Die 18-jährige Steffi Rohrmeier lebt mit ihrer Mutter in der Hauptstadt der Philippinen, wo sie auf eine internationale Schule geht. Wie es sich anfühlt, in so jungen Jahren den Kulturkreis zu wechseln, erzählte sie dem EXPAT NEWS via Skype.

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Foto von Kaleidico

EXPAT NEWS: Wie haben Sie damals reagiert, als Ihre Mutter Ihnen eröffnet hat, dass sie für eine gewisse Zeit auf den Philippinen leben werden?

Rohrmeier: Der Mann meiner Mutter wurde vor etwa einem dreiviertel Jahr für zwei Jahre von seinem Arbeitgeber in die Philippinen versetzt und sie hat mir die Wahl gelassen, zu Hause in Niederbayern zu bleiben oder mitzukommen. Im ersten Moment dachte ich, cool, du hättest für zwei Jahre das Haus ganz für dich allein! Zu dem Zeitpunkt war ich fast 18 Jahre alt und bereits in der Lage, weitgehend für mich selbst zu sorgen. Dann wurde mir allerdings bewusst, dass ich auch das komplette Haus bewirtschaften müsste, was schon eine große Herausforderung gewesen wäre. Die Entscheidung fiel mir allerdings nicht leicht, denn es erschien mir zunächst unvorstellbar, meine Freunde und mein ganzes soziales Umfeld hinter mir zu lassen.

EXPAT NEWS: Was hat den Ausschlag dafür gegeben, Ihrer Mutter nach Manila zu folgen?

Rohrmeier: Zum einen habe ich mit meiner Mutter über die Pfingstferien einen Look-and-See-Trip nach Manila unternommen und war total begeistert von dem Land und von den Leuten. Zum anderen sagte mir ein guter Freund, dass dieser Auslandsaufenthalt eine riesige Erfahrung werden würde und ich die Chance wahrnehmen sollte, meinen Horizont zu erweitern. Er sagte mir: „Steffi, du wirst in deinem Leben noch so viele schwierige Entscheidungen treffen müssen, das hier ist eine von den leichteren.“ Meine Mutter war natürlich sehr erleichtert, dass ich mitkomme, aber der Abschied war schon schwer. Ich wollte bewusst nicht von meinen Freunden zum Flughafen begleitet werden, aber wir haben eine Abschiedsfete gefeiert und dabei habe ich wirklich Rotz und Wasser geheult; meine ganze Schminke war verlaufen. Meine Freunde waren aber teils sogar begeistert und viele sagten sofort, dass sie mich besuchen wollen. Die ersten zwei Monate in Manila waren jedoch unendlich hart, da ich meine Freunde sehr vermisst habe. Zum Glück gibt es aber Facebook und Skype, so dass ich über alles, was zu Hause passiert, auf dem Laufenden bleibe.

EXPAT NEWS: Wie war die erste Zeit in Manila für Sie?

Rohrmeier: Aufregend. Trotz des Urlaubs, den ich mit meiner Mutter über Pfingsten letztes Jahr verbracht habe, war ich unsicher, was mich erwarten würde. Es ging um Kleinigkeiten wie Konsumprodukte. So habe ich mich zu Hause erst einmal mit allen möglichen Dingen wie zum Beispiel Make-Up und Puder eingedeckt, weil ich nicht wusste, ob es meine Marken auch in Manila gibt. Zudem konnte ich anfangs nur leidlich Englisch sprechen, aber inzwischen beherrsche ich die Sprache fließend, denn der Schulunterricht findet ja auf Englisch statt.

“Die Möglichkeiten in Manila haben mich fast überwältigt”

 

EXPAT NEWS: Was waren die ersten Eindrücke von Ihrer neuen Heimat?

Rohrmeier: Ich war überwältigt von den vielen Autos. Richtig toll fand ich die bunten Jeepneys, das sind Kleinbusse, die den Straßenverkehr in Manila stark prägen. Begeistert war ich von den Öffnungszeiten der Geschäfte. Vor allem die Lebensmittelläden haben an sieben Tagen die Woche 24 Stunden geöffnet. Ich liebe den Supermarkt 7/Eleven. So etwas müssten wir auch in Deutschland haben. Und stellen Sie sich vor, hier liefern McDonald’s, Burger King und Starbucks sogar Essen nach Hause! Das ist schon cool. Ich komme ja aus einer sehr ländlichen Gegend, da ist alles viel ruhiger, geordneter und gemächlicher als hier. Ich hatte so eine Art positiven Kulturschock.

Allerdings bin ich hier sehr abhängig von öffentlichen Verkehrsmitteln und Autos. Zu Hause in Bayern geht man einfach raus und fährt mit dem Fahrrad von A nach B. Man trifft sich mit Freunden an der Isar, ist viel in der Natur. Hier ist das Leben irgendwie abgeschotteter. Seine Freizeit verbringt man entweder allein zu Hause oder man geht mit Freunden in eine der unzähligen Shopping-Malls. Und jeder ist ständig mit dem Handy zugange. Dann diese vielen Menschen, die sich fast zu stapeln scheinen. Ein absoluter Wahnsinn! Es ist nie ruhig, überall sind Autos, Jeepneys und Dreiräder unterwegs. Der Verkehr ist so chaotisch. In Deutschland ist ja alles so schön geordnet, hier hat Vorfahrt, wer das größte Auto besitzt und am kräftigsten hupt. Inzwischen kenne ich sogar die unterschiedlichen Steigerungsformen der Hupsignale – angefangen von der harmlosen Lichthupe, um zu signalisieren, dass man als erstes fährt, bis hin zum ungeduldigen Stakkatohupen.

EXPAT NEWS: Inwieweit unterscheidet sich der (Schul-)Alltag von dem in Ihrer Heimatstadt?

Rohrmeier: Ich bin an einer privaten internationalen Schule mit einer englischen und französischen Sektion und mache mein IB – also das International Baccalaureate (Anmerkung der Redaktion: internationales Abitur). Der Unterricht findet teils auf Deutsch und überwiegend auf Englisch statt. Lustig ist die Mehrsprachigkeit auch innerhalb eines Satzes. Viele fangen einen Satz auf Englisch an und beenden ihn aber auf Französisch. Gut finde ich, dass keine Unterrichtsstunden ausfallen und dass die Lehrer sich sehr intensiv um einen kümmern. Allerdings erwarten sie im Gegenzug eine hohe Leistungsbereitschaft. Die Zusammensetzung der Schüler ist relativ gemischt. In meine Klasse gehen vor allem deutsch-philippinische Individuen.

Mein Alltag ist wesentlich mehr vom Unterricht als von Freizeit geprägt. Ich habe einen langen Anfahrtsweg und mache oft Schularbeiten bis in die Nacht hinein. Am Wochenende gebe ich regelmäßig Nachhilfe in Mathe. Allerdings habe ich hier wirklich das Gefühl, etwas zu lernen und gut auf das spätere Studium vorbereitet zu werden. Der Unterricht macht mir Spaß, aber manchmal ist es schon hart. Aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens hatte ich bisher kaum Gelegenheit, die Philippinen kennenzulernen und Ausflüge mit meiner Mutter zu unternehmen. Wenn Ferien sind, fliegen wir meistens nach Hause und dann schlafe ich erst einmal richtig aus.

EXPAT NEWS: Was schätzen Sie besonders an Ihrem Leben in Manila und was fehlt Ihnen aus Ihrem alten Leben?

Rohrmeier: Ich liebe das philippinische Essen. Als Veganerin habe ich hier sehr viel Auswahl, es gibt so viele leckere Südfrüchte, die man auf jedem Markt kaufen kann. Mein Lieblingsgericht ist karamellisierte Kochbanane mit Sesam zusammen mit Klebreis, der in Bananenblättern zubereitet wird. Wirklich vermissen tue ich aber Grießbrei, denn den gibt es hier nicht zu kaufen und vegane Margarine ist hier auch nicht zu finden. Jetzt muss ich noch bis Juli warten und dann geht es wieder nach Hause, wo ich dann so viel Grießbrei essen werde, bis ich nicht mehr kann.

Schwierigkeiten habe ich manchmal mit dem Klima. Momentan ist Regenzeit, das heißt, die Luftfeuchtigkeit ist immens hoch, aber wir haben hier trotzdem gut 40 Grad. Manchmal habe ich Probleme, bei der heißfeuchten Luft richtig zu schlafen. Zudem sind die Schulräume und Geschäfte derart klimatisiert, dass ich fast tiefgekühlt werde und Kopfschmerzen bekomme.

EXPAT NEWS: Könnten Sie sich vorstellen, nach dem Schulabschluss weiter auf den Philippinen zu leben?

Rohrmeier: Ich liebe dieses Land wie ein Zuhause, aber ich möchte nach meinem Abi gerne Philosophie und Germanistik auf Lehramt studieren und das ist hier nicht möglich. Deswegen werde ich wieder nach Deutschland zurückkehren. Aber ich habe schon jetzt unendlich viel durch den Aufenthalt hier gewonnen!

EXPAT NEWS: Was wäre das konkret?

Rohrmeier: Meine Persönlichkeit hat sich immens weiterentwickelt. Ich habe gelernt, nicht mehr so schnell zu generalisieren, sondern mehr zu beobachten und von anderen Menschen zu lernen. Ich habe so viel über andere Kulturen gelernt, bin offener, spontaner und toleranter gegenüber anderen Lebensformen geworden. In der Schule wiederum habe ich viel über Ethik und Moral erfahren – dieser tiefgehende Unterricht hat mich geprägt. Die Bayern sind ja manchmal etwas hinterwäldlerisch. Dort fällt man sofort auf, wenn man beispielsweise etwas anders angezogen ist als die Mehrheit. In Manila kann ich problemlos in einer schönen weiten Aladinhose rumlaufen, ohne gleich als Tussi abgestempelt zu werden. Hier ist das ganz normal. Die offene Einstellung der Menschen hat auch positiv auf mich abgefärbt.

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Quelle: www.expat-news.com