Am 24.01.2013 entschied das BAG im Rahmen des § 23 KSchG, bei dem es um die Frage Anwendbarkeit dieses Gesetzes geht, dass Leiharbeitnehmer beim Schwellenwert von “in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer” zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einem “in der Regel” vorhandenen Personalbedarf beruht (2 AZR 140/12). Wenn ein Unternehmen also beispielsweise 6 Stammarbeitnehmer hat und regelmäßig 5 Leiharbeitnehmer beschäftigt, dann haben die 6 Stammarbeitnehmer Kündigungsschutz. Eine für kleinere Unternehmen weitreichende Entscheidung.

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Die Entscheidung hat einen gedanklichen Vorläufer. Am 18.10.2011 entschied das BAG, dass bei der Frage der Interessenausgleichspflicht bei einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) Leiharbeitnehmer beim Schwellwert von “in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern” mitzuzählen sind, die länger als drei Monate im Unternehmen beschäftigt sind.

Mit Spannung wird auf eine weitere Entscheidung in diesem Kontext gewartet. Am 13.03.2013 entscheidet das BAG darüber, ob Leiharbeitnehmer unter den Begriff “Arbeitnehmer” nach § 9 BetrVG fallen und damit die Größe eines Betriebsrats beeinflussen (7 ABR 69/11). Das hätte dann auch Auswirkungen auf die Zahl der freizustellenden Betriebsräte nach § 38 BetrVG.

Das BAG hatte am 14.12.2010 (1 ABR 19/10) festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. In der Folge wurde die Streitfrage, ob das auch für die Vergangenheit zu gelten hat, vom BAG am 23.05.2012 (1 AZB 58/11 und 1 AZB 67/11) basierend auf einer Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2012 (24 TaBV 1285/11 u.a.) dahingehend entschieden, dass die CGZP seit ihrer Gründung am 11.12.2002 nie tariffähig war. Das BAG wird am 13.03.2013 (5 AZR 954/11) über eine auf diesen Entscheidungen basierende Differenzlohnklage einer Leiharbeitnehmerin zu entscheiden haben.

Wenn der CGZP-Tarifvertrag nichtig war, gilt equal pay. Die Differenz zwischen equal pay und dem niedrigeren Lohn auf Basis des nichtigen Tarifvertrags wurde hier eingeklagt. Daneben gilt es auch die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der CGZP-Entscheidung zu bewältigen. Wenn ein höherer Entgeltanspruch wegen equal pay besteht, dann sind auch höhere Sozialabgaben abzuführen, für neben dem Verleiher auch der Entleiher einzustehen hat.

Eine weitere wichtige Problematik ist die Frage, ob bei einer nicht (mehr) “vorübergehenden” Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entsteht. Die 7. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg (vom 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12) hat dies verneint. Eine so weitreichende Sanktion hat der Gesetzgeber nach Ansicht der 7. Kammer nicht geregelt. Die 15. Kammer desselben LAG sieht dies jedoch gänzlich anders. Eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung ist, so die 15. Kammer, nicht mehr von der erteilten AÜG-Erlaubnis gedeckt, so dass eine Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis vorliegt. Nach §§ 1, 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 AÜG kommt in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande.

Zwischenfazit: Auch hier steht die Leiharbeit am Scheideweg. Es wird entscheidend darauf ankommen, was das BAG hierzu sagen wird. Auch hier ist eine höchstrichterliche Entscheidung dringend erforderlich. Würde sich die Meinung durchsetzen, dass bei einem Überschreiten des Zeitraums von “vorübergehend”, der wohlgemerkt gesetzlich gerade nicht fest bestimmt ist, ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ergeben, hätte dies voraussichtlich tiefgreifende Auswirkungen auf die Leiharbeit in der Zukunft. Die Gefahr, dass der heute ausgeliehene Leiharbeiter morgen ohne Willen des entleihenden Arbeitgebers zum Stammarbeitnehmer wird, wäre je nach Sachverhalt groß und das Risiko schwer kalkulierbar. Auch dies würde die Leiharbeit unattraktiver machen. Für Unternehmen bleibt daher zu hoffen, dass das BAG eine so weitreichende Sanktionierung nicht entscheiden wird.

Eine wesentliche Fragestellung in diesem Zusammenhang ist, ob der Betriebsrat einer Einstellung von Leiharbeitnehmern über §§ 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG, 99 Abs. 2 BetrVG verweigern darf mit der Begründung, eine geplante Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers verstoße gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, weil diese im konkreten Fall nicht “vorübergehend” sei. Das LAG Berlin-Brandenburg (vom 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12) legt den Begriff “vorübergehend” arbeitsplatzbezogen aus und kommt dann zu folgendem Schluss: Es ist unerheblich, für welchen Zeitraum ein Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, wenn er auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt werden soll. Ein Dauerarbeitsplatz ist einer, auf dem ein Dauerbeschäftigungsbedarf besteht. Ist ein solcher Einsatz geplant, kann der Betriebsrat der Zustimmung zur Einstellung rechtmäßig widersprechen. Eine Zustimmungsersetzung beim Gericht wurde hier versagt. Diese Ansicht wird auch vom LAG Niedersachsen (19.09.2012 – 17 TaBV 124/11) und vom Arbeitsgericht Cottbus (25.04.2012- 2 BV 8/12 und vom 22.08.2012- 4 BV 2/12) geteilt.

Zu dem genau gegenteiligen Schluss kommt das LAG Düsseldorf (vom 02.10.2012 – 17 TaBV 38/12). Es widerspricht danach nicht dem Begriff “vorübergehend”, wenn ein Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt wird. Es kann zunächst auch offen bleiben, für wie lange ein Leiharbeitseinsatz geplant ist. Danach ist vorübergehend mit einer flexiblen Zeitkomponente vom Gesetzgeber versehen worden. Höchstgrenzen gibt es gerade nicht. Diese Ansicht wird auch vom Arbeitsgericht Leipzig (vom 23.03.2012 – 5 BV 85/11 und vom 15.02.2012 – 11 BV 79/11) und vom Arbeitsgericht Offenbach (01.08.2012 – 10 BV  1/12) vertreten.

Zwischenfazit: Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser sehr brisanten und höchst praxisrelevanten Frage steht noch aus. Sie ist dringend erforderlich, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Würde sich die Meinung des LAG Berlin-Brandenburg und des LAG Niedersachsen durchsetzen, käme Leiharbeit auf einem Dauerarbeitsplatz nur noch in Ausnahmefällen wie einer Vertretungssituation in Betracht. Ferner bei Auftragsspitzen und unerwarteten Situationen im Betrieb. Das würde den Anwendungsbereich der Leiharbeit sehr einschränken. Setzte sich die Ansicht des LAG Düsseldorf durch, bliebe es diesbezüglich bei der bisherigen flexiblen und weit reichenden Einsatzmöglichkeit von Leiharbeitnehmern, was für Unternehmen zu begrüßen wäre. Die Weichenstellung könnte also größer kaum sein. Die Leiharbeit steht hier am Scheideweg.

Ende des Jahres 2011 wurde zur Umsetzung einer EU-Richtlinie das Wort “vorübergehend” in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) aufgenommen. Seither spielt in Sachen Leiharbeit bei den Gerichten an dieser Gesetzesstelle häufig die Musik.

In die Leiharbeit sind aktuell viel Unsicherheit und Neuerungen hereingekommen. In einigen wichtigen Fällen stehen höchstrichterliche Entscheidungen noch aus, die für Rechtssicherheit sorgen können. An einigen Stellen steht die Leiharbeit am Scheideweg und es wird sich zeigen, ob die Leiharbeit vor tiefgreifenden Änderungen steht oder ob gegebenenfalls nur geringerfügige Anpassungen erforderlich sein werden. In jedem Fall müssen Unternehmen gewappnet sein und wissen, was im schlimmsten Fall auf sie zukommen könnte. Alternativkonzepte über Outsourcing und Werkverträge könnten noch stärker in den Fokus als bisher rücken.

Wer für den Fall der Fälle gerüstet sein will, der sollte sich jetzt schon planerische Gedanken machen, wie das Unternehmen ohne Leiharbeiter auf Dauerarbeitsplätzen auskommen könnte. Wen Unternehmen derzeit Rechtsstreite im Zusammengang mit dem Begriff “vorübergehend” führen sollten, sollten diese durch die Instanzen geführt werden und nicht rechtskräftig zu Lasten der Unternehmen werden, bis das BAG hierzu entschieden hat. Wer sich zwischenzeitlich absichern will, der setzt bis dahin beispielsweise auf befristete Verträge oder klärt, ob Arbeiten an Dritte vergeben werden können.

In einigen Branchen gibt es seit Ende 2012 Branchenzuschlagstarifverträge für Leiharbeitnehmer, die in den jeweils vom Branchenzuschlagstarifvertrag betroffenen Branchen arbeiten. Weitere Tarifverträge treten in 2013 in Kraft. Dies betrifft die Metall- und Elektroindustrie, die Kautschuk- und Kunststoffindustrie, ebenso wie den Bereich Schienenverkehr, die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie, die Textil und- Bekleidungsindustrie und die Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie.

Es ist damit zu rechnen, dass weitere Branchen nach diesen Mustern folgen werden. Kernpunkt der Tarifverträge ist es, dass Leiharbeitnehmer bei einem Einsatz eines Unternehmens dieser Branche nach einer bestimmten Wartezeit gestaffelt Zuschläge auf ihren Lohn erhalten. Damit werden Leiharbeitnehmer finanziell der Stammbelegschaft angeglichen. Da dies zu höheren Kosten auf der Verleiherseite führt, ist damit zu rechnen, dass diese höheren Kosten den Entleihern in Rechnung gestellt werden, was die Leiharbeitskosten für Entleiher insgesamt teurer machen wird und die Attraktivität der Leiharbeit einschränkt.