuchende auch nicht unbedingt.

00:29:50


Alexander Petsch: Ja, Claudia, vielen Dank, dass Du heute dabei warst. Für alle, die es noch mal nachlesen wollen, einfach auf hrm.de Claudia Lorber oder Recruiting in Österreich eingeben, dann werdet Ihr sicher fündig. Wir freuen uns über Euer Feedback, und wenn Euch der Podcast gefallen hat, eine 5-Sterne-Bewertung wäre eine super Sache. Claudia, nochmal herzlichen Dank für Deinen Input!

00:30:19


Claudia Lorber: Danke für die Einladung, Sascha!

00:30:21


Alexander Petsch: Glückauf, bleibt gesund und denkt daran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für Euer Unternehmen.