Mobbingrate in Österreich steigt

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Laut den aktuellsten Ergebnissen der Working Condition Survey (EWCS) aus dem Jahr 2010 liegt die Mobbingrate in Österreich mit 7,2 Prozent deutlich über jener der Europäischen Union (4,1 Prozent). Hinzu kommt: Während die Mobbingrate EU-weit zwischen 2005 und 2010 laut Bericht um rund ein Prozent sank, stieg sie in Österreich im selben Zeitraum von fünf auf mehr als sieben Prozent an.

Der EWCS steht zum Download unter www.personal-manager.at/studien

Der klagende Arbeitnehmer war ab 2. Juli 2001 zunächst als Küchenhilfskraft, dann als Maschinenfahrer und schließlich ab 1. Mai 2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29. Dezember 2009 als Hausarbeiter beziehungsweise fallweise auch als Portier beschäftigt. Er fühlte sich längere Zeit hindurch an seinem Arbeitsplatz von den Kollegen ausgeschlossen. Die Ursache sah er darin, dass er keinen Alkohol trank.

Der Hausarbeiter informierte einen Vorgesetzten am 7. September 2008 per E-Mail darüber, dass er sich gemobbt fühlt. Er forderte in der Mail eine Aussprache mit allen Beteiligten. Am 25. September 2008 fand ein Gespräch mit dem Verwaltungsleiter statt, in dessen Verlauf dieser dem Arbeitnehmer zugestand, dass man etwas unternehmen müsse. Er bot ihm an, jederzeit mit Problemen zu ihm kommen zu können. Er sah aber keine Möglichkeit, ihm einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. Weiters versprach er verstärkte Alkoholkontrollen und er sagte zu, mit den mobbenden Mitarbeitern sowie mit dem Betriebsrat Gespräche zu führen.

Außerdem veranlasste der Verwaltungsleiter, dass der Arbeitnehmer mit jenem Kollegen zu Tätigkeiten eingeteilt wurde, mit dem er gern zusammenarbeitete.

Nach diesem Gespräch war der Arbeitnehmer immer stärkeren Angriffen seiner Kollegen ausgesetzt. Er wurde als „Arschloch”, „Schwein” und „Kameradensau” beschimpft und als „Verräter” bezeichnet.

Es kam es zu einem neuerlichen Gespräch am 7. November 2008 mit allen Beteiligten. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Verwaltungsleiter die Situation nicht lösen konnte, kündigte er an, einen Mediator einzuschalten. Dazu kam es jedoch wegen Terminproblemen nicht. Auch nach dieser Besprechung wurde der Kläger weiterhin beschimpft und beleidigt.

Schadenersatz gefordert

Ab 5. Jänner 2009 befand sich der Arbeitnehmer in Folge beinahe ein Jahr im Krankenstand, ehe er seinen vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis erklärte. Da der Arbeitgeber nicht eingriff, obwohl er von den Mobbinghandlungen wusste, und der Arbeitnehmer deshalb psychisch erkrankte, forderte der Betroffene einen Schadenersatz in Höhe von 7.183,64 Euro. Dieser Betrag umfasste unter anderem den entgangenen Verdienst durch den zwölfmonatigen Bezug von Krankengeld, Kosten für Medikamente, Fahrtkosten zu Ärzten beziehungsweise Therapien sowie Schmerzengeld.

Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht den Arbeitgeber unter anderem auch dazu verpflichtet, gegen mobbende Mitarbeiter vorzugehen, insbesondere wenn deren Verhalten so weit geht, dass die Arbeitsbedingungen für andere Arbeitnehmer nahezu unzumutbar werden. Wenn der Arbeitgeber von Gesundheitsgefährdungen erfährt, hat er unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe zu schaffen. Dabei ist er frei in der Wahl der Mittel, mit denen er das bekannt gewordene Mobbinggeschehen unterbindet.

Im konkreten Fall reagierte der Verwaltungsleiter zunächst im Rahmen der Fürsorgepflicht und führte Gespräche mit den Beteiligten, versuchte durch eine entsprechende Diensteinteilung, den Arbeitnehmer aus Konflikten mit Kollegen herauszuhalten. Außerdem ordnete er Kontrollen an, die sicherstellen sollen, dass das Alkoholverbot im Unternehmen eingehalten wird.

Fürsorgepflicht verletzt

Danach reagierte er aber – so der Oberste Gerichtshof – nicht mehr im Rahmen der Fürsorgepflicht. Er hätte einen Mediator beiziehen oder andere Mittel ergreifen müssen, um den Arbeitnehmer vor seinen Kollegen zu schützen. Jedenfalls war aufgrund der bekannten Sachlage zwingend rasches Handeln gefordert gewesen. Tatsächlich geschah aber nichts mehr, um den Hausarbeiter ausreichend zu schützen.

Der Oberste Gerichtshof kam also zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber ab dem 7. November 2008 seine Fürsorgepflicht schuldhaft verletzt hatte, sodass er gegenüber dem Arbeitnehmer schadenersatzpflichtig war.

Rechtslage bei Mobbing

Für Mobbing gibt es verschiedene Definitionen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Mobbing als beabsichtigte, systematische Schädigung von Kollegen oder Mitarbeitern versteht, die über längere Zeit verfolgt wird – und zwar mit dem Ziel, diese einzuschüchtern oder sogar aus dem Dienstverhältnis zu drängen.

In Österreich gibt es kein explizites Gesetz, das Mobbing und den rechtlichen Umgang damit definiert. Auch gibt es keinen diesbezüglichen Straftatbestand.

Der Arbeitgeber muss aber aufgrund seiner Fürsorgepflicht aktiv werden und unverzüglich auf angemessene Weise Abhilfe schaffen. Denkbar sind hier zum Beispiel Mediationsverfahren, Versetzungen, Verwarnungen bis hin zu Kündigungen oder sogar Entlassungen.

Das Arbeitsrecht bietet einem gemobbten Arbeitnehmer, der keine Unterstützung des Arbeitgebers erhält oder der vom Arbeitgeber selbst gemobbt wird, folgende Möglichkeiten:

a) Der Arbeitnehmer kann das Dienstverhältnis durch einen berechtigten vorzeitigen Austritt beenden (wegen Gesundheitsgefährdung oder wegen Tätlichkeiten und erheblicher Ehrverletzungen) und

b) Schadenersatz einfordern. Möglich sind hier Forderungen von mindestens 1.000 Euro für die erlittene Kränkung, wenn die Mobbinghandlungen zusätzlich diskriminierend waren, das heißt, Grund war das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit, die Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, das Alter oder die sexuelle Orientierung des Arbeitnehmers. Dieser Schadenersatz richtet sich gegen den Arbeitgeber und/oder die mobbenden Kollegen.

Zusätzlich zum Schadenersatz kann der Arbeitnehmer Beendigungsansprüche geltend machen. Das heißt, er ist so zu stellen wie bei einer Dienstgeberkündigung inklusive Entgelt bis zum nächsten fiktiven Kündigungstermin (Abfertigung „alt”).

Das Urteil des OGH zeigt deutlich: Unternehmen sollten Mobbingfälle oder auch nur Verdachtsfälle ernst nehmen, sofort gegensteuern und ihre Aktivitäten dokumentieren. Wichtig ist auch, dass einmalige Handlungen nicht ausreichen. Arbeitgeber müssen Mobbingfälle im Rahmen der Fürsorgepflicht vielmehr weiter beobachten und bei Bedarf erneut eingreifen. Rechtlich ergibt sich aus dem Urteil nichts Neues, weil schon davor klar war, dass Arbeitgeber aufgrund ihrer Fürsorgepflicht auf Mobbing reagieren müssen. Allerdings hat sich der Oberste Gerichtshof vor dem jüngsten Urteil noch nie so detailliert mit dieser Thematik und den damit verbundenen Verpflichtungen des Arbeitgebers auseinandergesetzt.

Quelle: personal manager Zeitschrift für Human Resources Ausgabe 2 März / April 2013